Eine Schau über den Streetart-Star Banksy wird ab 30. April in Heidelberg zu sehen sein. Graffiti-Forscher Ulrich Blanché sieht das unautorisierte Projekt auch mit Skepsis.
Herr Blanché, Banksy kommt nach Heidelberg. Gut, es sind keine Originale, aber es soll seine Geschichte erzählt werden. Werden Sie sich die Schau ansehen?
Ulrich Blanché: Wenn er selber kommen würde, wäre ich gleich dabei! Dann wäre die Schau nämlich von Banksy kuratiert, was hier nicht der Fall ist. „Original“ ist dehnbar, gerade bei Banksy. Für die Einen sind das von ihm zertifizierte Siebdrucke in höherer Auflage, die oft wer anders nach Banksys Vorgaben gedruckt hat. Für Andere sind „Originale“ zumindest von ihm geschaffene Einzelwerke, etwa auf Leinwand.
Und für Ulrich Blanché?
Blanché: Ich persönlich folge Banksy, wenn er sinngemäß sagt, die Siebdrucke sind eher Souvenirs, das Wahre ist auf der Straße. Es soll „seine Geschichte erzählt werden“, aber wer hat es schon gern, wenn andere die eigene Geschichte erzählen, ohne dass man einverstanden ist? Reproduktionen von Banksy-Werken ohne seinen Segen sind immer Interpretationen anderer. Nur weil’s ein „Original“ ist, heißt auch nicht automatisch, dass es gut ist. Auch Banksy hat Besseres und Schlechteres geschaffen und würde nicht alles von früher ausstellen. Solang der Künstler lebt, soll er zumindest mitreden können, wenn er ausgestellt wird.
Aber ist es nicht an sich ein Widerspruch, Banksy überhaupt als Ausstellung in einem Raum zu zeigen?
Blanché: Das sehe ich nicht unbedingt als Widerspruch. Das Prinzip Street Art schließt nicht Innenräume aus, es besagt eher, dass man selbst entscheidet, wo man was zeigt. Nicht jedes Werk eignet sich für die Straße. Banksy hat ab 1997 regelmäßig in Innenräumen ausgestellt.
Wie sehen Sie die Tatsache, dass man, wie die Macher sagen, Banksys Geschichte erzählen will, wo man doch herzlich wenig über ihn weiß?
Blanché: Banksy hat sich schon viel geäußert seit 1998, in den Medien, auf seiner Website, in seinen vier Büchern, auf der DVD zu seinem Film „Exit Through the Gift Shop“, da kann man schon einiges wissen. Die Frage ist eher, welche Infos sind verlässlich, welche nicht? Ich beschäftige mich seit 15 Jahren mit Banksy und habe da viele Kriterien, ob man sich da so schnell ein Überblick verschaffen kann, bezweifle ich.
Was sehen Sie dann in so einer Ausstellung, die ja von vorn herein sagt, sie sei keine der Originale und die wohl in München ein guter Erfolg ist?
Blanché: Was in München hing, weiß ich in etwa. Wenn ich es richtig verstehe, wird in Heidelberg was anderes gezeigt als in München, da ja parallel auch in Berlin vom selben Orga-Team eine Banksy-Schau läuft. „Originale“ können ja nicht an zwei Orten gleichzeitig hängen. Vielleicht hat das die Anzahl der geliehenen Original-Drucke aus der Münchner Schau nochmals reduziert. Ich sehe so eine Ausstellung als Zeichen für die Popularität der Marke Banksy. Wer sich tiefer mit ihm auseinandersetzen möchte, dem empfehle ich Banksys Buch „Wall and Piece“ stattdessen – oder einen von meinen Texten.
Wie erklären Sie sich eigentlich diese Popularität, die ja schon weltweite Ausmaße angenommen hat – schließlich gibt es doch geschätzt hunderttausende Graffiti-Künstler wie Banksy…
Blanché: Für mich ist Banksy umgekehrt der Gradmesser dieser Hunderttausend. Viele davon hat er inspiriert. Dass wir heute so darüber reden, ist Ergebnis von 25 Jahren Arbeit, in der Banksy wie kein anderer Graffitikünstler vor ihm die Öffentlichkeit bespielt hat und dabei auch wahrgenommen wurde.
