Rhein-Neckar. Für Christian Specht hat auch in der Metropolregion eine „Zeitenwende“ begonnen – und zwar am vergangenen Donnerstag, als Mannheim und Heidelberg als Modellstädte ausgewählt wurden. Sie sollen bis 2030 klimaneutral sein. „Das bedeutet, spätestens 2030 fährt hier kein Dieselbus mehr“, sagt der Vorsitzende des Zweckverbands Verkehrsverbund Rhein-Neckar beim Jahrespressegespräch des Verkehrsverbunds auf dem Maimarkt. Und es passt gut, dass er gerade vom Termin mit Bundesverkehrsminister Volker Wissing im Evobus-Werk kommt – im Gepäck die Nachricht, dass der eCitaro zur Steigerung der Reichweite noch eine Brennstoffzelle bekommt. Dann könnten endlich die Dieselbusse im Öffentlichen Nahverkehr eins zu eins gegen umweltfreundliche Fahrzeuge ausgetauscht werden. Bislang liegt die Quote bei zwei Dieselbussen gegen drei eCitaros.
Das Neun-Euro-Ticket
- Das Angebot gilt von Juni bis August jeweils monatsweise, nicht ab dem Tag der Entwertung, sondern bis jeweils Monatsende.
- Es kann nicht für alle drei Monate auf einmal gekauft werden.
- Erhältlich ist das Ticket an den Fahrkartenautomaten, allen Verkaufsstellen und auf allen digitalen Plattformen.
- Gültig ist das Ticket im Nahverkehr in ganz Deutschland.
- Kunden mit Zeitkarten, Jobtickets oder Semestertickets erhalten den Differenzbetrag automatisch erstattet. Sie brauchen nichts zu unternehmen und werden nicht schlechter gestellt.
- Es gibt keine generelle kostenlose Mitnahme von Hunden oder Fahrrädern.
Falsche Signale gesendet
Angesichts der gewaltigen Herausforderungen im Kampf um die Klimaneutralität 2030 kommt ihm das Neun-Euro-Ticket gar nicht recht. Das Angebot sei nicht nachhaltig und sende die falschen Signale eines nur vermeintlich kostengünstigen Angebots. Klimaneutrale Mobilität koste ganz im Gegenteil jede Menge Geld: Da seien die Anschaffungskosten für die neuen Busse, die Betriebshöfe müssten mit Ladestellen ausgerüstet werden. Neue Bus- und Bahnverbindungen in die Region, etwa in entlegenere Gewerbegebiete, seien notwendig, auch eine Verdichtung der Takte. Doch nun werde mit dem Ticket signalisiert, dass der ÖPNV billig zu haben sei. Das kurzfristige Angebot werde zudem kaum dazu führen, dass Autofahrer umsteigen.
Und wie hält es Specht mit der Stadt Heidelberg? Die würde ihre Bürgerinnen und Bürger am liebsten ganz kostenlos fahren lassen. Die Stadt am Neckar hat gerade einen eigenen Verkehrsversuch hinter sich: vier Wochen kostenlose Nutzung von Bussen und Bahnen. Das Ergebnis: 15 Prozent mehr Nutzer gab es. „Aber: Wohin sind die gefahren? Und waren es Autofahrer, die umgestiegen sind?“ Da will Specht erst die Auswertung abwarten und sehen, ob die Kosten den Nutzen rechtfertigen, sprich: ob auch Autofahrer umgestiegen sind.
Am Vormittag hat der Bundesverkehrsminister im Evobus-Werk das Neun-Euro-Ticket nochmals verteidigt: „Wir entlasten so nicht nur die Bürger, sondern wollen auch erreichen, dass mehr Bürgerinnen und Bürger auf Bus und Bahn umsteigen.“ Die Welt schaue auf das Projekt, er sei von mehreren Amtskollegen aus dem Ausland angesprochen worden, die auf die Datenauswertung gespannt seien.
Der Verkehrsverbund bereitet nun trotz aller Unwägbarkeiten die pünktliche Einführung des Tickets vor. Auch wenn die Verkehrsministerkonferenz erst am 15. Mai die letzten Finanzierungsfragen klären wird und der Bundesrat am 20. Mai abschließend entscheidet: Das Neun-Euro Ticket werde am 1. Juni online und analog erhältlich sein, versichern Specht und VRN-Geschäftsführer Volkhard Malik.
Dass das neue Ticket mit einem Riesenaufwand verbunden ist, will auch RNV-Sprecher Moritz Feier gar nicht verhehlen. Wie viel Personal die Einführung binde und was es koste, lasse sich derzeit noch gar nicht absehen. Aber Feier sieht auch Hoffnungen keimen. „Das ist eine Riesenchance für die ganze Branche“, sagt er. Schließlich könne sich der Nahverkehr für günstigstes Geld von seiner besten Seite zeigen.
Die Kunst sei es, nun dafür zu sorgen, dass das Projekt kein Strohfeuer werde und die Menschen, vor allem die Autofahrer, auch nach August noch verstärkt Bus und Bahn fahren. Günstige Tickets seien da vielleicht ein gutes Einstiegsargument. Dauerhaft blieben die Menschen allerdings nur dabei, wenn sowohl Qualität als auch Angebot stimmten, der Fahrgast also verlässlich von A nach B und wieder zurück komme. „Nur das lässt die Leute langfristig umsteigen.“
Übervolle Fahrzeuge fürchtet die RNV wegen der Ferien- und Sommerzeit nicht. Außerdem rechnen die Experten damit, dass das neue Neun-Euro-Ticket verstärkt in der Freizeit genutzt werde – also dann, wenn Busse und Bahnen ohnehin nicht allzu voll sind. Da gebe es dann gerade auf den Freizeit-Linien 5 und 4 schon noch Kapazitäten.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Neun-Euro-Ticket ist ein Strohfeuer