Mannheim. Eigentlich sah der Plan anders aus. Nach ihrem Studium würde sie Steuerberaterin werden, gutes Geld verdienen und damit eines ihrer Herzensthemen unterstützen: den Tierschutz. So hatte sich das Melina Bucher zumindest irgendwann mal ausgemalt. Doch es kam anders.
Heute sitzt die 28-Jährige nicht in einem schicken Steuerberaterbüro, sondern in einem schlichten Lagerraum in den Mannheimer Quadraten. In dem großen Regal hinter ihr an der Wand reihen sich statt Aktenordnern Handtaschen in verschiedenen Farben und Größen. Und auf dem Schreibtisch stapeln sich keine Papiere, sondern Materialmuster in Schwarz und Beige. Melina Bucher ist nicht Steuerberaterin geworden, sondern Mode-Unternehmerin: Sie entwirft und verkauft Handtaschen aus veganem Leder.
Vision: komplett plastikfrei
Mit diesem Geschäftsmodell verknüpft Bucher, die Management an der Uni Mannheim studiert hat, nach eigenen Worten zwei Leidenschaften: Die Liebe zu Tieren - und zu Handtaschen. „Ich habe selbst lange nach einer Handtasche gesucht, die handwerklich gut gemacht ist, aber ohne Leder auskommt“, erzählt sie. Irgendwann habe sie sogar große Luxusmarken wie Gucci angeschrieben und gefragt, ob die nicht mal ein veganes Modell anbieten wollten. „Da bin ich aber auch nicht weitergekommen.“
Das Thema ließ Bucher allerdings nicht los: Sie recherchierte weiter, suchte nach alternativen Materialien. Schließlich kam sie mit Nico Hoffmeister ins Gespräch. Er leitet die Textilerei, das Mannheimer Gründungszentrum für Mode- und Textil-Start-ups. „Der war gleich begeistert, und wir haben zusammen nach möglichen Designs gesucht.“ Irgendwann war die Entscheidung reif: Bucher gründete ihr eigenes Start-up. 2019 kamen die ersten Taschen auf den Markt. Heute verkauft „Bucher Bags“ seine Produkte hauptsächlich über den eigenen Onlineshop, seit zwei Monaten ist die Marke auch bei der Online-Plattform Zalando gelistet.
Gründungsmesse START
- Die Unternehmerin Melina Bucher teilt ihre Erfahrungen unter anderem am kommenden Samstag, 9. Juli, auf der Gründungsmesse START Rhein-Neckar im Mafinex Technologiezentrum in Mannheim.
- Von 10 bis 18 Uhr stehen dort Vorträge und Workshops zu verschiedenen Themen rund um die Gründung auf dem Programm: von Fördermöglichkeiten und Finanzierung über richtiges Marketing oder Kreativtechniken wie Design Thinking wird ein breites Spektrum abgedeckt.
- Die Veranstaltung ist kostenlos.
- Zu den Partnern gehören u.a. die Wirtschafts- und Strukturförderung der Stadt Mannheim, die IHK Rhein-Neckar, die Handwerkskammer Mannheim Rhein-Neckar-Odenwald und NEXT Mannheim.
- Infos und Programm unter www.start-rhein-neckar.com
Eine der größten Herausforderungen für das Mannheimer Start-up war es, das richtige Material für seine Produkte zu finden. „Am Anfang haben wir mit einem synthetischen Leder aus der Autoindustrie gearbeitet. Aber eigentlich habe ich nach einem Material gesucht, das komplett plastikfrei ist“, sagt Bucher. Gar nicht so einfach: Auch in Ananas- oder Kaktusleder seien oft synthetische Komponenten beigemischt. Gleichzeitig müsse das Material gewisse Ansprüche erfüllen. „Eine Handtasche muss man auch mal auf den Boden werfen können, ohne dass sie gleich Kratzer bekommt. Unsere Produkte soll man ja lange nutzen können, sonst sind sie nicht nachhaltig.“
Vor rund zweieinhalb Jahren wurde Bucher schließlich fündig: Das vegane und plastikfreie Leder für ihre Handtaschen bekommt sie seither von einem Biotech-Start-up aus den USA. Basis für das Material ist Naturkautschuk, der mit natürlichen Stoffen durchgefärbt wird. Die Farbe beige wird beispielsweise aus Weinflaschen-Korken gewonnen. „Wir versuchen insgesamt, so viele Abfallprodukte wie möglich zu nutzen“, sagt Bucher. Gefertigt würden die Handtaschen dann von einem kleinen Familienbetrieb in Spanien.
