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„After the Hunt“: Julia Roberts und das Spiel mit der Wahrheit

In Luca Guadagninos „After the Hunt“ glänzt Julia Roberts als Yale-Professorin, deren von Andrew Garfield gespielter Kollege des sexuellen Übergriffs an einer ihrer Studentinnen bezichtigt wird.

Von 
Gebhard Hölzl
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Julia Roberts als Philosophieprofessorin Alma Olsson in dem Film “After the Hunt”. © epd

Er ist auf den Festivals ein gerne gesehener Gast: Luca Guadagnino, 1971 in Palermo geboren. Mit dem vierfach für einen Oscar nominierten Film „Call Me By Your Name“, der Geschichte einer hitzigen Affäre zwischen einem 17-jährigen italienischen Jugendlichen und einem 24-jährigen Amerikaner, machte er sich 2017 international einen Namen. Es folgten unter anderem ein Remake von Dario Argentos legendärem Giallo „Suspiria“, das romantische Horror-Drama „Bones and All“, für das er auf den Filmfestspielen von Venedig 2022 mit einem Silbernen Löwen für seine Regie ausgezeichnet wurde, der Liebesfilm „Challengers – Rivalen“ und zuletzt „Queer“, die Adaption von William S. Burroughs‘ autobiographisch gefärbtem Roman mit Daniel Craig als Alter Ego des Kultautors.

Dieses Jahr war Guadagnino wieder einmal auf dem Lido zu Gast. Wie später dann auf der Viennale in Wien, der der Deutsche Christian Petzold („Miroirs No. 3“) seit diesem Jahr als Präsident vorsteht: außer Konkurrenz mit „After the Hunt“. Als psychologisches Drama mit (milden) Thriller-Elementen wird die US-amerikanische Produktion beworben, von der Schauspielerin Nora Barrett („Silhouette“) stammt das (Erstlings-)Drehbuch. Prominent angeführt wird die Besetzung mit Publikumsliebling Julia Roberts, die seit ihrem Part als „Pretty Woman“ längst zur vielseitigen Charakterdarstellerin gereift ist.

Campusdrama um Machtspiele und Missbrauchsvorwürfe

Roberts schlüpft in die Rolle der gleichermaßen angesehenen wie ambitionierten Yale-Professorin Alma Imhoff, die in einen Fall von möglichem sexuellen Missbrauch verwickelt wird. Nach einem Abendempfang in ihrer exquisit ausgestatteten Luxuswohnung soll sich ihr Kollege und Freund Hank Gibson (Andrew „Spider-Man“ Garfield) an der schwarzen Studentin Maggie — verkörpert von Ayo Edebiri, bekannt als „Syd“ aus der Hit-Serie „The Bear“ — vergangen haben. Dieser behauptet aber, die junge Frau — er hat sie nach besagter Feier nach Hause gebracht — nur ob der kopierten Passagen in ihrer Dissertation zur Rede gestellt zu haben …

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In welchen Kinos Julia-Roberts-Thriller „After the Hunt“ läuft?

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Martin Vögele
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Zwei Aussagen. Zwei Standpunkte. Was stimmt, was ist gelogen? Liegt die Wahrheit gar irgendwo in der Mitte? Der Kniff des Skripts besteht darin, dass keine klare Position bezogen wird. Der Zuschauer muss für sich entscheiden, selbst Schlüsse ziehen. Abwägen. Werten. Schon beim Titel – übersetzt: „Nach der Jagd“ – überlegen, was er eigentlich meint. Kopfkino, angesiedelt in erlesenem Ambiente, #MeToo hautnah und klug aufbereitet. Ein Dialogfilm. Blicke und kleinste Gesten gilt es zu deuten. Die verschiedenen Sichtweisen werden an den verschiedenen Personen festgemacht. Dabei steht die Philosophie-Lehrbeauftragte Alma im Zentrum des Geschehens.

