Mannheim. Unternehmen der Region verfolgen das Ringen um eine friedliche Lösung im Ukraine-Konflikt mit Sorge - und zwar nicht nur, weil einige von ihnen dort Beschäftigte haben. „Je nach weiterem Konfliktverlauf ist mit mehr oder weniger weitreichenden Sanktionen gegen Russland zu rechnen“, heißt es bei der Industrie- und Handelskammer Rhein-Neckar. Diese könnten sich auf deutsche Unternehmen auswirken. Würde Russland zum Beispiel vom internationalen Zahlungsverkehrssystem (SWIFT) ausgeschlossen, „wäre der komplette Zahlungsverkehr zwischen Russland und Deutschland sehr erschwert“, so die Kammer.
Auch Achim Wambach, Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim, sagt: „Der Ukraine-Konflikt ist sicher eines der großen Risiken, vor denen die deutsche Wirtschaft steht“. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick:
Wie würde eine Eskalation die deutsche Wirtschaft hauptsächlich treffen?
„Der Hauptpunkt ist der Energiepreis“, sagt ZEW-Präsident Wambach. „Selbst ohne Sanktionen würde eine Verschärfung des Konflikts dazu führen, dass Energie teurer wird. Wenn Sanktionen dann zum Beispiel auch noch die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 betreffen oder das Finanzsystem, wird sich die Lage noch mehr verschärfen.“
Hintergrund ist die starke deutsche Abhängigkeit von Energieressourcen aus Russland: Mehr als die Hälfte des Gases, das Deutschland importiert, kommt von dort. „Russland ist insgesamt für Deutschland als Handelspartner gar nicht so wichtig - aber über sein Gas und Öl hat es einen strategischen Hebel in unserer Wirtschaft“, sagt Wambach. „Das zieht sich durch die ganze Lieferkette: Energie brauchen alle.“
Welche Rolle spielt die umstrittene Gaspipeline Nord Stream 2?
Sollten die Russen in der Ukraine einmarschieren, wäre das laut US-Präsident Joe Biden das Aus für Nord Stream 2 - den Amerikanern ist die Pipeline, die russisches Gas an der Ukraine vorbei nach Deutschland und Europa bringen soll, ohnehin ein Dorn im Auge. Für die deutsche Wirtschaft ist es dagegen durchaus bedeutsam, dass das Milliardenprojekt in Betrieb geht. „Im Moment gibt es zwar noch genügend Spielraum in den bestehenden anderen Pipelines. Aber Gas wird künftig eine noch wichtigere Rolle bei der Energieversorgung spielen - zumindest als Übergang für die nächsten zehn bis 20 Jahre“, sagt Wambach. „Deshalb hat Nord Stream 2 eine wichtige Funktion - sie zeigt aber auch die Abhängigkeit von Russland.“ Es sei deshalb richtig, dass sich die Bundesregierung derzeit auch um andere Kanäle für Flüssiggas bemühe.
Wie stark wäre der deutsche Außenhandel betroffen?
Die Ukraine hat als Handelspartner für die deutsche Wirtschaft eine geringe Bedeutung. 2021 gingen zum Beispiel nur rund 0,2 Prozent der Exporte aus Baden-Württemberg in das Land. ZEW-Präsident Wambach zufolge hat auch Russland als Handelspartner für Deutschland an Bedeutung verloren: „Wir sind wirtschaftlich nicht mehr so stark vernetzt, wie wir es mal waren - mit China handeln wir zum Beispiel viel mehr.“ Insgesamt gingen nur zwei Prozent der deutschen Exporte nach Russland, bei den Importen sei das Volumen ähnlich niedrig. Zwar gebe es - neben den Energieressourcen - auch eine gewisse Abhängigkeit von einzelnen Rohstoffen wie Paladium, das für Katalysatoren verwendet werde. „Da wären möglicherweise die Lieferketten gestört, und einzelne Unternehmen müssten sich umstellen - aber diese Abhängigkeit spüren wir bei weitem nicht so unmittelbar wie die von Öl und Gas.“
Welche regionalen Firmen haben Beschäftigte in der Ukraine?
Der Chemiekonzern BASF ist in der Ukraine mit zwei Vertriebsgesellschaften und knapp 240 Beschäftigten vertreten. Das Hauptbüro ist in Kiew, eine weitere Niederlassung gibt es in Lviv. „Wir verfolgen die Situation im Land sehr aufmerksam “, so eine Sprecherin. Die deutschen Beschäftigten hätten mit ihren Familien das Land verlassen. Lokale Mitarbeitende seien angehalten, soweit möglich von zuhause aus zu arbeiten - und auf Dienstreisen zu verzichten.
Auch Heidelberger Druckmaschinen ist in der Ukraine aktiv. Das Geschäft dort mache weniger als fünf Prozent des Umsatzes in Ostereuropa aus, sei aber profitabel. Vor Ort würden knapp 20 Mitarbeitende beschäftigt - lokale Angehörige der Landesgesellschaft. Die Krise spüre man noch nicht. „Wir nehmen die Bedrohung sehr ernst und beobachten die Situation täglich/stündlich. Wir hoffen und gehen auch davon aus, dass es eine diplomatische Lösung geben wird“, heißt es vom Management vor Ort. Ähnlich klingt das bei SAP. Der Softwarekonzern beschäftigt in Kiew eine „zweistellige Zahl“ von Mitarbeitenden. „Wir beobachten die Situation und können im Notfall sofort direkt unterstützen“, sagt ein Sprecher.
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