Mannheim. Taschentücher braucht jeder - viele greifen aber einfach zum „Tempo“, obwohl sie vielleicht einen anderen Artikel in der Hosentasche haben. Wenn die Verbraucher den Markennamen mit dem Produkt gleichsetzen, ist das ein Glücksgriff für das Marketing eines Unternehmen. So ist es beim schwedischen Hygieneartikel-Hersteller Essity, der mit seinen „Tempo“-Taschentüchern eine Weltmarke verkauft.
Deshalb ist es für den bisherigen Standort Neuss in Nordrhein-Westfalen natürlich auch ein Prestigeverlust, dass die Produktion der Weltmarke nach über 60 Jahren nach Mannheim verlagert werden soll, wie es der Konzern am Dienstag mitgeteilt hatte. Des einen Leid, ist aber des anderen Freud’. „Die geplante Neuausrichtung würde den Markenstandort Mannheim stärken“, sagt Steffen Seuthe, der den Bezirk Mannheim der Gewerkschaft IG Bergbau, Chemie, Energie leitet. In der Quadratestadt, dem mit 2100 Arbeitnehmern größten deutschen Standort, stellt Essity weitere Premium-Marken wie etwa Zewa oder Tork her. „Wie eng diese Marken mit Mannheim verbunden sind, lässt sich schon aus dem Wort Zewa ableiten, das ja ein Akronym der früheren Zellstofffabrik Waldhof ist“, so Seuthe.
Dass Neuss „Tempo“ verliert, löste laut einem Bericht von „RP Online“ Empörung beim Betriebsrat und den Gewerkschaften aus. Der Betriebsratsvorsitzende Ralf Kruska argwöhnte, dass dies der Anfang vom Ende des Neusser Werks mit seinen 460 Mitarbeitern sein könnte. Essity-Pressesprecherin Annette Schönleber sagte, dass die geplante Neuausrichtung „zum jetzigen Zeitpunkt keine Auswirkungen auf bestehende Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der neuen Division“ habe. Die Arbeitnehmervertreter würden in die Pläne miteinbezogen. Am Mittwoch gab es dazu eine Betriebsversammlung in Neuss, am 3. November sollen die Beschäftigten in Mannheim informiert werden.
Sieben Werke in Europa, darunter in Deutschland die zwei Standorte Neuss und Witzenhausen (Nordhessen) sollen sich nach Schönlebers Angaben künftig auf die Herstellung und Vermarktung von Handelsmarken konzentrieren. Das sind Hygieneartikel, die unter anderem Namen für Supermärkte und Discounter hergestellt werden. Bisher wird ein Teil davon auch in Mannheim produziert. „Das Verhältnis zwischen Handelsmarken und Markenartikeln liegt gegenwärtig bei etwa 50 zu 50“, sagt Gewerkschafter Seuthe. Bedeutet dies, dass Mannheim „Tempo“ bekommt, dafür aber die Handelsmarken abgeben muss? „Das weiß ich nicht, warten wir mal die Betriebsversammlung ab. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass Essity künftig in Mannheim nur noch die Premiumprodukte herstellen lässt“, sagt Seuthe. Mannheim sei breit aufgestellt, die Produktion gut ausgelastet. Ob Arbeitsplätze wegfallen, oder neue geschaffen würden, könne er nicht sagen.
Der Gewerkschafter glaubt aber nicht, dass es einen Kahlschlag geben wird. „Veränderungsprozesse sind immer schwierig, deshalb kann ich die Ängste der Kollegen in Neuss verstehen. Aber wir haben bisher mit dem Unternehmen im Rahmen der Sozialpartnerschaft nur gute Erfahrungen gemacht.“
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