Belastete Straßennamen Richtige Entscheidung, aber die Debatte muss weitergehen!

Konstantin Groß zur Änderung der vier Straßennamen

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Konstantin Groß
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Nach drei Jahren zunächst quälender, zuletzt vor Ort auch hitziger Diskussionen hat der Gemeinderat der Stadt Mannheim die Änderung von vier historisch belasteten Straßennamen beschlossen. In spätestens zwei Jahren ist Schluss damit, dass drei Kolonialverbrecher zuzüglich eines fanatischen Judenhassers in unserer Stadt mit Straßennamen geehrt werden. Gut so!

Besonders, dass dies mit überwältigender Mehrheit im Rat ge-schah. Am Ende sammelten sich die Uneinsichtigen in diesem 49-köpfigen Gremium in nur zwei Gegenstimmen. 2 aus 49 - das ist schon im Lotto nicht viel. Die Mehrheitsverhältnisse zeigen: Anders als oft zu hören, ist es eben nicht so, dass „eine kleine Clique von Gutmenschen“ den Vielen ihr Geschichtsbild aufdrängt.

Das Stadtparlament und dabei sehr persönlich Oberbürgermeister Peter Kurz sind ihrer gesellschaftlichen Verantwortung vollauf gerecht geworden. Und eine solche stellt die Aufarbeitung des Kolonialismus in der Tat dar. Eines der zweifelsfrei sinnvollen Ziele im Regierungsprogramm der Ampel ist daher erstmals dieser Aufgabe gewidmet. Sie wird damit neben dem Gedenken an den Holocaust und an die Verbrechen des Unrechtsregimes in der DDR zur dritten Säule offizieller Gedenkkultur in Deutschland.

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Das ist richtig und überfällig. Mit dem Vorwand, dass Engländer, Franzosen, Belgier in ihren Kolonien weit stärker schuldig geworden seien als wir Deutschen, hat man sich bis vor kurzem ebenso selbst belogen wie früher mit dem Mantra, für Verbrechen der Nazis seien nur ganz wenige verantwortlich gewesen.

Auch wenn beides nicht gleichgesetzt werden kann, so offenbaren sich in der Kritik an der Aufarbeitung von Holocaust und Kolonialverbrechen doch ähnliche Denkmuster. Natürlich, besonders gerne vorgebracht: Habt Ihr keine anderen Sorgen? Oder: Durch das Gedenken werde kein Opfer wieder lebendig. Oder: Muss man sich 70 oder 100 Jahre später an die Beseitigung dieser historischen Altlasten machen? Besonders dieses Argument wendet sich gegen sich selbst: Traurig genug, dass wir jetzt nachholen müssen, was bislang versäumt wurde. Aber teilweise ist es ja leider noch viel schlimmer: Der Sven-Hedin-Weg in Rheinau-Süd etwa wurde erst 1984 so benannt.

Doch die Causa Rheinau-Süd zeigt auch: Es kommt zu Erkenntnisgewinn. Viele haben in dieser Debatte Dinge über den Kolonialismus erfahren, die sie vorher nicht gewusst hatten. Ihre Fortsetzung ist daher sinnvoll, ja notwendig. Von Schlussstrich also keine Spur. Im Gegenteil: Es muss weitergehen, noch intensiver.

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