Verkehr

Mobilität in der Rhein-Neckar-Region: Attraktivität ist entscheidend, nicht der Preis

Von 
Christian Schall
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Nahverkehr ist künftig mehr als Bus und Bahn, meinen Experten. Individuelle Angebote werden wichtiger. © Thomas Tröster

Ludwigshafen. Unsere Mobilität wird sich in naher Zukunft drastisch ändern. Sie muss vor allem klimafreundlicher werden, darüber herrscht Einigkeit, auch bei der Regionalkonferenz Mobilitätswende in Ludwigshafen. Unfreiwillig stiegen die Teilnehmer am Dienstagmorgen schon bei der Anreise zum Tagungsort, dem Pfalzbau, in das Thema ein. Wegen etlicher Staus kamen viele zu spät, so dass der Beginn des Programms um 15 Minuten verschoben wurde. „Das ist die Rache dafür, dass man zur Konferenz Mobilitätswende mit dem Auto kommt“, sagte Moderator Markus Brock sarkastisch bei der Begrüßung.

Nutzern des Nahverkehrs - für Teilnehmer gab es gratis ein VRN-Ticket zur An- und Abreise - erging es nicht besser. Wie der Autor dieses Textes kamen auch andere rechtsrheinische Besucher zu spät, weil die Züge wieder einmal unpünktlich waren. Werbung für einen attraktiven Nahverkehr war das nicht.

Mehr individuelle Angebote

Doch genau das ist der Schlüssel, wenn mehr Menschen zum Umsteigen vom Auto auf Busse und Bahnen überzeugt werden wollen. „Attraktiver ÖPNV als Booster für die Mobilitätswende“ lautete nicht nur der Titel einer Diskussionsrunde. Eine von vielen Umfragen im Publikum ergab ebenfalls, dass der ÖPNV vor allem attraktiv sein muss - und nicht allein günstig: „Taktung, Verlässlichkeit, Zuverlässigkeit und Preis“, waren die meist genannten Schlagwörter. „Rückmeldungen von Kundenbefragungen zeigen uns, dass es eine Preiszufriedenheit gibt, aber Wünsche nach mehr Verlässlichkeit und auch Sauberkeit“, bestätigte Christian Volz, kaufmännischer Geschäftsführer der Rhein-Neckar-Verkehrsgesellschaft (RNV).

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„Der Booster für die Verkehrswende wird die Taktung sein“, sagte Elke Zimmer (Grüne), Staatssekretärin im Stuttgarter Verkehrsministerium. Das Land will bis 2026 eine Mobilitätsgarantie geben, mit einem 30-Minuten-Takt im Ländlichen Raum und einem 15-Minuten-Takt in Städten zwischen 5 und 24 Uhr. Bis 2030 soll eine Verdopplung der Nutzerzahlen erreicht werden. Dafür müsse der Bund mehr Zuschüsse liefern, „sonst reden wir in vier Jahren über Angebotskürzungen“.

Der Nahverkehr werde sich verändern und mit dem heutigen nicht mehr vergleichbar sein. Mit dem klassischen Überlandbus-Angebot wie bisher werde man den Ausbau auf dem Land jedoch nicht schaffen. On-demand-Angebote, also nach individuellem Bedarf auf Bestellung, werden deshalb immer wichtiger. In 15 Modellregionen in Baden-Württemberg will die Landesregierung das ab dem Sommer testen.

Die RNV bietet mit „fips“ bereits ein solches Angebot. Seit gut einem Jahr kann ein Fahrgast in Teilen Mannheims eine Fahrt in einem bestimmten Gebiet zu einer Wunschzeit bestellen. „Wir werden beides anbieten, getaktete Verkehre und on demand, und auch das Auto wird weiter seine Berechtigung haben“, stellte Volz klar.

Die Hoffnungen auf das Neun-Euro-Ticket, das der Bundestag am Freitag beschließen soll, waren bei den Diskussionsteilnehmern eher gering. Während Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) in einer Videobotschaft noch ein flammendes Plädoyer für das Billig-Ticket hielt, das den Steuerzahler mindestens 2,5 Milliarden Euro kostet, gab es im Pfalzbau viel Kritik. „Das wird ein riesiger Aufwand, und im September kommt das böse Erwachen, wenn die Preise wieder steigen“, befürchtete Alexander Pischon, Geschäftsführer des Karlsruher Verkehrsverbunds. Volz sieht ebenfalls die Gefahr eines „Rückfalls“. „Das Geld hätte man nachhaltiger investieren können.“ Und Zimmer meinte, das Ticket sei „unfair für die, die in Bereichen wohnen, wo es gar kein Angebot gibt“.

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Akzeptanz für Ausbau schaffen

Für Unruhe sorgte die Meldung, dass Wissing plane, die Ausbaugelder für die Deutsche Bahn bei 2,2 Milliarden Euro jährlich einzufrieren (wir berichteten). Davon könnte die geplante Strecke Mannheim-Karlsruhe betroffen sein. Weil der Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Michael Theurer, seine Teilnahme krankheitsbedingt abgesagt hatte, waren keine Informationen aus erster Hand zu bekommen. „Der wirtschaftliche Erfolg unserer Region und der Unternehmen hängt maßgeblich von der Strecke ab“, erklärte Ralph Schlusche, Direktor des Verbands Region Rhein-Neckar. „Es wäre ein Treppenwitz, wenn das nicht gelingen würde.“

Von einer „bitteren Nachricht“ sprach der Projektleiter der Neubaustrecke, Stefan Geweke. Doch nach Rücksprache mit dem Bundesverkehrsministerium könne man weiter planen. Er rechnet Ende 2023 damit, eine Trasse festlegen zu können. Baubeginn könnte Mitte der 2030er Jahre sein. Die gesuchte Trasse soll eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerung haben. „Es gibt den Konsens: Mehr Güterverkehr auf die Schiene bei weniger Lärmbelastung. Das ist der Preis, um Akzeptanz zu schaffen“, erläuterte Schlusche.

Am Mittwoch müssen die Teilnehmer übrigens keine Staus und Verspätungen fürchten. Das Mobilitätsforum wird online fortgesetzt.

Redaktion Redakteur in der Wirtschaftsredaktion

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