Mannheim/Rhein-Neckar. Bei dem bereits Mitte Dezember vor der Großen Wirtschaftsstrafkammer 24 gestarteten, aber von Corona-Unterbrechungen in die Länge gezogenen Prozess um erschwindelte Bankkredite in Millionenhöhe sowie betrügerische Verkäufe von Photovoltaik-Anlagen (wir berichteten) sitzt ein Geschäftsmann aus Nußloch auf der Anklagebank. Angegliedert ist ein Einziehungsverfahren im Sinne von Vermögensabschöpfung: Eine Mannheimer Immobiliengesellschaft, die im Bordellviertel aktiv ist, steht im Verdacht, von den Betrügereien des 49-Jährigen finanziell profitiert zu haben.
Zeugin bringt Rechtsbeistand mit
Im Saal 2 des Mannheimer Landgerichtes knistert die Luft vor Anspannung. Die einzige für diesen Tag (zum zweiten Mal) geladene Zeugin erscheint mit Rechtsbeistand – obwohl sie selbst Juristin ist.
Es gilt komplexe Fragen zu klären: Wie kam es dazu, dass der Angeklagte Photovoltaik-Anlagen veräußerte, die er zwar beruflich betreute, aber nicht besaß, und obendrein für solcherart Lichtenergieumwandler kassiertes Geld an die Immobiliengesellschaft überwies – als Darlehen für ein Bauprojekt in der von Prostitution geprägten Lupinenstraße? Von etwas mehr als einer Million Euro ist in die Rede.
Die aus Norddeutschland angereiste Zeugin, früher Mitarbeiterin eines in die Schieflage geratenen Hamburger Anbieters von Investmentfonds, wiederholt noch einmal ihre Aussage, die sie bereits gegenüber der Kripobeamtin gemacht hatte: „Wir wollten Geld in erneuerbare Energie stecken und haben in einen Puff investiert.“
Inzwischen ist wegen der verschwundenen Million am Heidelberger Landgericht eine weitere Klage anhängig. Denn aus den Versprechungen des Angeklagten, er kümmere sich um das Rücktransferieren des Geldes, ist bislang nichts geworden.
Bei der Befragung versucht der Anwalt des Geschäftsführers der Immobilienfirma, die Glaubwürdigkeit der Zeugin zu erschüttern. Denn die sagt aus, der Darlehensnehmer habe gewusst, woher die ihm zu Unrecht überwiesene Summe stamme. Die Emotionen kochen hoch, als die betrogene Photovoltaikanlagen-Käuferin im Zusammenhang mit dem Heidelberger Zivilverfahren erklärt, der Prozessbevollmächtigte des Projektentwicklers würde „bewusst falsch vortragen“. Daraufhin kündigt der betroffene Anwalt eine Strafanzeige wegen „falscher Verdächtigung“ an. Außerdem pocht er auf eine wörtliche Protokollierung – was die Kammer ablehnt.
Die Zeugin, die mit dem in U-Haft sitzenden Nußlocher Geschäftsmann über das verwirrende Firmengeflecht ihres früheren Arbeitgebers intensiven Kontakt hatte, berichtet von einem Besuch im Bordellviertel Mannheims. Der Immobilienverwerter, der selbst mehrere Grundstücke in der Lupinenstraße besitze, habe dabei Pläne eines Architekten für ein Wohnprojekt vorgestellt: Man führe mit der Stadt Mannheim, die Prostitution aus der Neckarstadt weghaben wolle, Gespräche über Ausweichflächen, sei ihr gesagt worden.
Über fünf Stunden wird die Zeugin befragt. Vor dem Verlassen des Saales bleibt sie kurz stehen und ruft dem Angeklagten zu: „Ich hoffe, dass Sie sich für das, was Sie gemacht haben, irgendwann entschuldigen.“
Diese Szene beobachten im Publikum ein pensionierter Arzt und seine Frau sichtlich aufgewühlt. Das Paar hat beim vermeintlichen Erwerb von Photovoltaikanlagen mehr als eine halbe Million Euro verloren.
Zum Abschluss des Tages lässt die Vorsitzende Richterin Christiane Loos wissen, dass die Kammer mit ihrem Programm „eigentlich durch ist“.
Vor den Plädoyers haben der Angeklagte wie auch der Geschäftsführer der Mannheimer Immobiliengesellschaft Einlassungen angekündigt. Am Montag wird die Verhandlung fortgesetzt.
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