Mannheim. Das Strafverfahren um erschlichene Bankkredite von über 20 Millionen Euro und betrügerische Verkäufe von Photovoltaik-Anlagen (wir berichteten) biegt nach sieben Monaten am Mannheimer Landgericht in die Zielgerade. Das Ergebnis der zähen Beweisaufnahme wertet Staatsanwalt Benjamin Moser als Bestätigung der umfangreichen Anklage. Ihr Verlesen hatte beim Prozessbeginn eine Stunde gedauert. Für den Geschäftsmann aus Nußloch fordert er eine Gesamtstrafe von sieben Jahren und zwei Monaten. Außerdem beantragt er, 7,7 Millionen Euro einzuziehen – auch wenn bei dem 49-Jährigen, der einst auf großem Fuß lebte, nichts mehr zu holen sein dürfte.
Der Anklagevertreter spricht von einem „gerissenen Verhalten“ mit krimineller Energie. Das Fälschen von Kontobelegen wie Urkunden in Kombination mit frei erfundenen Geschichten – beispielsweise von der angeblichen Verwandtschaft der Mutter mit dem SAP-Gründer Hasso Plattner – hätten das Erschleichen der Bankkredite ermöglicht. In seinem Plädoyer erinnert der Staatsanwalt daran, dass ein Neun-Millionen-Kredit gegen Sicherheiten, die es nie gab, die kleine Raiffeisenbank Wiesloch-Baiertal in eine existenzielle Schieflage brachte. Die in einer Selbstanzeige wortreich beteuerte Reue bezweifelt der Anklagevertreter. Dagegen spreche, dass der Geschäftsmann als neue Einnahmequelle Photovoltaik-Anlagen verkaufte, die ihm gar nicht gehörten – auch an ein älteres Ehepaar, das dafür einen Kredit aufnahm und nun vor einem riesigen Schuldenberg steht.
Dem Prozess vor der Großen Wirtschaftsstrafkammer ist ein sogenanntes Einziehungsverfahren angegliedert. Dabei geht es darum, ob eine Mannheimer Immobiliengesellschaft, die mit dem Angeklagten in engem geschäftlichem Kontakt stand, wusste, dass ein an sie überwiesenes Darlehen von einer Million Euro eigentlich das Geld für den vorgaukelten Erwerb von Photovoltaik-Anlagen war.
„Kammer hat erhebliche Zweifel“
Zu Beginn des langen Sitzungstages erläutert der Geschäftsführer der Immobiliengesellschaft, wie er den vermeintlich vermögenden Macher aus Nußloch kennenlernte und für ein Projekt im Mannheimer Rotlichtviertel begeisterte. Die Firma, die um die 80 Prozent der Grundstücke an der von Prostitution geprägten Lupinenstraße gekauft habe, plane in Absprache mit der Stadt Mannheim, Bordelle zu verlegen und stattdessen Wohnhäuser zu errichten.
Allerdings sei es schwer, dafür Kredite zu erhalten – „Banken wollen nicht in den Geruch kommen, ihr Geld mit einem Puff zu verdienen“. Deshalb sollte der Nußlocher Geschäftsmann, so die Darstellung, eine finanzielle Beteiligung jener Hamburger Investmentgruppe erreichen, mit der dieser damals eng kooperierte.
Die Einlassung des Immobilienverwerters veranlasst die Vorsitzende Richterin Christiane Loos zu einer „Wasserstandsanzeige“: „Die Kammer hat erhebliche Zweifel, ob die Voraussetzungen einer Einziehung vorliegen könnten.“ Das sieht der Staatsanwalt anders. Er plädiert dafür, die als Darlehen für das Bordellprojekt überwiesene, aber eigentlich für den Kauf von Photovoltaik-Anlagen gezahlte Million einzuziehen. Hingegen erläutert Rechtsanwalt Daniel Gönnheimer für seinen Mandanten, warum dieser von den Machenschaften des Angeklagten nichts gewusst habe. Die Plädoyers werden am Donnerstag fortgesetzt, möglicherweise fällt dann auch das Urteil.
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