Mannheim. Es war nur ein normales Fußballspiel einer neu zusammengestellten Mannschaft. Ganz einfach eine nette, eine gewöhnliche Abwechslung als Aufwärmprogramm. So wie es bei allen Handball-Teams regelmäßig vorkommt. Doch an diesem Tag im Juli war etwas anders. Zum ersten Mal ließ Trainer Sebastian Hinze von den Rhein-Neckar Löwen seine Jungs in der Saisonvorbereitung gegen den Ball treten, hinter den Bundesliga-Profis lagen erst wenige Trainingseinheiten. Es ging allerdings sofort zur Sache.
Selbst beim Kicken. „So hoch angepresst wurde ich beim Fußball schon lange nicht mehr“, erinnert sich Torwart Joel Birlehm mit einem Lächeln an einen ehrgeizigen, energischen und „sehr intensiven“ Auftritt des Gegners.
Birlehm selbst gehörte mit seinen 26 Jahren dem „Team Alt“ an, was recht viel über die Struktur dieses Löwen-Ensembles aussagt. Im „Team Jung“ tummelten sich hingegen einige der Zugänge, die gleich einmal einen bleibenden Eindruck hinterlassen wollten – was ihnen auch gelang. Zumindest bei Birlehm, der von einer „hohen Intensität, großer Lust und viel Arbeitseifer“ bei den Neuen sprach.
Trainer Sebastian Hinze setzt auf den Faktor Zeit
Verstärkt hat sich der zweifache deutsche Meister mit den aufstrebenden Perspektivkräften Gustav Davidsson (Hammarby IF/Schweden, 23 Jahre), Steven Plucnar (KIF Kolding/Dänemark, 22 Jahre) und Arnór Óskarsson (Valur Reykjavík/Island, 23 Jahre). Philipp Ahouansou (22 Jahre) kehrte nach seiner Leihe zu GWD Minden ebenso zurück wie Lion Zacharias (20 Jahre), der zuletzt dank eines Zweitspielrechts meistens für den Zweitligisten Eulen Ludwigshafen am Ball war.
Aus der eigenen Talentschmiede rückte David Móré (19 Jahre) in den Profikader und wird in Abwesenheit des am Kreuzband und am Meniskus verletzten Uwe Gensheimer zusammen mit Zacharias in den nächsten Monaten das junge Linksaußen-Duo bilden. Einzig Jon Lindenchrone kommt nach zwei Saisons bei Frisch Auf Göppingen als Routinier nach Mannheim – wenn man das über einen 26-Jährigen denn überhaupt so sagen darf.
Trainer Hinze setzt große Hoffnungen in die Neuen, verweis aber auf den Faktor Zeit. „Die Erwartungen sind nicht so hoch mit Blick darauf, was sie sofort liefern. Aber wir erwarten, dass die Jungs in den nächsten Jahren zu Säulen der Löwen werden“, sagt er in dem Wissen, dass manch ein Spieler länger braucht. So wie ein kleiner Vogel, der ja auch nicht sofort fliegen kann.
Am Mittwoch geht es gegen Meister THW Kiel
Vor zwölf Monaten bewies der Trainer bereits ein sehr gutes Gespür bei den Transfers von Olle Forsell Schefvert und Halil Jaganjac. Er suchte und fand die zwei für seinen bevorzugten Handball, um den es in der grundsätzlichen Ausrichtung kaum Geheimnisse gibt. Was in diesem Fall ausschließlich als Kompliment zu verstehen ist. Denn Hinze gelingt etwas, das nicht viele Trainer schaffen: Seine Löwen treten mit einem Wiedererkennungswert auf.
Der gebürtige Wuppertaler setzt auf Tempo – und ihm stehen dafür im Vergleich zur Vorsaison einige zusätzliche Varianten zur Verfügung. Zum Beispiel bei der Besetzung des Innenblocks – auch wenn man noch nicht von einem Speckgürtel sprechen kann, den sich der Kader zugelegt hat. Denn weiterhin geht es um Entwicklung.
Löwen-Kader
Kreis: Jannik Kohlbacher, Steven Plucnar, Ymir Gislason.
Linksaußen: Uwe Gensheimer, Lion Zacharias, David Móré.
Rechtsaußen: Patrick Groetzki, Niklas Michalski (mit Zweitspielrecht für SG BBM Bietigheim).
Rückraum links: Halil Jaganjac, Gustav Davidsson, Philipp Ahouansou, Olle Forsell Schefvert.
Rückraum Mitte: Juri Knorr, Magnus Grupe.
Rückraum rechts: Jon Lindenchrone, Niclas Kirkeløkke, Arnór Snaer Óskarsson.
Trainer: Sebastian Hinze (zweite Saison).
