Mannheim. Es bedeutet „eine vollständige Neuausrichtung der Gefahrenabwehr“: So beschreibt Oberbürgermeister Christian Specht das, was am Donnerstag auf dem Tisch im Ausschuss für Sicherheit und Ordnung liegt. Das sind wichtige Teile des neuen Brandschutzbedarfsplans, wonach die Feuerwehr mehr Personal, mehr Wachen und mehr Unterstützung durch Ehrenamtliche braucht, um im Notfall schnell genug effektiv helfen zu können.
Das Gutachten
Bereits 2019 erhielt das Kölner Ingenieurbüro antwortING, spezialisiert auf Gefahrenabwehrberatung, den Auftrag, den von 2013 stammenden Brandschutzbedarfsplan zu überarbeiten. Der ist durch die wachsende Bevölkerungszahl, Neubaugebiete und verdichtetere Industrieflächen sowie immer häufigere Notrufe völlig veraltet. So hat die Zahl der Einsätze von 2013 bis 2022 um etwa 60 Prozent zugenommen. Die Arbeiten an dem Gutachten verzögerten sich aber durch die Corona-Pandemie. Nacheinander werden nun Teilprojekte abgeschlossen. Was noch fehlt, ist das Thema Digitalisierung und die Untersuchung der behördeninternen Organisation der Feuerwehr.
Die Hilfsfrist
Anders als beim Rettungsdienst („zehn, höchstens 15 Minuten“) gibt es bei der Feuerwehr keine gesetzliche Hilfsfrist. Vielmehr definiert jede Kommune für sich ein Schutzziel, muss dabei aber „dem anerkannten Stand der Technik“ Rechnung tragen. Für Mannheim soll künftig gelten: Binnen acht Minuten muss ein Einsatzleitfahrzeug mit zwei Personen, ein Hilfeleistungslöschfahrzeug mit sechs Einsatzkräften und eine Drehleiter mit zwei Beamten an der Einsatzstelle eintreffen - rund um die Uhr, an sieben Tagen die Woche.
Das sind zunächst weniger als bisher, wo sofort zwei Löschfahrzeuge und eine Drehleiter mit zusammen zwölf Leuten ausrücken, aber sie sind viel schneller da. Ist Verstärkung nötig, muss ein weiteres Fahrzeug mit zehn Personen 13 Minuten nach der Alarmierung eintreffen.
Die Wachen
Zwei plus vier - dieses Konzept gilt künftig für die Mannheimer Feuerwachen. Bestehen bleiben die Hauptfeuerwache (Neckarau) und die Wache Nord (Käfertal). Aber um trotz immer mehr Staus und Baustellen und einer wachsenden Zahl von Einsätzen und Paralleleinsätzen schnell genug da zu sein, braucht die Feuerwehr mehr, dafür aber kleinere, dezentralere Standorte. Man spricht von „Staffelwachen“, weil von dort nicht ein ganzer Löschzug ausrückt. Das bietet die Chance, Einsatzstellen bei Verkehrsstörungen aus unterschiedlichen Richtungen anzufahren und die Standorte für Krisenmanagement zu nutzen, etwa als Notfall-Anlaufstellen oder notstromversorgte Gebäude.
Die Standorte
Nach einer Raum- und Gefahrenanalyse nach den Kriterien Einwohnerverteilung, Siedlungsfläche, Einsatzpotenzial, kritische Infrastruktur und Industriefläche haben die Gutachter Idealstandorte benannt. Dann untersuchte die Feuerwehr zusammen mit mehreren städtischen Ämtern (von Stadtplanung bis Wirtschaftsförderung) diese Stellen. Das sind weiterhin das Gelände der Feuerwache Süd in Rheinau (aber mit einem Neubau, da der Altbau völlig marode ist) sowie Flächen auf dem Areal der Stem-Kaserne zwischen Seckenheim und Friedrichsfeld, in der Neckarstadt im Bereich der Untermühlaustraße/Ludwig-Jolly-Straße sowie im Norden entlang der Frankenthaler Straße/Lilienthalstraße.
Teils müssen noch Voraussetzungen, etwa der Erwerb des dem Bund gehörenden Stem-Geländes oder die Vereinbarkeit mit anderen Nutzungsüberlegungen (im Norden Gewerbe), geprüft werden. „Wir werden jetzt auch nicht auf einen Schlag vier neue Wachen bauen, sondern das sukzessive umsetzen“, stellt Christian Specht klar. Er wünscht sich „Synergieeffekte mit der Freiwilligen Feuerwehr“ und, wo möglich, eine Kombination mit dem Rettungsdienst, der ja teilweise auch auf Standortsuche ist.