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Die gegnerischen Parteien versuchen, sie mit allen Mitteln auf ihre Seite zu ziehen. Sie als mächtige Mitstreiterin zu gewinnen. Der virile, von sich selbst überzeugte, nicht unbedingt angenehme Hank ebenso wie die queere Maggie, behütete Tochter aus reichem Haus, oder die Studentenbeauftragte Kim in Person von Chloë Sevigny („Bonjour Tristesse“). So lernt man die enigmatische Alma – und (einige) ihrer Geheimnisse – kennen, dringt tief in ihr Inneres vor, das sie still hinter einer steinernen Miene verbirgt. In einer Männergesellschaft hat sie sich beharrlich hochgekämpft, ihren Platz gesichert, wird von ihren Schülern geschätzt und verehrt.

Julia Roberts



  • Regelmäßig sorgt sie für volle Kassen: Publikumsliebling Julia Roberts. So kann „Jules“ auch zweistellige Millionenbeträge als Gage fordern, für Mona Lisas Lächeln“ etwa soll sie 25 Millionen Dollar kassiert haben.
  • Der Durchbruch gelang der 1967 in Smyrna, Georgia, geborenen Journalismusstudentin 1990 als „Pretty Woman“ , eine Phase mit schwächeren Auftritten wie in „Der Feind in meinem Bett“ folgte.
  • Ab 1997 ging’s für Roberts steil aufwärts, sie landete mit Filmen wie „Die Braut, die sich nicht traut“ oder „Notting Hill“ Hit auf Hit, gewann für ihre Titelrolle in Erin Brockovich (2000) einen Oscar.
  • Sie arbeitet gerne mit Regisseur Steven Soderbergh zusammen, der sie etwa in „Voll frontal“ besetzte.
  • Dass sie nicht nur in leichten Parts zu überzeugen weiß, bewies sie in Mike Nichols‘ „Hautnah“, Peter Hedges „Ben Is Back“ oder den von ihr (ko-)produzierten Serien „Homecoming“ (Amazon Prime) und „Gaslit“ (Starzplay).
  • In erster Ehe war sie mit Musiker Lyle Lovett verheiratet, 2002 ehelichte sie Kameramann Danny Moder , der sie 2015 bei „Vor ihren Augen“ ins rechte Licht rückte. Das Paar hat drei Kinder . geh

Roberts liefert eine grandiose Leistung ab, gibt souverän die brillante Frau, die Thomas Manns Jahrhundertwälzer „Buddenbrooks“ in Originalsprache liest, bevorzugt übergroße Männerkleidung trägt — Jeans, weite Hemden und bequeme Slipper — und sich gelegentlich, geplagt von schweren Magenkrämpfen, auf dem Boden windet. Vielleicht weil sie darum kämpft, dass ihre Amtszeit verlängert wird oder sie ständig knappe Abgabetermine einhalten muss. Treu zur Seite steht ihr dabei ihr langjähriger Ehemann, der Psychotherapeut Frederik, zurückhaltend, höflich, still und mit geradem Rücken angelegt von Michael Stuhlbarg („A Serious Man“).

„Tagebuch eines Skandals“, geschickt gepaart mit „Szenen einer Ehe“

Eine fremde, privilegierte, konservative Welt, vom Filmemacher mit Stilwillen gestaltet. Schöne Menschen in schöner Umgebung. Geld spielt keine Rolle, nur der Geschmack zählt. Was an „Action“ fehlt, macht Guadagnino mit technischer Raffinesse wett. Lässt Kameramann Malik Hassan Sayeed („Spiel des Lebens“) mit Bildschärfen und -ausschnitten spielen, experimentiert — etwa mit lautem Uhrticken — auf der Tonspur. An die späten Filme von Woody Allen – minus dessen bösem Witz – fühlt man sich manchmal erinnert, auch ob des schlicht und sachlich gehaltenen Vorspanns. Sicherlich kein leichtes, leicht zugängliches Werk, eher das „Tagebuch eines Skandals“, geschickt gepaart mit „Szenen einer Ehe“.

Freier Autor Gebhard Hölzl, Print-/TV-Journalist, Autor und Filmemacher.

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