Interview - Warum ZEW-Präsident Achim Wambach lieber auf das Kartellamt vertraut, erklärt er im Interview.

ZEW-Präsident Wambach: „Ich halte nichts von einer Übergewinnsteuer"

Von 
Bettina Eschbacher
Lesedauer: 
Achim Wambach plädiert dafür, dem Kartellamt Zeit zur Untersuchung des Kraftstoffmarkts zu geben. © Christoph Blüthner

Der Steuerrabatt bei den Spritpreisen schmilzt immer mehr dahin, aber ZEW-Präsident Achim Wambach ist aktuell gegen eine Extrasteuer für Mineralölkonzerne. Warum er lieber auf das Kartellamt vertraut, erklärt er im Interview. 

Herr Wambach, wie geht es Ihnen derzeit, wenn Sie tanken müssen?

Achim Wambach: Jede Tankladung tut weh. Die Benzinpreise waren ja bereits vor dem Ukraine-Krieg hoch, das hat sich noch einmal verstärkt.

Nehmen wir als Beispiel Superbenzin der Sorte E10. Über Pfingsten kostete der Liter 1,94 Euro. Das sind laut ADAC nur 20,9 Cent weniger als am Dienstag vor der Steuersenkung am 1. Juni – obwohl diese 35,2 Cent beträgt. Wieso kommt der Steuerrabatt nicht bei den Kunden an?

Wambach: Frühere Untersuchungen haben ergeben, dass bei Steuersenkungen auf Kraftstoffe im Schnitt zwei Drittel davon weitergegeben werden. Je preisgenauer die Kunden schauen, je mehr sie etwa über ihre Tankstellen-App die Preise vergleichen, desto mehr Druck gibt es auf die Mineralölkonzerne, die Preise zu senken.

Zur Person

  • Achim Wambach (Jahrgang 1968) ist seit April 2016 Präsident des Mannheimer Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW).
  • Vor seinem Wechsel ans ZEW war er Professor für Volkswirt-schaftslehre an der Uni Erlangen-Nürnberg, danach Direktor des Instituts für Wirtschaftspolitik (iwp) an der Universität zu Köln. Wambach hat Physik, Mathematik und Ökonomie studiert.
  • Seit 2016 ist er Professor für Volkswirtschaftslehre in Mannheim. Zu seinen Schwerpunkten gehört das Wettbewerbsrecht. Seit 2014 ist er Mitglied der Monopolkommission, und er war von 2016 bis September 2020 ihr Vorsitzender.

Das heißt aber, dass die Mineralölkonzerne ein Drittel des Rabatts für sich behalten – und damit auf Staatskosten ihre eigenen Gewinne maximieren.

Wambach: Gewinne maximieren ist ja ihr gutes Recht. Die Frage ist, ob dies missbräuchlich geschieht, also ob sie ihre Marktmacht ausnutzen oder sich gar absprechen. Wegen dieses Verdachts schaut sich das Kartellamt den Markt jetzt genau an und hat eine Untersuchung der Raffinerie- und Großhandelsebene eingeleitet. Man kann aber nicht einfach den Preis am Ölmarkt und den Preis, den wir an der Tankstelle bezahlen, eins zu eins vergleichen.

Warum nicht?

Wambach: Da gibt es mehrere Effekte. Das Rohöl muss verarbeitet werden, raffiniertes Öl aus Russland fällt weg, es wird Öl für den Fall zurückgehalten, dass die Preise noch weiter steigen. Auch das geplante Ölembargo treibt die Preise. Wie sehr diese Effekte einen höheren Spritpreis rechtfertigen, schaut sich das Kartellamt jetzt natürlich auch an. Und wird gegebenenfalls ein Missbrauchsverfahren einleiten.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel ergänzt.

Die verärgerte Tankstellen-Kundschaft wünscht sich aber, dass das Kartellamt eingreift und nicht nur beobachtet. Was kann die Behörde gegen die Macht der Konzerne überhaupt ausrichten?

