Energie-Krise

IHKs warnen vor dem Abwandern der Industrie aus der Region

Wie viel Strom wird in der Metropolregion Rhein-Neckar künftig gebraucht? Und wo soll er eigentlich herkommen? Mit solchen Fragen hat sich die "Stromstudie" beschäftigt - die von Hilferufen der Wirtschaft begleitet wird

Von 
Martin Geiger
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Solaranlagen auf Freiflächen: Darin besteht der Studie zufolge das größte Potenzial für die Erzeugung von erneuerbarer Energie in der Metropolregion Rhein-Neckar. © dpa

Rhein-Neckar. Am Montag haben die Industrie- und Handelskammern (IHK) Rhein-Neckar, Pfalz, Rheinhessen und Darmstadt Rhein Main Neckar ihre „Stromstudie“ vorgestellt. Die Ergebnisse und Hintergründe im Überblick.

Die Ausgangslage

Die IHKs haben die Studie Anfang dieses Jahres in Auftrag gegeben – also vor dem russischen Angriff auf die Ukraine. „Doch die Fragen sind durch den Krieg noch viel drängender geworden“, sagte Albrecht Hornbach, Präsident der IHK Pfalz. Zur Motivation erklärte Manfred Schnabel, Präsident der IHK Rhein-Neckar: „Uns beschlich zunehmend ein mulmiges Gefühl mit Blick auf die zukünftige Energiesituation in der Region. Die Politik auf allen Ebenen überbietet sich in ambitionierten und letztlich abstrakten Reduktionszielen von Emissionen.“ So dachten sich die Wirtschaftsvertreter: „Wir konnten da nicht länger zuschauen, oder besser gesagt: wegsehen.“ Denn Schnabel befürchtet: „Es wird nicht gut gehen.“

Die Studie soll nun „einen Beitrag dazu leisten, einen ambitionierten und konkreten Umsetzungspfad für die Energiewende in der Region aufzuzeigen“. Denn letztlich, so Schnabel, gehe es um die Frage: „Wie schaffen wir die Energiewende, ohne Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstand zu verlieren?“

Die Studie

Erstellt wurde sie vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg unter der Leitung von Christoph Kost.

Status quo

Zurzeit liegt der Stromverbrauch in der Metropolregion Rhein-Neckar, die eine der stromintensivsten Gegenden Deutschlands ist, laut ISE bei jährlich 17 Terawattstunden – wobei alleine 36 Prozent davon in Ludwigshafen verbraucht werden, wo die BASF ihren Stammsitz hat. Wie viel davon in der Region erzeugt wird, konnten die Forscher nicht sagen. An erneuerbarem Strom werden rund um Rhein und Neckar ISE zufolge aktuell etwa zwei Terawattstunden produziert.

Künftiger Bedarf

Im Jahr 2045 werden in der Metropolregion, je nach technischer Entwicklung, zwischen 32 und 38 Terawattstunden Strom benötigt. Das ist eines der zentralen Ergebnisse der Analyse. Studienleiter Kost erklärte diesen Anstieg folgendermaßen: „Haupttreiber hierfür ist über den gesamten Zeitraum die Industrie, die sich dekarbonisiert, also wegkommt von Öl und Gas, und sich dabei in gleichem Maße elektrifiziert.“

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Ausbaupotenzial

Wie viel erneuerbarer Strom lässt sich in der Region theoretisch erzeugen? Auch das haben die Wissenschaftler untersucht. Das größte Potenzial bescheinigen sie dabei Photovoltaikanlagen: Installiert man diese auf allen von den Forschern als realistisch eingestuften Flächen, käme man auf eine Leistung von 14,4 Gigawatt (8,4 auf Freiflächen plus 6 auf Dächern). Windräder könnten 1,8 GW bereitstellen.

Das hieße, mit diesen erneuerbaren Techniken könnten jährlich rund 20 Terawattstunden Strom erzeugt werden. Die größten Ausbaupotenziale sehen die Forscher in den Kreisen Neckar-Odelwald, Bergstraße und Rhein-Neckar. Wasserkraft und Biomasse könnten ebenfalls einen Beitrag leisten, doch unterm Strich bilanziert Kost: „Die Region wird selbst bei Ausschöpfen all ihrer Potenziale auf Stromimporte von 10 bis 17 Terawattstunden im Jahr angewiesen sein.“

Politische Forderungen

Genau darum verbanden die IHKs die Vorstellung der Studie mit zahlreichen Forderungen: schnellerer Ausbau der erneuerbaren Energien, Abbau von Bürokratie und komplexen Planungs- und Genehmigungsverfahren, rascher Ausbau der Übertragungsnetze, insbesondere von Nord nach Süd, Anschluss an eine Wasserstoffinfrastruktur, Verhinderung von verschiedenen Strompreiszonen in Deutschland. IHK Rhein-Neckar-Chef Schnabel sagte: „Wir müssen uns alle in der Region mächtig ins Zeug legen.“ Es brauche einen „Schulterschluss der Region“.

„Und auch dann“, so Schnabel weiter, „benötigen wir die im European Green Deal und die in der Studie veranschlagten rund zwei Jahrzehnte. Derzeit in politischen Debatten kursierende frühere Zeitvorstellungen sind unrealistisch.“ Mit Blick auf den Plan der Stadt Manheim, 2030 klimaneutral sein zu wollen, fügte er hinzu: „Kommunale Alleingänge sind ganz wenig hilfreich.“

Die Unternehmen bräuchten schnell Sicherheit und Planbarkeit, so Schnabel: „Die Gefahr besteht, dass die Industrie abwandert. Dem wollen wir entgegenwirken.“

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Redaktion Reporter für das Ressort "Mannheim".

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