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Als nächstes hat sich die Mannheimer Unternehmerin ein ambitioniertes Ziel vorgenommen: Sie will eine Handtasche auf den Markt bringen, die komplett kreislauffähig zertifiziert ist: das heißt, dass alle Komponenten entweder technisch recyclebar oder unschädlich für die Umwelt entsorgt werden können. „Das gibt es weltweit bis jetzt noch nicht.“ Einfach ist das Vorhaben nicht: In manchen Handtaschen sind bis zu 40 Einzelkomponenten verarbeitet, die die Kriterien dann alle erfüllen müssen. So muss unter anderem darauf geachtet werden, mit welchen Mitteln die Baumwolle für das Innenfutter gefärbt oder aus was der verwendete Klebstoff besteht. „Auch der Zipper ist im Moment noch eine Herausforderung. Da müssen wir schauen, ob wir im Zweifel eine andere Designlösung finden, zum Beispiel Knöpfe“, sagt Bucher.
Fördergelder von der EU
Unterstützt wird Buchers Projekt neuerdings durch das EU-Förderprogramm „Fashion for Change“, das eine nachhaltige Modewirtschaft voranbringen will. Darüber hinaus hat die Mannheimerin ihr Start-up bisher selbst finanziert. Inzwischen denkt sie allerdings darüber nach, einen Investor ins Boot zu holen. Bisher sei sie bei dem Thema eher skeptisch gewesen, da Kapitalgeber in der Regel vor allem die Gewinnmarge im Auge hätten - und weniger die Nachhaltigkeit des Geschäftsmodells. „Jetzt wäre es sicher gut, die Range zu erweitern und beispielsweise noch einen Geldbeutel anzubieten. Dafür braucht es aber Kapital“, sagt Bucher. Ihre Erfahrung als Unternehmerin gibt Bucher unterdessen gerne an andere Gründerinnen und Gründer weiter. So berät sie beispielsweise als Mentorin Start-ups im Textil.Accelerator der Hochschule Reutlingen. Am kommenden Samstag spricht sie außerdem auf der Existenzgründungsmesse START Rhein-Neckar in Mannheim.
Einer ihrer Tipps: nicht alleine vor sich hin wursteln, sondern gute Netzwerke suchen. „Eine Gründung hat viele Höhen und Tiefen. Da ist es extrem hilfreich, wenn man unterstützende und motivierende Menschen um sich hat, die Mut machen“, sagt Bucher. Gerade Frauen, die ein Unternehmen aufbauen wollen, rät sie zudem, selbstbewusster aufzutreten. „Männer sind oft visionsgetriebener. Die stellen sich gleich hin und sagen: ’Wir wollen die Lederbranche revolutionieren.’“
Gründerinnen stünden vor der Herausforderung, dass in entscheidenden Gremien meist Männer dominierten - egal, ob es um Fördermittel oder Investorengelder gehe. „Wenn man da hinkommt und sagt, man macht was mit ’vegan’ und ’Handtaschen’ ist das erst einmal nicht die beste Kombi“, sagt Bucher und lacht. Sie selbst habe deshalb irgendwann angefangen, in solchen Situationen mehr über die technischen Aspekte ihres Geschäftsmodells zu sprechen. Da hätten dann auch die Männer zugehört.
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