Schauspiel

"Apropos Schmerz" am Nationaltheater Mannheim: Krankheit sichtbar machen

Am Freitag, 10. Januar, feiert das Stück "Apropos Schmerz (Denken Sie an etwas Schönes)" von Hausautorin Leo Lorena Wyss Uraufführung im Werkhaus des Nationaltheater Mannheim. Was Wyss und die Regisseurin erzählen wollen

Von 
Jakob Walter
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Regisseurin Caroline Anne Kapp und Autor*inn Leo Lorena Wyss © Christian KLeiner

Mannheim. Wie ist es, chronisch krank zu sein? Im eigenen Leiden und Schmerz nicht ernstgenommen zu werden und keine Unterstützung von außen zu erfahren? Diesen Fragen muss sich Anna Blume stellen. Sie hat Endometriose, und leidet teilweise unter so starken chronischen Schmerzen, dass sie in Ohnmacht fällt. Auf ihrer Suche nach Behandlungsmöglichkeiten gerät sie auf einen „Irrweg durch Praxisräume. Erfährt Zuschreibungen, Misogynie und, dass ihr nicht zugehört wird“.

So beschreibt Autor*in Leo Lorena Wyss das Stück „Apropos Schmerz (Denken Sie an etwas Schönes)“, das am Freitag, 10. Januar, im Studio Werkhaus des Nationaltheaters Mannheim uraufgeführt wird. Regie führt Caroline Anne Kapp. Im Zentrum der Erzählung steht dabei Protagonistin Anna Blume, gespielt von Dominika Hebel, deren Krankheit vor allem von Ärztinnen und Ärzten nicht ausreichend ernst genommen wird. Auch, weil das Gesundheitssystem viele Menschen auslasse und eine männlich geprägte Historie habe, erklärt Wyss.

"Apropos Schmerz" am NTM nicht nur als bloße Kritik an veraltetem Gesundheitssystem

Dabei ist es laut Wyss wichtig zu verstehen, dass auch Frauen Krankheiten haben und anders leiden. Vor allem um Endometriose - eine chronische Erkrankung, bei der Gewebe, das der Gebärmutterschleimhaut ähnelt, außerhalb des Uterus wächst und zum teil starke Schmerzen verursacht - rankten sich lange Zeit Mythen und Halbwahrheiten. Auch weil die Krankheit nicht ausreichen erforscht wurde.

Leo Lorena Wyss

  • Geboren 1997 in Basel, ist Wyss für die Spielzeit 24/25 Hausautor*in am NTM.
  • Wyss studierte Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis, nun in Hildesheim Sprachkunst an der Universität für angewandte Kunst.
  • Zuletzt erhielt Wyss für das Stück „Blaupause“ den Autorenpreis des 40. Heidelberger Stückemarktes.
  • Weitere Vorstellungen: So. 12.1, So. 26.1, Sa. 1.2, So. 9.2. jaw

Wie wenig ernstgenommen Endometriose werde, sei für Regisseurin Kapp dabei gegenläufig dazu, wie viele Menschen in Deutschland darunter leiden. „Schätzungsweise sind zwischen 8 und 15 Prozent aller Mädchen und Frauen betroffen - das sind in Deutschland ca. 2 Millionen Menschen“, schreibt die Endometriose-Vereinigung Deutschland.

In „Apropos Schmerz (Denken Sie an etwas Schönes)“ geht es Wyss jedoch nicht nur um bloße Kritik an einem veralteten Gesundheitssystem. „Ich schreibe ja immer noch ein Stück und kein Essay“, sagt Wyss. Viel eher gehe es um einer Form von Thematisierung und Sichtbarmachung von unsichtbaren Körpern und einem Leiden, das sehr viele Menschen betreffe. Somit hat sich Wyss vor allem mit ästhetischen Fragen beschäftigt: „Welche Form nutze ich, um eine bestimmte Geschichte zu erzählen? Wie kann ich eine Form von Kritik auf einer formalen Ebene verhandeln?“

Das Ensemble (v. l.): Dominika Hebel, Rahel Weiss, Daniel Krimsky und Maria Helena Bretschneider. © Christian Kleiner

Herausgekommen ist dabei ein Text, der die Protagonistin in ihrem Auftreten, in ihren Taten und ihrem Leiden beschreibt - hauptsächlich von außen. Ein Punkt, bei dem sich laut Regisseurin Caroline Anne Kapp Text und Inszenierung treffen. „Anna Blume wird immer angeschaut und muss auf Situationen reagieren, in die sie hineingeworfen wird“, erzählt Kapp. Nur in wenigen Momenten habe die Protagonistin die Chance, die Dinge so darzustellen, wie sie für sie selbst sind.

Schmerz und Frust nimmt mehr und mehr Raum in "Apropos Schmerz" am NTM ein

Das führt laut Wyss auch dazu, dass sich Anna Blume nach und nach vom eigenen Körper entfremdet. Was psychisch passiere, wenn physische Leiden nicht wahrgenommen werden oder physische Leiden als psychisch eingestuft werden, könne in „Apropos Schmerz“ gut beobachtetet werden.

Dieser sich dadurch in Anna aufstauende Frust und ihr Schmerz nimmt laut Kapp mit voranschreitender Zeit auch inszenatorisch sowie auf auditiver Ebene mehr und mehr Raum ein - bis sich alles schließlich entlädt. Am Ende soll sich für die Protagonistin so auch herauskristallisiert haben, wie sie sich emanzipieren kann und welche Auswege sie für sich selbst findet.

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Kapp gehe es dabei auch um eine Form von Verletzlichkeit, die im Alltag zugelassen werden sollte. „Wenn man sich verletzlich macht, kann das nur eine Chance sein, gehört zu werden.“ Und noch etwas liegt ihr am Herzen. „Wenn du eine chronische Krankheit hast, bist du immer chronisch krank. So ist auch der Blick von außen“, schildert Kapp. Doch die Figur Anna Blume sei nicht nur krank. „In ihrem Leben geht es auch um Lust und Sexualität. Krankheit soll nicht zum Stigma werden“, so die Regisseurin.

Zusätzlich dazu möchte Wyss, dass es eine Auseinandersetzung von Krankheit im Theater gibt. „Apropos Schmerz“ soll dabei nicht zu moralisierend wirken. Wyss wolle eine Form finden, die verschiedene Sichtweisen erlaubt - auch durch den popkulturellen Ton einer „lauten schrillen Medienwelt, die sich reinspielt“ und Krankheit mit Kapitalismuskritik verschränkt. Was das genau bedeutet und mit dem Bergdoktor zu tun hat, könne ab 10. Januar gesehen werden.

Redaktion Online-Redakteur, zuständig für redaktionelle Videos

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