Corona - Wirte in der Region kämpfen ums wirtschaftliche Überleben. Umsatzeinbrüche bis zu 70 Prozent sind keine Seltenheit. Sechs Restaurantbetreiber erzählen, wie es ihnen geht.

Gastwirte in der Region: Zwischen Verzweiflung und Hoffnung

Von 
Walter Serif
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Ein Bild aus den schönen Vor-Corona-Zeiten: das Turmrestaurant im Ludwigshafener Ebertpark. © Bernhard Zinke

Rhein-Neckar. Die Osteria Limoni gehört zu den bekannten Adressen in Mannheim. Selbst unter der Woche ging da in der Zeit vor Corona ohne Reservierung nichts. Am Dienstagabend sind in dem beliebten Restaurant einige Tische leer. Inhaber Maria Paba geht mit dem Reporter zu seinem Platz und setzt sich dazu: „Die Geschäfte gehen sehr schlecht. Vor allem die jungen Leute bleiben weg. Der Umsatz ist um rund 30 Prozent zurückgegangen. Am Wochenende geht es noch einigermaßen. Aber die Gruppen mit zehn bis 15 Gästen kommen nicht mehr, und die meisten Weihnachtsfeiern wurden abgesagt“, sagt Paba, der das Restaurant seit 27 Jahren führt.

Knapp 300 Meter weiter ist die Lage in der Kult-Pizzeria Adria noch trister. Juniorchef Giovanni Rindone seufzt: „Bei uns ist der Umsatz bis zu 40 Prozent gesunken, aber ich kenne Inhaber, bei denen läuft es noch schlechter“, sagt der 47-Jährige. Manche Restaurantbesitzer würden überlegen, ob sie ihr Geschäft nur noch drei Tage die Woche aufmachen sollten. Solche Gedanken hegt Rindone nicht, er hofft, dass die Adria einigermaßen durch den Winter kommt. „Wir müssen manchmal Leute wegschicken, weil sie keinen Impfnachweis haben“, sagt er. Es bleiben aber nicht nur Ungeimpfte zu Hause. „Manche haben einfach Angst sich anzustecken, manche sparen, weil sie wahrscheinlich weniger Geld zur Verfügung haben. Die Lebensmittel sind ja auch teurer geworden“, sagt Rindone.

Dehoga kämpft gegen 2G plus

  • 2G geht noch, 2G plus aber nicht – denn dann könnten viele Betriebe nicht mehr rentabel arbeiten, warnt der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga. Mit der 2G-Regel – Zugang nur für Geimpfte und Genesene – ist der Umsatz in Restaurants und Hotels demnach bereits um mehr als die Hälfte eingebrochen. „Noch höhere Einbußen melden Betriebe in Ländern, in denen 2G plus gilt“, sagt Dehoga-Präsident Guido Zöllick mit Blick auf eine aktuelle Umfrage unter 4800 Betrieben.
  • Melanie von Görtz, Geschäftsführerin des Verbands für die Region Rhein-Neckar und Neckar-Odenwald, begrüßt es deshalb, dass die baden-württembergische Landesregierung nachgebessert und die Regel für Geimpfte und Genesene wieder gelockert hat. „Aber am zweiten Adventswochenende blieben viele Leute der Gastronomie fern, weil sie nicht mehr wussten, was eigentlich gilt“, kritisiert sie. Eine „harte“ 2G-plus-Regel wäre in der Wirkung wie ein Lockdown, weil dadurch spontane Gastronomiebesuche praktisch wegfallen und auch geplante Besuche schwieriger würden.
  • Einen neuen Lockdown im Gastgewerbe lehnt die Dehoga ab. „Dies könnte die Betriebe zur endgültigen Aufgabe zwingen“, sagt von Görtz. Die Folgen wären demnach fatal: Wenn die Betriebe ihre Mitarbeiter wieder massiv in Kurzarbeit schicken müssten, würden noch mehr Fachkräfte aus der Branche abwandern. 

Thomas Armbruster, der in der Spargel-Stadt Schwetzingen gemeinsam mit seiner Ehefrau Beatrice das bekannte Brauhaus zum Ritter führt, schätzt seinen Umsatzverlust sogar auf 50 Prozent. „Früher war es bei uns jeden Tag voll“, sagt er. Zusperren will er das Restaurant trotzdem nicht. „Ich kann zum Glück mit meinen Rücklagen die Verluste ausgleichen. Ökonomisch mag das Wahnsinn sein, aber ich bin nicht der Typ, der monatelang zu Hause herumhockt und nichts macht“, erinnert sich Armbruster an den harten Lockdown im vergangenen Winter, als es bei ihm genauso war, weil die Restaurants alle geschlossen werden mussten. Außerdem möchten die Armbrusters auch weiter die Jobs ihrer Mitarbeiter erhalten, die ihnen am Herzen liegen.

