"MM"-Sonderausgabe

Ein besonderer Tag, eine besondere Zeitung

Von 
Karsten Kammholz
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Feiernde Menschen auf der Berliner Mauer im Jahr 1989. © Wolfgang Kumm / dpa

Wir Deutsche tun uns schwer, stolz auf uns zu sein. Aus guten Gründen. Wir dürfen und wollen die dunklen Jahre nicht abstreifen. Wenn wir allerdings heute zurückblicken auf den 9. November 1989, dann erinnern wir uns an einen Tag deutscher Geschichte, der einem Wunder gleichkommt.

Vor 30 Jahren kippten die Deutschen im Osten die Mauer, hinter der sie mit vielen Einschränkungen, manche aber auch glücklich, lebten. Es waren rund 1400 Kilometer Stacheldraht, Minen, Todesstreifen, die Deutschland Ost und West über Jahrzehnte auf brutale, menschenverachtende Weise trennten. Die sozialistischen Machthaber der DDR, treu ergeben an der Seite der damaligen Sowjetunion, hatten die Mauer zwischen ein Volk gezogen, das nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 unter vier Siegern aufgeteilt wurde.

Wir können heute froh und glücklich sein, dass den mutigen Bürgern der DDR – der Schwerpunkt des Aufbegehrens lag in den Monaten vor dem 9. November 1989 in Leipzig – eine friedliche Revolution gelang. Demonstranten, die das Demonstrieren gar nicht kannten, schickten zu Zehntausenden ihr „System“ auf den Scheiterhaufen der Geschichte. Bewunderung ist ein viel zu kleines Wort für alle die, die damals auf die Straßen gingen in einem Staat, der von Überwachung, Drangsalierung, Bedrohung, Unterdrückung lebte.

30 Jahre sind seit diesem einen unwirklichen deutschen Abend vergangen. 30 Jahre, in denen nicht alles perfekt, aber vieles gut lief. Die meisten Staaten der Welt blicken im Jahr 2019 anerkennend – manche neidvoll – auf unseren Wohlstand, unsere politische und wirtschaftliche Stabilität, unser Bildungswesen, unsere Weltoffenheit. So positiv sich Deutschland entwickelt hat, so negativ ist vielerorts doch die Stimmung – gerade im Osten. Die Verächter der Freiheit werden lauter und stärker. Da erscheint der Rückblick auf den Mauerfall wie ein Gegengift gegen all diejenigen, die abgrenzen und ausgrenzen wollen. Auch deswegen wollen wir mit dieser besonderen Ausgabe daran erinnern, wie die Ostdeutschen Geschichte geschrieben haben. Sie finden eine Fülle von Beiträgen, die den historischen Mauerfall aus vielen Perspektiven beleuchten. Der frühere „Spiegel“-Chefredakteur, die Journalistenlegende Stefan Aust, schreibt, wie er die Grenzöffnung in Berlin erlebte. Wir gehen mit Alt-Bundespräsident Christian Wulff im Interview der Frage nach, ob Errungenschaften der DDR auch dem Westen gutgetan hätten. Bernhard Vogel mit seiner Erfahrung als Ministerpräsident in Ost und West erklärt, warum es sehr wohl blühende Landschaften in den neuen Ländern gibt. Und in einer großen Reportage beleuchten wir, wie eine ehemalige Weltklasse-Leichtathletin aus Halle ihre zwei Leben in der DDR und im vereinten Deutschland heute betrachtet. Ja, es gibt viel Gutes zu berichten. Lassen Sie uns heute wagen, ein bisschen stolz zu sein.

Ehemalige Mitarbeit ehem. Chefredakteur

Thema : 30 Jahre Mauerfall

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