Irgendwo, irgendwann zwischen Kästner, Knusperhäuschen und Klimakatastrophe: Vater, Mutter und ihre Zwillinge leben in einer Villa am Rand des Waldes. Unter schweren Schicksalsschlägen zerbricht die Ehe, die Kinder werden getrennt, führen verschiedene Leben, um sich nach Jahren zufällig wieder zu begegnen - und miteinander die Rollen zu tauschen. So geschieht es in Svenja Viola Bungartens Schauspiel „Die Zukünftige“, das 2022 mit dem Else-Lasker-Schüler-Stückepreis ausgezeichnet wurde. Dessen Uraufführung am Mannheimer Nationaltheater - die Premiere ist am 5. Oktober im Studio Werkhaus - inszeniert Regisseurin Theresa Thomasberger, die schon seit langem und auch hier in enger Absprache mit der Dramatikerin zusammenarbeitet.
Es ist „eine sehr schöne, traurige, berührende, aber auch lustige Geschichte“, sagt sie über den Text, der eine „Doppelte Lottchen“-Überschreibung sei, ziemlich lose an der Originalhandlung von Erich Kästner gebaut. Wobei der Plot in eine nahe Zukunft versetzt werde, „in der die Klimakatastrophe Klassenkonflikte verschärft und diese auch in die Kernfamilie getragen hat“. Eine der zwei Schwestern lande „in einer sehr privilegierten, aber einsamen Situation, in der ihre alle Türen offen stehen“; die andere „muss sich um den pflegebedürftigen Vater kümmern“. Nachdem sie die Plätze tauschen, offenbart sich, wie sehr die unterschiedlichen Klassen-Bedingungen ihr Leben verändert und „die vormalige Einheit“ getrennt haben.
Einerseits, glaubt Thomasberger, sei es „eine Aufgabe der Zeit, für die Beschäftigung mit der Klimakatastrophe Narrative zu finden“. Aber dabei ist ihr zugleich wichtig, Geschichten aufzutun, „die die Veränderbarkeit von Realität in den Vordergrund stellen und nicht den Zustand, in dem wir alle gefangen sind“, betont sie. „Und dadurch, dass die Zwillinge die Geschichte selbst erzählen, ist sie sehr veränderbar.“ Für die Theatermacherin ist die „zentrale Figur“ in diesem Stück die Solidarität - wofür die Zwillinge eine Chiffre seien: „Das Motiv Zwilling begreife ich als die kleinste mögliche vorstellbare Solidaritätszelle. Und die kann man natürlich auch größer denken und nicht biologistisch, sondern auch gesamtgesellschaftlich.“ Mithin spiele auch das Regiekonzept mit Verdopplungen.
Bühnenbildnerin Mirjam Schaal (die Thomasberger wie auch „Die Zukünftige“-Komponist Oskar Mayböck schon seit dem Studium kennt) hat für die Produktion ein „Knusperhäuschen“ gebaut, das „irgendwo zwischen Playmobil und Brüder Grimm“ zu verorten ist - „es ist knallpink und steht in einer teilzerstörten Welt“. Und darin spielt „ein wirklich tolles, energiegeladenes Ensemble“. „Der Text hat ein sehr hohes Tempo“, und trotz der Schwere der Themen werde dies „kein träger, von Pathos getragener Abend“, meint sie und lacht. Durch den besonderen sprachlichen Witz der Dramatikerin bestach auch „Maria Magda“, wofür Bungarten 2021 beim Heidelberger Stückemarkt mit dem Autor*innenpreis geehrt worden war - und dessen Uraufführung Thomasberger im Vorjahr in Münster inszenierte.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/kultur_artikel,-kultur-regisseurin-thomasberger-ueber-ihre-urauffuehrung-in-mannheim-_arid,2131881.html