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Und wie sieht es mit den Kontaktbeschränkungen aus, sind die zu hart? „2G finde ich in Ordnung, aber meine Schwägerin und mein Schwager führen den Domhof in Speyer. 2G plus ohne Ausnahmen wie in Rheinland-Pfalz, das war faktisch ein Lockdown.“ Inzwischen müssen sich auch die Leute mit einer Boosterimpfung nicht mehr testen lassen. Noch weicher ist gegenwärtig die 2G-plus-Regelung in Baden-Württemberg, mit der Armbruster leben kann. „Aber da hat ja erst ein heilloses Durcheinander geherrscht, weil die Landesregierung Anfang Dezember die Testpflicht für alle verhängte und dann Ausnahmen machte für Leute, die geboostert sind oder deren Impfung nicht länger als sechs Monate zurückliegt.“

Tobias Motz, Inhaber des Edelfinger Hofs, ein Landhotel mit regionaler Küche in Bad Mergentheim, hat ebenfalls ein Wechselbad der Gefühle hinter sich. Nach der Schockstarre im März 2020 - „Ich bin dankbar für die großzügige Unterstützung der Bundesregierung“ - und dem elend langen Winter-Lockdown legte Motz voller Drang wieder los. „Und das lief wirklich super. Der Sommer 2021 hat alle unsere Erwartungen übertroffen. Da hat man einfach gemerkt, der Kunde will feiern, es gab da bei uns einen regelrechten Ansturm“, sagt er. Doch die Feierstimmung ist verflogen. „In diesem Monat vergeht kaum ein Tag, an dem keine Weihnachtsfeier abgesagt wird.“ Das schlägt bei dem Inhaber besonders ins Kontor, denn bei diesen Veranstaltungen sitzen zwischen 20 bis 800 Gäste an den Tischen. „Das hat uns allein im Dezember 350 000 Euro gekostet“, sagt Motz. Den Umsatzrückgang beziffert er auf rund 70 Prozent, und von zehn Betten sind im Hotel auch nur drei für Gäste reserviert.

Doch Tobias Motz hat seinen Optimismus nicht verloren. „Ich bin ein positiver Mensch. Meine Devise heißt: Kopf hoch, auch diese Krise geht vorbei.“ Er denkt dabei auch an seine Mitarbeiter. „Ich habe 60 bis 80 Beschäftigte, die meisten sind Festangestellte. Um die will und muss ich mich kümmern. Wir wollen unser gutes Personal halten und durch die Krise bekommen, deshalb haben wir auch das Kurzarbeitergeld aufgestockt. Bei uns ist es im Prinzip wie beim FC Bayern München. Wir haben lieber zwei, drei Leute mehr auf der Bank.“

Wolfgang Mink (43) führt schon seit 20 Jahren das Gasthaus Zur Traube im hessischen Lautertal (Odenwald). Die klassische Dorfgaststätte mit bürgerlicher Küche im Ortsteil Reichenbach liegt ihm Zentrum. „Das hat uns beim Winter-Lockdown geholfen, das Abholgeschäft hat uns damals gerettet“, sagt der Inhaber. Jetzt ist das Restaurant zwar geöffnet, aber 50 Prozent hat er in diesem Jahr insgesamt schon an Umsatz verloren. „Ich bin froh, dass wir kurz vor Ausbruch der Pandemie noch einen Kredit ausgehandelt haben, sonst wäre es jetzt ganz düster“, sagt er.

Der Gastronom kritisiert, dass der Staat ständig die Corona-Verordnungen ändern würde. „2G, 2G plus - da blickt ja keiner mehr durch. Erst gilt die Zahl der Neuinfektionen, dann die Hospitalisierungsrate und jetzt sind wieder die Neuinfektionen die Basis. Das ist ja verrückt“, sagt er. „Die Leute sind ausgelaugt von der Pandemie, auch weil die Politik nicht einfach zugibt, dass sie nicht Bescheid weiß.“

Antatol Elert, der seit 2015 Inhaber des Turmrestaurants im Ludwigshafener Ebertpark ist, trauert auch dem entgangenen Geschäft nach. „Diese Woche wäre alles ausgebucht gewesen. Das ist alles weggefallen“, sagt der 47-Jährige. Das Turmrestaurant bietet einen umfassenden Service an. „Wir begleiten die Menschen von der Geburt bis zum letzten Atemzug“, sagt er. Also Taufen, Geburtstagsfeiern, Hochzeiten, und Trauerfeiern, die er Trostfeiern nennt. Alles abgesagt. Als Ursache für den Einbruch nennt er auch die Corona-Maßnahmen. „Die älteren Gäste kommen noch und essen zu Mittag oder zu Abend, aber die jüngeren sind eher skeptisch beim Thema Impfen, deshalb fallen auch die großen Familienfeiern flach.“ Und viele Betriebe können keine Weihnachtsfeiern anbieten. „Viele Unternehmen haben Beschäftigte aus Osteuropa, von denen viele nicht geimpft sind. Da funktioniert 2G plus nicht.“ Das ärgert ihn: „Das Problem sind nicht die Corona-Maßnahmen, sondern dass wir noch immer zu viele Menschen haben, die sich einfach nicht impfen lassen. Das schadet unserer Branche.“

Redaktion Reporter für Politik und Wirtschaft

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