Justiz - Justiz musste sich mit komplett neuen Streitfragen auseinandersetzen – einige Verfahren laufen noch

Kündigung wegen Verstoß gegen Maskenpflicht? Fälle vor dem Mannheimer Arbeitsgericht

Von 
Waltraud Kirsch-Mayer
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Die Justiz musste sich in der Corona-Pandemie mit völlig neuen Streitfragen auseinandersetzen. © istock

Mannheim. Darf bei Nichttragen einer verpflichtenden Mund-Nasen-Bedeckung gekündigt werden? Berechtigt eine OP-Maske zu einer Erschwerniszulage? Als Folge der Virus-Pandemie hat sich das Arbeitsgericht Mannheim, das auch für Heidelberg und die Kreise Rhein-Neckar sowie Neckar-Odenwald zuständig ist, mit komplett neuen Streitfragen auseinandergesetzt. Diese Redaktion blickt auf einige Verfahren, die teilweise noch laufen.

Eigentlich hatte das Arbeitsgericht 2021 eine Welle von Kündigungsschutzklagen aufgrund der Viruspandemie erwartet. „Aber die blieb abgesehen von Einzelfällen aus“, bilanziert Richterin und Pressesprecherin Sima Faggin. Kurzarbeitergeld habe vermutlich „abgefedert“. Bei den im vergangenen Jahr insgesamt 3930 eingegangenen Klagen dominierten klassische Entlassungen. Jenseits von Rechtsfragen forderte Corona organisatorisch heraus: „Die im März 2019 eingeführte elektronische Akte half enorm“, kommentiert der Präsident des Mannheimer Arbeitsgerichtes Rolf Maier. Mit kiloschweren Papierakten wäre Homeoffice wohl kaum praktikabel gewesen.

15 Kammern in der Region

  • Von den 15 erstinstanzlichen Kammern des Arbeitsgerichtes Mannheim sind derzeit neun am Hauptsitz und vier bei der Außenstelle Heidelberg besetzt. Außerdem gibt es Gerichtstage in Mosbach.
  • Mehr als zwei Drittel aller Verfahren münden in einen Vergleich: 2021 lag die Quote bei 77 Prozent.
  • Für Berufungsverfahren ist das Landesarbeitsgericht (LAG) zuständig, das in Mannheim (ebenfalls im Gebäude E 7,21) drei Kammern vorhält. 

Streit um Zulage

Juristisches Neuland eröffnete so manch coronageprägtes Verfahren. Beispielsweise pochten Beschäftigte des Reinigungsgewerbes mit Unterstützung der Gewerkschaft darauf, dass verpflichtendes Tragen einer OP-Maske mit einem Erschwerniszuschlag von zehn Prozent des Stundenlohns vergütet wird. Hintergrund: Der Rahmentarifvertrag für Gebäudereinigung sieht diesen vor, wenn bei Einsätzen eine Atemschutzmaske vorgeschrieben ist. Vor einer Heidelberger Außenkammer des Mannheimer Arbeitsgerichtes klagten 29 Beschäftigte einer Firma, die als Putzkräfte tätig sind. Nach mündlicher Verhandlung urteilte das Gericht, dass die OP-Masken einer gängigen Mund-Nasen-Bedeckung gleichkommen und nicht Atemschutzmasken im Sinne des Tarifvertrages entsprechen. In dem als Musterverfahren geführten Prozess wurde die Klage abgewiesen, aber Berufung zugelassen. Da andernorts ähnliche Verfahren anhängig sind, dürfte letztlich das Bundesarbeitsgericht (BAG) entscheiden.

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G. Büscher, G. Höhler, S. Schocher, R. Schulze, M. Taroni
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Rechtskräftig ist das Urteil in einem Streit um Entgeltfortzahlung: Ein Kraftfahrer war während seines genehmigten Urlaubs, damals in der Hochphase der Viruspandemie, nach Serbien gereist, obwohl das Auswärtige Amt für das Balkanland eine Reisewarnung ausgesprochen hatte. In der Heimat infizierte sich der 58-Jährige und wurde wegen Covid vom 3. Dezember 2020 bis 13. Januar 2021 krankgeschrieben.

Die Arbeitgeberin sah keinen Grund, für diese Zeit Lohn zu zahlen - schließlich habe der Mitarbeiter Corona schuldhaft herbei geführt. Der Kraftfahrer gab an, er habe wegen eines Scheidungstermins nach Serbien reisen müssen. Allerdings versäumte er, seine Argumente als Schriftsatz einzureichen - obwohl ihm dies aufgetragen worden war. Und so scheiterte die Klage ohne inhaltliche Begründung.

Corona und Urlaub - diese Kombination beschäftigte in mehreren Konstellationen: Üblicherweise gilt, dass bei einer ärztlich attestierten Erkrankung während der Ferien die verpasste Erholungszeit nachgeholt werden kann. Anders ist die Situation, wenn im Urlaub eine Corona-Infektion zwar ohne Symptome verläuft, aber gleichwohl zu häuslicher Quarantäne zwingt. Sollte dadurch eine Reise platzen, ist dies gewissermaßen persönliches Pech.

Gegen eine Abmahnung wehrte sich eine Verkäuferin. Den Eintrag in die Personalakte hatte die langjährige Mitarbeiterin eines Heidelberger Geschäftes bekommen, weil sie sich weigerte, Maske zu tragen. Die Frau verwies zwar auf ein Attest, berief sich aber zudem auf krude Behauptungen von Impfgegnern. Nach Stellungnahmen der behandelnden Mediziner beziehungsweise einer Psychologin einigten sich die Parteien nichtöffentlich auf einen Vergleich.

Auch fristlose Kündigungen wegen Nichtbefolgen der Maskenpflicht führten zu Prozessen: So klagte eine Kita-Mitarbeiterin. Die kommunale Dienstherrin hatte ihr vorgelegtes Attest für das Befreien von einer medizinischen Mund-Nasen-Bedeckung als unzureichend erachtet. In einem Vergleich akzeptierte die Kita-Mitarbeiterin die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen eine finanzielle Abfindung.

Ein anderer Kündigungsprozess läuft noch: Einem fristlos entlassenen Mann wird vorgeworfen, er habe ein gefälschtes digitales Impfzertifikat benutzt und sich beim Unternehmen als „geimpft“ registrieren lassen. Als zur Überprüfung auch die gelben Impfpässe inspiziert werden sollten, gestand der Mitarbeiter, nicht immunisiert zu sein.

Barkeeper erhält Lohn

Vors Arbeitsgericht zog ein geringfügig beschäftigter Barkeeper eines vorübergehend dicht gemachten Mannheimer Nachtlokals. Der langjährige Cocktailmixer hatte ab Mitte März 2020 keinen Lohn mehr bekommen, aber erst im September die Kündigung erhalten. Die Kammer vertrat die Auffassung, dass auch bei einer staatlich angeordneten Schließung der Arbeitgeber prinzipiell das Betriebsrisiko trage - obendrein hätte die Möglichkeit bestanden, betriebsdingt zu kündigen. Dem Barkeeper wurde ausstehender Lohn zugesprochen. Einige Monate später sollte das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem vergleichbaren Fall entscheiden, dass Minijobbern bei Corona-Lockdowns keine Vergütung zusteht. Damit gingen geringfügig Beschäftigte komplett leer aus - Minijobber haben auch keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld.

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