Zugänge: Steven Plucnar (KIF Kolding/Dänemark), Gustav Davidsson (Hammarby IF/Schweden), Jon Lindenchrone (Frisch Auf Göppingen), Arnór Snaer (Valur Reykjavík/Island), Philipp Ahouansou (GWD Minden, Rückkehr nach Leihe).
Abgänge: Lukas Nilsson (Aalborg/Dänemark), Albin Lagergren (SC Magdeburg), Benjamin Helander (Alingsås HK/Schweden), Kristjan Horzen (VfL Gummersbach), Robert Timmermeister (KIF Kolding/Dänemark, Leihe) Niklas Michalski (SG BBM Bietigheim, Leihe mit Zweitspielrecht).
Neben Lindenchrone, der den zum SC Magdeburg gewechselten Leistungsträger Albin Lagergren ersetzen soll, wird von den Zugängen vermutlich auch Davidsson sofort viel Einsatzzeit bekommen. Der Rechtshänder kann auf der halblinken Position für den nach schwerer Schulterverletzung zurückgekehrten Jaganjac übernehmen, hat aber auch kreative Lösungen für die zentrale Rückraumrolle im Angebot und könnte phasenweise Juri Knorr entlasten.
Eine Alternative, die zuletzt ein wenig vermisst wurde. „Man sieht, warum David in Schweden zum Spieler der Saison gewählt wurde“, ist auch Kapitän Patrick Groetzki von Davidsson angetan.Bereits am Mittwoch (19 Uhr) kämpfen die Löwen als Pokalsieger gegen Meister THW Kiel um den prestigeträchtigen Supercup und die erste – wenn auch kleine – Trophäe der Saison. „Es ist geil, dieses Spiel bestreiten zu dürfen. Ich habe noch nicht so viele Titel gewonnen, jetzt geht es um einen“, freut sich Knorr auf dieses Duell in Düsseldorf, in das die Löwen auch mit einer gewissen Ungewissheit starten.
Trainer Hinze verweist auf seine „sehr junge Mannschaft“, die sich einen gewissen „Status quo“ erarbeitet habe. „Was dieser bedeutet, wissen wir aber erst in zehn Tagen“, meint der 44-Jährige mit Blick auf das straffe Programm. Schon am Samstag (19 Uhr) folgt beim nordmazedonischen Traditionsverein Vardar Skopje das wichtige Hinspiel in der Qualifikation zur Gruppenphase der European League.
Rechtsaußen Groetzki geht die nahenden Aufgaben mit Zuversicht an, gerade weil es in der Vorbereitung in dem einen oder anderen Testspiel ein paar Probleme gab. „Es war wichtig, durch schwere Phasen zu gehen. Ich habe ein gutes Gefühl“, sagt der Kapitän der Mannheimer, die ihre Ziele in Person von Geschäftsführerin Jennifer Kettemann für die neue Bundesliga-Saison klar und deutlich formulieren: „Wir wollen europäisch spielen und den Abstand zu den Topclubs verringern.“ Heißt konkret: Die Löwen bleiben der Herausforderer, aber Platz fünf soll es schon sein.
Was für die Rhein-Neckar Löwen ein guter Anfang wäre
Die Topclubs, das sind der THW Kiel, der SC Magdeburg, die Füchse Berlin und die SG Flensburg-Handewitt, die sich erneut in der Favoritenposition befinden. „Wir können nicht sagen, dass wir besser besetzt sind als diese vier Mannschaften, die zuletzt auch vor uns waren“, sagt Spielmacher Knorr. Er glaubt sogar, dass die neue Saison für die Löwen „vielleicht noch anspruchsvoller als die vergangene“ wird. Denn nun geht es darum, das Erreichte zu bestätigen.
Ein guter Anfang wäre der Einzug in die Gruppenphase der European League – und zwar nicht nur aus sportlichen und finanziellen Beweggründen. Garantierte sechs weitere Begegnungen würden nämlich auch dazu führen, dass die drei Top-Torhüter Mikael Appelgren, Joel Birlehm und David Späth allesamt auf ausreichend Einsatzzeit kommen.
Niemand aus diesem Trio steht zwar auch nur ansatzweise im Verdacht, im Zweifel keinen sicheren Hafen für sein Ego finden zu können – weshalb Trainer Hinze die Situation überhaupt nicht als Problem ansieht. Er weiß aber trotzdem um die besondere Konstellation zwischen den Pfosten und räumt ein, dass es „Unzufriedenheit“ geben könnte, was seiner Meinung aber normal sei. Schließlich wolle jeder spielen, alle seien ehrgeizig. Nicht nur die Torhüter. Der Trainer sah es selbst bei einem eigentlich belanglosen Fußballspiel.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Für die Löwen wäre Stillstand ein Fortschritt