Die Führung
Die Feuerwehr braucht im Ernstfall mehr Führungskräfte, das hat der Gutachter klar festgestellt. Derzeit gibt es rund um die Uhr drei Löschzüge, deren Zugführer - ohne Führungsassistent - gleichzeitig Fahrzeugführer auf dem ersten Löschfahrzeug sind. Eine solche Doppelfunktion ist nicht mehr zulässig.
Künftig soll es vier Zugführer mit eigenem Führungsgehilfen auf einem eigenen Fahrzeug geben, einer davon besonders qualifiziert für Umwelteinsätze, sowie einen übergeordneten Einsatzleiter für Großeinsätze mit eigenem Fahrzeug und einem Führungsdienst in der Leitstelle. Er trägt die Verantwortung für die gesamte nichtpolizeiliche Gefahrenabwehr im Stadtgebiet. Hinzu kommen künftig je ein Einsatzleiter und ein Direktionsdienst (aus den Reihen Amtsleitung/Abteilungsleiter) in Rufbereitschaft.
Sondereinheiten
Die Feuerwehr löscht nicht nur Feuer. In Mannheim hat sie - durch die Größe und Struktur der Stadt - besonders viele Sondereinheiten. Dies sind Spezialisten für technische Hilfsleistung mit Kranwagen sowie die Höhenretter (Wache Nord), Feuerlöschboot und Wasserrettung/Taucher (Hauptfeuerwache), Umwelt-Meßdienst und Einheit für chemische, biologische, radioaktive und nukleare Gefahren (Wache Süd) sowie die Besetzung des Tunnel-Rettungszugs der Deutschen Bahn.
Doch fast alle dafür speziell ausgebildeten Beamten sind in erster Linie auf einem Löschzug eingeplant und nur in Doppelfunktion für die Sonderaufgabe zuständig. Ist der Meßdienst wegen einer Rauchwolke ausgerückt oder die Höhenretter, fehlt jemand auf dem Löschzug. Bisher gibt es je Schicht für Sonderaufgaben nur vier Beamte extra (zwei Löschboot, zwei Kran).
Der Gutachter sagt, dass dies nicht reicht. Für die (Pflicht-)Aus- und Fortbildungen sowie Einsätze braucht man mehr Personal, weil sonst nicht genug Löschfahrzeuge besetzt sind.
Personal
Im Etatentwurf für 2024 stehen 12,5 Stellen mehr - acht für die erste Stufe des Ausbaus des Einsatzdienstes und 4,5 - als Lehre aus der Corona- und Flüchtlingskrise - für das Krisenmanagement. 2025 sollen es dann schon 20 zusätzliche Stellen sein. Die Ausbildung dieser Kräfte läuft schon. Nacheinander werden dann für die bessere Besetzung der Löschfahrzeuge, drei zusätzliche Drehleiterbesatzungen der neuen, kleineren Wachen, für Sonderfahrzeugbesatzungen und neue Führungsfunktionen weitere Leute gebraucht, am Ende über 60. Das geht aber nur schrittweise, stellt der Oberbürgermeister klar - zumal es keine arbeitslosen Feuerwehrleute gibt. Man muss sie in der Regel selbst ausbilden.
Ehrenamt
Die Freiwillige Feuerwehr stellt laut Christian Specht eine zur Berufsfeuerwehr „gleichwertig entscheidende Säule zum Brandschutz“ dar. Der Gutachter hat mit den Ehrenamtlichen einen Workshop gemacht und eine schriftliche Umfrage, an der sich 77 Prozent beteiligten. Sie beklagten eine fehlende Digitalisierung und hohe zeitliche Mehrbelastung für Fahrzeug- und Gerätewartung.
Der Gutachter empfiehlt, Gerätewartung durch hauptamtliche Kräfte, personelle Unterstützung bei der Verwaltung, bessere Digitalisierung von Prozessen und Arbeitsabläufen sowie mehr Austausch zwischen Ehren- und Hauptamt, etwa gemeinsame Einsatznachbesprechungen. Die Anschaffung neuer, moderner Fahrzeuge ist schon beschlossen - und die Freiwilligen sollen auch noch stärker bei Einsätzen eingebunden werden. Specht verspricht zudem einen noch mehr „wertschätzenden Umgang“.
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