Blanché und Banksy
- Der Kunsthistoriker Ulrich Blanché forscht an der Uni Heidelberg über Streetart.
- „The Mystery Of Banksy – A Genius Mind“: 30.4. bis 12.9. Karten mit Morgencard Premium 15 Prozent ermäßigt im Kundenforum der „Schwetzinger Zeitung“, an der Tageskasse sowie bei Eingabe „Morgencard21“ unter morgencard.mystery-banksy.com
Ja, okay, aber wie ist das auch künstlerisch legitimiert?
Blanché: Das hängt natürlich von den jeweiligen persönlichen Bewertungskriterien ab, was denn Kunst ist. Fakt ist, dass Banksy quasi im Alleingang ein neues Kunst-Genre, Street Art, weltweit auf die Agenda gebracht hat. Im Vorbeigehen hat er noch abgeschafft, dass man in der Kunstwelt nur durch Galerien, Presse und Institutionen künstlerisch legitimiert werden kann.
Das wäre ja tatsächlich so etwas wie eine Kunst-Revolution. Wir wissen ja immer noch nicht genau, wer er ist. Glauben Sie, er hat das alles genau so geplant, oder ist es ihm halt passiert, hat sich so entwickelt?
Blanché: Erfolg lässt sich nicht im Detail planen. Die Ambition war bei Banksy früh da. Banksy hat immer viel gemacht und das auch stark nach außen kommuniziert. Da seine Werke immer verständlich sein wollten, haben das auch viele andere für ihn übernommen.
Interessant dabei ist ja der Demokratisierungsgedanke: Kunst für alle umsonst und überall. Wie sehen Sie die Verein- fachung der künstlerischen Mittel und Sprache im Vergleich zu einer intellektuell eher komplexer werdenden Avantgarde?
Blanché: Ich denke, dass Banksy wie die Simpsons oder Monty Python funktioniert, in Schichten. Für jede Altersstufe und intellektuelle Kapazität ist meist was dabei. Banksy kombiniert seine zeit- und ortsspezifische Kunst mit Performance und Konzeptkunst, man darf nicht nur das Motiv sehen, das man auf ein Shirt drucken kann. Banksy ist beides. Wer schon bei Beuys nur die Fettecke sah, wird auch Banksy immer für einen Scharlatan halten – mir persönlich ist das aber zu einfach gedacht.
Was ist der nächste logische Schritt für Banksy? Wird er ewig versuchen, seine Anonymität zu wahren wie Schriftsteller Thomas Pynchon oder J. D. Salinger, oder wird er eines Tages aus der Dunkelheit heraustreten und – sagen wir es so – seine Popularität vergolden, in dem er neben Leuten wie Gerhard Richter, Damien Hirst oder Jeff Koons einer der teuersten lebenden Künstler der Welt wird?
Blanché: Banksy gehört bereits zu dieser Liste, er war bei Artprice kürzlich auf Platz 38 der Künstler mit dem weltweit größten Umsatz auf Auktionen, bei der Anzahl verkaufter Werke war er gar auf Platz 5. Das heißt aber für all diese Künstler nicht, dass das Geld immer bei ihnen landet. Es landet oft bei dem, der ihr Werk vor Jahren gekauft hat. Banksy sagte 2006, dass er kein Interesse daran hat, jemals persönlich an die Öffentlichkeit zu treten.
Und was glauben Sie?
Blanché: Ich habe keinen Grund zu glauben, dass er da seine Meinung geändert hat. Banksy wird sicher noch eine Weile künstlerisch und auch politisch aktiv bleiben. Irgendwann wird er, wenn er nicht enttarnt wird, wohl schlicht verschwinden gemäß seinem Spruch: „When the time comes to leave, just walk away quietly and don’t make any fuss.“ (Wenn es Zeit zum Abschied-Nehmen ist, geh’ einfach leise und mach’ kein Theater).
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