ZEW-Studie

Laut Mannheimer ZEW-Studie: Arbeitszeit im Homeoffice steigt langfristig stark

Vor allem große Unternehmen erwarten, dass die Beschäftigten auch nach der Pandemie länger zu Hause am Schreibtisch sitzen werden. Die Mannheimer Forscher haben noch weitere Details herausgefunden

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Walter Serif
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Videokonferenz am heimischen Schreibtisch: Das Pandemie-bedingte Homeoffice hat den Alltag von Millionen Menschen umgekrempelt. © Istock

Mannheim. Corona hat die Arbeitswelt stark verändert. Zum Beispiel den Dresscode im Büro. Wer im Lockdown zu Hause noch in Jogginghosen vor dem Bildschirm saß, tat sich womöglich schwer, danach wieder die unbequeme Büro-Kluft zu tragen. Und jetzt kommt ja auch noch die Hitze dazu. Männer in kurzen Hosen sind deshalb auch bei der Arbeit kein prinzipielles No-Go mehr - außer vielleicht in der Anwaltskanzlei oder in der Bank.

Womöglich ist auch deshalb bei der Commerzbank die Forderung der Belegschaft nach mehr Homeoffice so stark. Das Geldhaus hat jetzt angekündigt, dass die Beschäftigten in der Frankfurter Zentrale nun bis zu 70 Prozent zu Hause arbeiten dürfen. Nach dem Wegfall der Homeoffice-Pflicht im März hatte sich die Geschäftsleitung mit dem Betriebsrat zunächst auf eine Übergangsregelung geeinigt, die bis 50 Prozent mobiles Arbeiten vorsieht.

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Mehr als 1000 Unternehmen befragt

Diese Grenze ist kein Zufall: Sitzen die Beschäftigten länger zu Hause vor dem Computer, muss der Brötchengeber ihnen neben den Arbeitsgeräten auch die Büromöbel zur Verfügung stellen. Das kostet. Bei der Commerzbank war es aber wohl so, dass es Proteste gab und die Gewerkschaft Verdi die Trumpfkarte „Fachkräftemangel“ zog. Nach dem Motto: Wenn der Arbeitgeber nicht mitspielt, suchen sich die auf dem Markt heiß begehrten IT-Experten eben einen neuen Job. Das Management hat darauf dementsprechend reagiert.

Die Commerzbank liegt damit in zweierlei Hinsicht im Trend. Nach einer Befragung des Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) erwarten die Unternehmen, dass die Arbeitszeit im Homeoffice langfristig zunimmt. „Sowohl kleinere, mittlere als auch große Unternehmen rechnen mit einem deutlichen Anstieg des Homeoffice-Anteils. Die erwartete Verlagerung ins Homeoffice ist allerdings in großen Unternehmen am stärksten ausgeprägt“, sagt ZEW-Wissenschaftler Daniel Erdsiek.

Das Wirtschaftsforschungsinstitut befragte im Dezember 2021 und Januar 2022 mehr als 1000 Unternehmen aus der Informationswirtschaft und dem verarbeitenden Gewerbe. Vor der Pandemie lag der Anteil der Arbeitszeit, der aus dem Homeoffice erbracht wurde, bei neun Prozent in der Informationswirtschaft und drei Prozent im verarbeitenden Gewerbe. Für die Zeit nach Corona erwarten die Betriebe dagegen, dass 24 Prozent der Arbeitszeit in der Informationswirtschaft und sechs Prozent im verarbeitenden Gewerbe aus dem Homeoffice erfolgen.

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Der zeitliche Vergleich der Durchschnittswerte zeigt der Studie der Mannheimer Wissenschaftler zufolge, dass sich der Homeoffice-Anteil nach Einschätzung der Unternehmen beider Sektoren langfristig vervielfachen wird. Dies gilt besonders für größere Unternehmen. Betriebe mit mindestens 100 Beschäftigten in der Informationswirtschaft erwarten einen Anstieg auf im Durchschnitt 38 Prozent, vor der Pandemie lag der Anteil nur bei zehn Prozent. Auch im verarbeitenden Gewerbe sehen große Firmen den deutlichsten Homeoffice-Schub und rechnen mit einem Anstieg von drei auf 14 Prozent.

„In nur jedem zehnten Unternehmen der Informationswirtschaft wurde bereits vor Corona ein Anteil von mehr als 30 Prozent der Arbeitszeit im Homeoffice erbracht. Für die Zeit nach der Pandemie rechnet nun ein Drittel der Betriebe mit einer solch intensiven Nutzung. Der Anteil hat sich im Verlauf der Pandemie also verdreifacht“, sagt Erdsiek.

Dreifache des Vorkrisenniveau

15 Prozent der Firmen gehen sogar davon aus, dass langfristig mehr als die Hälfte der Arbeitszeit zu Hause erbracht wird. Dies wäre immerhin das Dreifache des Vorkrisenniveaus. Im verarbeitenden Gewerbe, in dem viel in der Produktion gearbeitet wird, glauben dagegen nur wenige Unternehmen, dass in Zukunft mehr als 30 oder gar 50 Prozent am heimischen Schreibtisch erbracht wird. Jedes fünfte Unternehmen erwartet aber, dass die Beschäftigten umgerechnet alle zwei Wochen einen Tag zu Hause Büro verbringen, vor der Pandemie war dies dagegen laut der Befragung nur alle vier Wochen der Fall.

„Wie häufig Unternehmen eine intensive Homeoffice-Nutzung erwarten, hängt stark mit deren Größe zusammen“, so Erdsiek. So gehen in der Informationswirtschaft 58 Prozent der großen Unternehmen davon aus, dass nach der Pandemie mehr als 30 Prozent ihrer Arbeitszeit ins Homeoffice verlagert sein werden. Knapp ein Viertel rechnet sogar mit einem Homeoffice-Anteil von mehr als 50 Prozent. Bei den kleinen Unternehmen mit fünf bis 19 Beschäftigten erwarten nur etwa halb so viele Unternehmen eine vergleichbare Homeoffice-Intensität.

Im verarbeitenden Gewerbe konzentriert sich die Verlagerung zum Homeoffice dagegen vor allem auf geringere Anteile der Gesamtarbeitszeit. Während fast die Hälfte der großen Unternehmen glaubt, dass nach der Pandemie mehr als zehn Prozent der Arbeitszeit von zu Hause aus geleistet werden, gilt dies nur für etwa jedes Zehnte der kleinen Betriebe.

Redaktion Reporter für Politik und Wirtschaft

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