Mannheim. Wer sich als Mannheimerin oder als Mannheimer mit Vorzügen seiner Stadt schmücken will, der kann sich in der Regel auf mehrere Argumente stützen: Mannheim ist die Stadt mit einem der schönsten Wassertürme dieser Republik (das Argument ist selbstbewusst, aber sicherlich nicht völlig übertrieben). Mannheim hat das größte Barockschloss Europas (besonders in Gesprächen mit Frankreich- und Paris-Liebhabern hilfreich). Mannheim ist größer und schöner als Heidelberg (ein teilweise streitbares Argument). Je nach Interessensgebiet des Gesprächspartners bietet sich das Prahlen mit Kulturstätten an. Mannheim hat eines von nur drei Nationaltheatern in Deutschland (richtig!). Außerdem ist Mannheim Heimat einiger der erfolgreichsten Sportvereine (richtig!). Und: Mannheim ist die Stadt mit den weltweit bekannten Quadraten und die Stadt, in der der Neckar in den Rhein fließt.
Die beiden letztgenannten Argumente stimmen – zweifelsfrei. Sie eignen sich auch dazu, in Gesprächen seine Heimat selbstbewusst zu verkaufen. Vor Ort ist es dann aber mit dem Selbstbewusstsein vorbei. Über den (vor allem optischen) Zustand der Quadrate, insbesondere der Planken, hat diese Redaktion bereits mehrfach berichtet – und die Mündung des Neckars in den Rhein eignet sich auch nicht mehr als optische Eigenwerbung, wenn man tatsächlich vor Ort ist. Also Mannheim: Wie wäre es, den Mündungsbereich attraktiver zu gestalten?
Rhein und Neckar fließen in Mannheim zusammen
Die ausgewiesene Quelle des Neckars befindet sich im Stadtpark Möglingshöhe in Villingen-Schwenningen. Unter anderem über Oberndorf, Tübingen, Stuttgart, Lauffen, Heilbronn, Mosbach und Heidelberg gelangt der Neckar nach Mannheim.
In Mannheim mündet der Fluss nach mehr als 360 Kilometern in den Rhein.
Der Rhein ist der größte und wasserreichste Strom Deutschlands. Er ist 1320 Kilometer lang, 865 davon liegen in Deutschland (Donau: 674).
Der Rhein entspringt in der Schweiz, fließt lange an der deutsch-französischen Grenze entlang, ehe er über das Rheinland in die Niederlande fließt und in die Nordsee mündet.
Stadt will öffentlichen Ort
Zunächst einmal: Ja, man gelangt immerhin zur Mündung. Fahrradfahrer, davon zeugen zahlreiche Bilder im Internet, nutzen die Neckarspitze schon jetzt, um Bilder zu machen, um die Metropolregion Rhein-Neckar quasi an ihrem Nullpunkt zu erleben. Und ja, wer den (optischen) Charme der Industrie schätzt, auch der wird an der Neckarspitze bereits auf seine Kosten kommen. Und doch: Bedenkt man, dass an dieser Stelle zwei der wichtigsten Flüsse (Süd)Deutschlands zusammenfließen, dass das Dreieck das geografische Symbol einer Metropolregion mit mehr als zwei Millionen Einwohner sein kann, dann wirkt die Umgebung in Anbetracht dessen doch wenig vielversprechend. Fast trostlos.
Kann man da mehr daraus machen? Einen idyllischen Erlebnispunkt, eventuell mit (mehr) Grünflächen, Sitzgelegenheiten und Informationen zur Geschichte und Bedeutung der Metropolregion? „Aufgrund ihrer besonderen Symbolkraft und ihrem freiraumplanerischen Potenzial ist es auch der Stadt Mannheim ein großes Anliegen, die Neckarspitze zu gestalten und für alle zu einem erlebbaren Ort zu machen, der die Einmaligkeit der Stadt unterstreicht“, teilt Bürgermeister Ralf Eisenhauer mit. Die Stadt sei deshalb daran interessiert, die Neckarspitze „langfristig als öffentlichen Ort zurückzugewinnen und als Landmarke zu gestalten“, und „steht aktuell mit Land und Bund bezüglich der Grundstücksverfügbarkeiten in Kontakt, um eine Umsetzung der Pläne realisieren zu können“.
Handel berücksichtigen
Eine von der Stadt Mannheim in Auftrag gegebene Studie des Architekten Jan Gehl beschäftigte sich 2019 auch mit der Neckarspitze. Von einem Ort mit „unentdecktem Potenzial zu einem Ort, der die Einmaligkeit der Stadt unterstreicht“, ist darin die Rede. Die Studie schlägt „ein skulpturales Sitzelement“ vor, „das den aktuellen Charakter nicht allzu sehr stört“, das Ausblicke auf die Industrie und „einen Ort zum Erleben der beiden Flüsse“ bietet.
Das klingt nach einer dezenten, aber doch spürbaren Verbesserung. Generell sollte bei allen Überlegungen zur optischen und touristischen Aufwertung der Neckarspitze aber nicht außer Acht gelassen werden, dass die Mündung des Neckars in den Rhein als Teil des Hafens auch eine immense wirtschaftliche Relevanz für die Region und darüber hinaus hat. „Die Bedeutung des Hafens darf bei Veränderungen des Geländes nicht geschmälert werden“, sagt etwa Hafendirektor Uwe Köhn.
Gerade in der Verkehrswende werden auf Schiffsverkehr und Hafen noch mehr Verantwortung zukommen. Ein Hafen, der zugunsten des Neckarspitzen-Tourismus auf weniger Wege auf der Schiene, der Straße oder dem Wasser zurückgreifen kann, ist da kontraproduktiv. Die Umgestaltung muss ausgewogen erfolgen. Und: Auch der Hafen und der dazugehörige Handel sind Punkte, mit denen man Mannheim gut verkaufen kann. Und dazu noch Sitzgelegenheiten mitten im Industrieflair – Mannheim, wie wäre das?
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/75-jahre-mm_artikel,-75-jahre-mannheimer-morgen-mannheim-wie-waers-mit-einer-attraktiveren-neckarspitze-_arid,1864939.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim.html
[2] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/heidelberg.html