Wambach: Zum einen: Die Mineralölkonzerne wissen jetzt, dass sie unter Beobachtung des Kartellamts stehen – das macht es schwerer, Rabatte nicht weiterzugeben. Zum anderen: Wenn das Bundeskartellamt Indikationen für missbräuchliches Verhalten erhält, wird es auch ein Verfahren starten. Dann sind Geldstrafen, aber auch strukturelle Eingriffe möglich.

Das Kartellamt ist aus Ihrer Sicht also kein zahnloser Tiger?

Wambach: Auf keinen Fall. Aber auch in der aktuellen Situation muss das Kartellamt erst einmal den Markt beobachten und Belege für einen möglichen Missbrauch sammeln. Es kann nicht einfach behaupten, 2,10 Euro für den Liter Super ist zu teuer.

Mehr zum Thema

Interview

Wie Manfred Schnabel und Achim Wambach die Folgen des Ukraine-Kriegs für die regionale Wirtschaft einschätzen

Veröffentlicht
Von
Walter Serif und Bettina Eschbacher
Mehr erfahren
Ukraine-Krieg

Mannheimer ZEW-Chef Wambach: „Kohleausstieg 2030 wird kaum zu halten sein“

Veröffentlicht
Von
Tatjana Junker
Mehr erfahren
Russland

Ukraine-Krise: Das würde ein Krieg für die Wirtschaft in der Rhein-Neckar-Region bedeuten

Veröffentlicht
Von
Tatjana Junker
Mehr erfahren

Als Ausgleich ist eine „Übergewinnsteuer“ im Gespräch, also eine zusätzliche Abgabe auf die Extraprofite der Mineralölkonzerne.

Wambach: Der englische Begriff „Windfall Tax“ passt da besser, also eine Steuer auf etwas, das einem zugefallen ist, für das man nichts kann. Die Engländer besteuern jetzt Unternehmen höher, die Öl fördern – das ist eine klarere Sache. Aber wie definiert man den zugefallenen Gewinn bei Unternehmen, die Öl vertreiben? Ein Unternehmen, das zum Beispiel längere Wege in Kauf nimmt, um Öl aus anderen Ländern zu beschaffen, hat höhere Kosten. Wird es jetzt stärker besteuert, wird es dies nicht mehr machen.

Verstehe ich Sie richtig, Sie sind gegen eine solche Steuer?

Wambach: Ich halte nichts von einer Übergewinnsteuer in der jetzigen Situation. Ich sehe eine Reihe von Problemen bei der Umsetzung. Man nimmt damit auch die Anreize für die Unternehmen, sich auf solche Situationen vorzubereiten, gut zu planen. Es lässt sich einfach nicht sauber trennen, was ein zugefallener Gewinn ist und was durch gute Vorsorge oder gutes Handeln in der Krise erreicht wurde.

Was halten Sie davon, den Steuerrabatt auf Kraftstoffe sofort wieder abzuschaffen? Das fordern schon Kollegen von Ihnen.

Wambach: Glücklich sind die wenigsten Ökonomen über diesen Steuerrabatt, weil wir die Preissignale dringend benötigen, damit Energie eingespart wird. Wir brauchen die Energie, die jetzt im Sommer gespart wird, im kommenden Winter. Aber ein niedrigerer Spritpreis hilft denen, die auf das Auto angewiesen sind, also Arbeitnehmern, Taxifahrern und Speditionen. Man kann also nicht sagen, dass es überhaupt nicht hilft. Jetzt ist das Programm da, die Diskussion über eine Abschaffung ist müßig. Und es ist ja befristet. Die Botschaft ist: Wir werden mit hohen Energiepreisen leben müssen und federn jetzt den Übergang ab. Wir müssen uns darauf einstellen. Der Steuerrabatt ist keine Dauerlösung.

Redaktion Bettina Eschbacher ist Teamleiterin Wirtschaft.

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen