Seit dem 20. März 2022 gibt es zumindest wegen der Pandemie keine Homeoffice-Pflicht mehr in Deutschland – die übrigens anders als in der Schweiz recht lax geregelt war. Die Unternehmen mussten ihren Beschäftigten nur die Möglichkeit zur mobilen Arbeit anbieten, durften und wollten sie aber auch nicht zwangsweise nach Hause vor den Schreibtisch schicken. Auch deshalb saß im vergangenen Jahr nach Berechnungen des Statistischen Bundesamts nur ein Viertel aller Erwerbstätigen im Homeoffice. Nur zum Vergleich: Das Münchner ifo-Institut hält 56 Prozent aller Arbeitsplätze für homeoffice-fähig.
Vielleicht kommt die Homeoffice-Pflicht bereits im Herbst wieder – mit der nächsten Corona-Welle. Oder das Winter-Homeoffice. Wirtschaftsminister Robert Habeck will auf diese Weise Energie sparen. Doch so einfach geht das auch wieder nicht, die Gewerkschaften haben sich schon zu Wort gemeldet, sie wollen die Arbeitgeber bei den Heizkosten mit ins Boot nehmen.
Unabhängig davon ist klar: Das Homeoffice ist in Deutschland gekommen, um zu bleiben. Es ist also keine Notlösung mehr. Die Bedenken mancher Chefinnen und Chefs – zu Hause wird nur gefaulenzt – waren ohnehin vorgeschoben. Aber auch da hat längst ein Umdenken eingesetzt. Und das Beispiel Commerzbank – dort ist Homeoffice nun bis zu 70 Prozent der Arbeitszeit möglich – beweist, dass die Beschäftigten längst nicht mehr die Rolle der Bittsteller einnehmen, sondern ihre Vorgesetzten und die Personalabteilung unter Druck setzen können, wenn die sich sperren. Fachkräfte sind gegenwärtig ja Mangelware, wer sie vergrault, wird sie schnell unfreiwillig los. Und die jüngere Generation denkt ohnehin ständig an die Work-Life-Balance.
Das bedeutet aber auch, dass die Unternehmen nicht nur ein offenes Ohr für flexible Lösungen haben müssen, irgendwann werden die Gewerkschaften auch das Thema „Arbeitsplatzqualität“ am heimischen Schreibtisch anpacken. Wenn der Angestellte sich dort einen Bandscheibenvorfall holt, ist weder Arbeitnehmer noch Arbeitgeber geholfen. Beide Seiten müssen einen Kompromiss suchen und finden.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/meinung/kommentare_artikel,-kommentar-homeoffice-gekommen-um-zu-bleiben-_arid,1980965.html
Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Homeoffice - gekommen, um zu bleiben
Das Homeoffice ist von der Not- zu einer Dauerlösung geworden, kommentiert Walter Serif. Er glaubt, dass sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber auch um die Qualität des heimischen Arbeitsplatzes Gedanken machen müssen