Mannheimm. Du bist Naturschützer, international gefragter DJ, hast das Wissensbuch des Jahres 2021 verfasst. Wie würdest du dich unseren Lesenden vorstellen?
Dominik Eulberg: Warum soll man sich auf ein Berufsfeld limitieren, jeder Mensch ist ja so ein mannigfaltiges Lebewesen. Aber mein Steuerberater hat mir mal gesagt, man ist das von Beruf, wo man am meisten Geld verdient..?
Was wäre das?
Eulberg: Von daher bin ich von Beruf Musiker. Allerdings finde ich das wirklich befremdlich, weil es niemals meine Intention war, Musiker zu werden. Sonst hätte ich ja Musik studiert und nicht Ökologie.
Club oder Wald – wo ist Dein Zuhause?
Eulberg: Die Natur war immer unsere Heimat. Wesen der Gattung Homo gibt es seit 2,8 Millionen Jahren, die neolithische Revolution ist gerade mal 12 000 Jahre her. Grün ist so wichtig für die Psyche, das fährt die Resilienz hoch. Pflanzen kommunizieren untereinander mit sogenannten Terpenen, das sind Kohlenwasserstoffverbindungen, die unsere Stresshormone in drei Stunden um bis zu 50 Prozent reduzieren können, das schafft kein Psychopharmaka der Welt.
Wir sollten also mehr raus?
Eulberg: Wir wundern uns sonntags, wie gut uns das tut, wenn wir mal spazieren gehen, dabei sollte es uns eher wundern, wie schlecht uns das tut, den ganzen Tag in so viereckigen Kisten zu hocken, auf viereckige Kisten zu starren, mit viereckigen Kisten zu andern viereckigen Kisten zu fahren.
Dominik Eulberg: der Natursensibilisierer
- Dominik Eulberg (geboren 1978 im Westerwald) ist DJ und Produzent im Bereich Elektronischer Tanzmusik. Bei seinen Kompositionen setzt er auch Naturgeräusche wie Vogelstimmen ein. Die Alben „Flora und Fauna“ oder „Diorama“ gaben seiner Musik das Etikett „Öko-Techno“.
- Er hat Ökologie mit Schwerpunkt Naturschutz studiert.
- Das Buch „Mikroorgasmen überall“ wurde von Bild der Wissenschaft zum Wissensbuch des Jahres 2021 ernannt.
- Zum Abschluss der Buga am Sonntag, 8. Oktober, wird er Vorträge, Exkursionen und eine Live-Show bestreiten. Das Closing-Event beginnt um 18.45 Uhr mit einer Keynote zum Thema Biodiversität. Von etwa 21 bis 23 Uhr gibt es ein DJ-Set.
Was ist die Lösung?
Eulberg: Ich sage immer, Natur ist der einfachste, gesündeste und auch kostengünstigste Schlüssel zum Glück. Da braucht man nicht viel Geld, man braucht vielleicht ein Fernglas und das war es. Ab geht‘s ins Abenteuerland vor der eigenen Haustür. Es ist aber so, wie Goethe schon sagte: „man sieht nur das, was man weiß“; wofür man sensibilisiert wurde.
Und glückliche Menschen sind der Schlüssel?
Eulberg: Glückliche, hoch beschwingte Menschen sind sehr gut für die kollektive Psyche. Die fangen keinen Krieg an, die wollen keinen ausnutzen. Ich würde gerne so manche Person aus der Politik einladen auf so ein Techno-Rave, mit den Leuten gemeinsam zu feiern und die Liebe zur Musik und zu den Mitmenschen zu erfahren. Vielleicht würde das ja auch einige Probleme lösen.
Warum hören wir elektronische Musik und nicht Vogelgezwitscher zur Entspannung?
Eulberg: Das Zelebrieren zu einem monotonen Vierviertelrhythmus, das findet man ja in allen Kulturen, etwa auch bei indigenen Völkern. Das hat etwas mit der pränatalen Konditionierung zu tun. Das Erste, was wir hören im Mutterleib, das ist ihr Herzschlag. Die rezipierte BPM-Anzahl korreliert ja auch mit unserer Herzrate. Wenn wir Chillout hören, haben wir einen Puls von 60; wenn wir tanzen, sind es 130 Schläge pro Minute.
Die Biodiversität sinkt, die Erderwärmung steigt – können wir da überhaupt noch auf dem Dancefloor stehen und uns selbst vergessen?
Eulberg: Gemeinsames Musizieren oder Tanzen ist kein stumpfer, hedonistischer Eskapismus, sondern etwas ganz Wichtiges. Das hat etwas sehr Vereinendes – das kollektive Zelebrieren von Musik kann als der soziale Klebstoff unserer Gesellschaft angesehen werden. Da werden auch Bindungshormone freigesetzt und Glückshormone ausgeschüttet. Und das ist ja auch ein Indiz dafür, dass es evolutionsbiologisch etwas ganz Bedeutendes sein muss, weil Dopamine werden nur ausgeschüttet, wenn es um überlebenswichtige Dinge geht. Wie Sexualität oder Nahrung, und eben auch bei Musik.
