Das klingt ganz leicht und überzeugend: Die großen Ausstellungshäuser der Stadt werden ihrer Bedeutung künftig auch dadurch gerecht, dass sie mehr hochklassige Ausstellungen organisieren. Schließlich hat sich in der Vergangenheit immer wieder gezeigt, dass große, interessante Schauen überregional wahrgenommen werden und den Ruf der Stadt mehren, ein attraktiver Ort auch der Kunst und Kultur zu sein.
Die Formulierung müsste dann allerdings lauten: „Noch mehr hochklassige Ausstellungen“ – schließlich haben besonders die Kunsthalle und die Reiss-Engelhorn-Museen (rem) in den vergangenen Jahren immer wieder gezeigt, dass sie überregional wahrgenommene und publikumsträchtige Ausstellungen zu organisieren in der Lage sind; im Falle der rem etwa durch kulturgeschichtliche Glanzlichter, die auf Homer oder die Päpste geworfen wurden.
Die im Herbst 2019 eröffnete Schau „Inspiration Matisse“ in der Kunsthalle zog mehr als 100 000 Besucherinnen und Besucher an. Klar ist allerdings auch, dass eine Ausstellung solcher Güte nicht jedes halbe Jahr zu organisieren ist. Ohnehin sind dem Ausstellungsehrgeiz auch insofern Grenzen gesetzt, dass etwa die Kunsthalle nicht das Frankfurter Städel oder die Stuttgarter Staatsgalerie ist. Solche Häuser können andere Ausleihkooperationen mit großen Museen vereinbaren, weil sie im Gegenzug zahlreiche ebenso hochwertige Ausleihen anbieten können.
Die Kunsthalle organisiert länger schon vor allem solche Schauen, die auch die eigene Sammlung in den Fokus der Aufmerksamkeit rücken, indem wichtige Exponate aus dem eigenen Bestand kommen: Das war nicht nur bei „Inspiration Matisse“ der Fall, sondern ist es auch in der aktuellen Schau über James Ensor. Die noch laufende Anselm-Kiefer-Ausstellung im Neubau wurde gar ausschließlich mit eigenem Bestand bestückt: Die gezeigten Werke stammen aus der dem Haus überlassenen Sammlung Hans Grothe. Die rem präsentieren entsprechend in ihren Ausstellungen (auch) eigene Forschungsergebnisse.
Thema passend zum Profil
Erst recht seit Johan Holten an der Spitze der Kunsthalle steht, sind nicht so sehr hohe Besucherzahlen das Ziel, vielmehr wird vor allem die Qualität einer Schau berücksichtigt sowie der Umstand, ob das Thema zum Profil des Hauses passt. Auch das lässt sich unter dem viel beschworenen Etikett „Nachhaltigkeit“ verbuchen. Denn was nützt es einem Museum, wenn es ein Ausstellungsfeuerwerk zündet, das kurze Zeit hell erstrahlt, aber seine ganzjährige Attraktivität kaum erhöht?
Bestandspflege und Ausstellungsaktivität sind tragende Säulen der Museumsarbeit. Ob sogenannte Blockbuster-Schauen zu populären (und wiederkehrenden) Themen beides gut zu kombinieren vermögen, hängt vom jeweiligen Museum, von dessen Größe und Ausrichtung ab.
Überhaupt: Welche Folgen auch für etablierte Institutionen die Corona-Pandemie haben wird, ist noch längst nicht klar. Womöglich werden Ausstellungsaktivitäten noch in anderer Hinsicht als durch Zugangsbeschränkungen betroffen sein. Umso vielversprechender scheint es da, mit eigenen Pfunden zu wuchern, also die eigene Sammlung bekannt zu halten und mit ihr den bleibenden Wert von Kunst auch für aktuelle Diskussionen zu illustrieren. Für gesellschaftliche Relevanz muss ein Museum das ganze Jahr über einstehen, nicht nur für die besondere Zeit einer herausragenden Ausstellung.
Das bedeutet nicht unbedingt, kleinere Brötchen zu backen. Und attraktiv können auch nicht nur überregionale Kooperationen erscheinen. Das belegt eindrücklich die Biennale für aktuelle Fotografie, deren kooperativer Charakter durch ihren früheren Namen „Fotofestival Mannheim-Ludwigshafen-Heidelberg“ deutlicher wurde: In Manheim beteiligten sich an dem städteübergreifenden Projekt im vergangenen Jahr neben der Kunsthalle auch der Port 25 und das Forum Internationale Photographie der rem. Man machte sich nicht gegenseitig Konkurrenz, sondern beleuchtete unterschiedliche Themen und Aspekte.
Attraktive Kooperationen
Zwei ebenfalls städteübergreifende Initiativen der Region liegen schon etwas zurück: In den 1990er Jahren fanden zuerst (ab Herbst ’94) die Kunst und Kultur der 1920er und 1998 dann die der 50er Jahre einen ausführlich dokumentierten, vielseitigen Ausdruck. Zu diesem, der weit über die Region hinaus strahlte, trugen die beteiligten Häuser jeweils ihrem eigenen Zuschnitt und Charakter gemäß bei. Das ließe sich gelegentlich fortschreiben – zum Beispiel mit einem Beitrag zu Kunst und Kultur der 1970er . . .
Mehr hochklassige Ausstellungen? Ja,er nicht als Selbstzweck, sondern mit Blick auf Beiträge aus eigenem Bestand, auf die gesellschaftliche Aufgabe und immer wieder auch auf die Möglichkeit zu regionaler Kooperation. So wird nicht nur die Güte eines einzelnen Museums unterstrichen, die Ausstellungshäuser betonen auch ihre Vielfalt. Sie bieten schließlich nicht alle dasselbe, sondern setzen seit je eigene Akzente. Das erst macht, bezogen auf die Museen, den Gesamtcharakter der Region aus, in der Mannheim zwar die größte und kulturell gewichtigste Stadt ist, aber von den anderen auch viel profitieren kann.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/75-jahre-mm_artikel,-75-jahre-mannheimer-morgen-mannheim-wie-waers-mit-mehr-hochklassigen-ausstellungen-_arid,1830593.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim.html