Was hat unsere Natur denn für ein Problem?
Eulberg: Das große Problem ist, dass die Natur keine Lobby hat. Wir haben ganz zauberhafte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Wir haben eigentlich alles erforscht. Wir wissen, was die Ursache für das Atemsterben ist, für die Biodiversitätskrise, für die Klimakrise, für alle Krisen, die die Menschheit bedrohen. Das wissen wir alles. Wir haben auch alle Lösungsvorschläge da.
Die Menschen wollen es nicht hören?
Eulberg: Wenn wenn man die Menschen mit einem dystopischen Alarmismus erschlägt, resignieren sie. Dann macht sich ein Defätismus breit. Nicht das Verbot ist der Motor der Evolution, sondern das Lustvolle. Ich versuche, das Staunen anzuregen bei den Menschen. Denn das Staunen ist der Anfang einer jeglichen Erkenntnis. Von daher würde ich auf die anfängliche Frage zurückzukommen. Ich bin von Beruf Natursensibilisierer, der über das Lustvolle mit Kunst und Kultur als Vektoren das Staunen anregen möchte.
Müssen wir radikaler sein?
Eulberg: Ich verstehe die Verzweiflung, die viele jungen Leute haben, aber das Brandenburger Tor zu beschmieren, das halte ich für den falschen Weg. Mein persönlicher Weg ist es, mit positiver Neugier mit jedem Menschen den offenen Dialog zu suchen und die Liebe anzuregen. Ich finde es jedoch auch fatal, diese jungen, verzweifelten Menschen als radikal zu bezeichnen. Die Ignoranz von wissenschaftlichen Fakten des meist kapitalistisch motivierten Systems empfinde ich als radikal.
Was erwartet uns auf der Buga?
Eulberg: Es wird zuerst eine insektenkundliche Exkursion mit mir und Thomas Hörren vom Entomologischen Verein Krefeld geben. Also eigentlich leben wir ja auf dem Planet der Insekten, das waren die ersten Lebewesen, die den Luftraum erschlossen haben, schon vor rund 400 Millionen Jahren. 30 bis 50 Prozent der heimischen Insektenarten gelten in ihrem Bestand als gefährdet. Es gibt über 33 000 verschiedene Insektenarten bei uns in Deutschland. Da werden wir bei der Exkursion einige spannende Sachen finden. Und dann mache ich meine transdisziplinäre, multimediale Biodiversitätsshow. Da gehe ich als Wissenschaftskommunikator und Musiker in Personalunion auf die Bühne und erkläre den Leuten erst mal, was ist das überhaupt?
Was genau ist denn Biodiversität?
Eulberg: Der Begriff kommt von dem griechischen Wort „Bios“ für das Leben. Es bedeutet die Vielfalt an Leben und besteht grob aus den drei Säulen genetische Vielfalt, Vielfalt an Arten und Vielfalt an Habitaten. Ich zeige, warum das eine Überlebensversicherung für uns und kommende Generationen ist.
Weil es nicht die Frage stellt, wie, sondern können wir überhaupt überleben. Ich zeige Beispiele, wie schnell ein Ökosystem kollabieren kann, warum dieses System so fragil ist.
Kling wenig unterhaltsam...?
Eulberg: Aber ich mache das sehr lustvoll mit tollen Videos und Animationen, Vogelstimmenquiz, sowie Musikstücken, die ich live spiele. Ich werde Ausblicke geben, Handlungsmöglichkeiten aufzeigen. Wir können die ganzen Probleme nur im Kollektiv lösen. Aber trotzdem muss man den Einzelnen ihre Wirkmächtigkeiten aufzeigen, zum Beispiel unser Konsumverhalten, das ganz wichtig ist, weil jeder Einkauf auch ein Stimmzettel für oder gegen den Naturschutz ist.
Ist das etwas nur für Erwachsene?
Eulberg: Natürlich mache ich keine kindgerechte Sprache, ich rede so, wie mir der Schnabel gewachsen ist. Aber ich stell immer wieder fest, Kinder verstehen das, denn sie merken, wenn es wahrhaftig ist. Und ich finde das auch ganz wichtig, dass Kinder dahin kommen, weil in dem Fall gilt ja: Kinder haften für ihre Eltern. Genau andersherum, weil das die Zukunft unserer Kinder ist, die wir gerade verspielen.
Und dann kommt der Rave!?
Eulberg: Anschließend wird getanzt, weil ich das einfach toll finde, wenn das so ein diverses Publikum ist. Weil wir beim Tanzen auch viele Gemeinsamkeiten feststellen. Da ist die junge Raverin neben dem pensionierten Biolehrer. Und dann stellen sie doch plötzlich fest, dass ganz viele Gemeinsamkeiten da sind. Es werden Brücken geschlagen, wenn man danach einfach tanzt und gemeinsam das Wunder des Lebens zelebriert.?
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