Mannheim. Toilettenpapier und Küchentücher, die teilweise aus Stroh hergestellt sind: Damit will der schwedische Essity-Konzern im Supermarkt verstärkt umweltbewusste Kunden ansprechen. Produkte der Marke Zewa, die Verbraucher in Deutschland, Österreich und der Schweiz kaufen, enthalten ab dem ersten Quartal 2022 neben dem klassischen Zellstoff aus Frischholzfasern auch 30 Prozent Zellstoff, der aus Weizenstroh gewonnen wird. Hergestellt und weiterverarbeitet wird das neue Material in Mannheim.
Dort gab Essity-Vorstandschef Magnus Groth am Donnerstag den Startschuss für eine Anlage, die seinen Angaben nach bisher „einzigartig“ in Europa ist: Künftig wird hier auf 8000 Quadratmetern Fläche Stroh zu Zellstoff verarbeitet, der dann direkt in die Toilettenpapier- und Küchentuch-Produktion am Standort weitergeleitet wird. 40 Millionen Euro hat das Unternehmen in die neue Fabrik investiert, 35 000 Tonnen Stroh-Zellstoff sollen hier künftig pro Jahr hergestellt werden. Knapp 30 neue Arbeitsplätze sind entstanden, insgesamt arbeiten am Standort rund 2100 Menschen.
Dass die Wahl für die neue Investition ausgerechnet auf Mannheim gefallen ist, hat Groth zufolge mehrere Gründe: Zum einen steht hier die größte Fabrik des Essity-Konzerns in Europa, die im Übrigen in den vergangenen Jahren immer „effizienter und nachhaltiger“ geworden sei. Zum anderen sei hier viel Erfahrung und Fachwissen in Sachen Zellstoff gebündelt. Der Standort hat eine integrierte Produktion, das heißt, der gesamte Herstellungsprozess - vom Holzstamm bis zum fertigen Toilettenpapier - findet hier statt. So werden unter anderem jährlich 220 000 Tonnen Zellstoff aus Holzfasern in Mannheim produziert.
Dazu komme, so Groth, dass in der Region viel Stroh verfügbar sei, das bisher ungenutzt auf den Feldern liege - und das nun weitere Verwendung bei Essity finde. Die Investition sei deshalb ein riesiger Schritt in Richtung Nachhaltigkeit. Das unterstreicht auch Projektleiter Martin Wiens: Die Herstellung von Zellstoff aus Weizenstroh benötige weniger Wasser und Energie als die Herstellung aus Holz.
Aufwändige Genehmigung
An der neuen Anlage hatte es in der Vergangenheit allerdings auch Kritik gegeben: Das Umweltforum Mannheimer Agenda 21 hatte moniert, die Zellstoffproduktion aus Stroh sei weit weniger nachhaltig als von Essity angepriesen. Unter anderem würden viele Chemikalien eingesetzt, um die Frischfasern aufzuschließen, es entstünden „erhebliche Abwassermengen“. Zudem werde das Stroh mit Lkw angeliefert und nicht über den vorhandenen Bahnanschluss. Insgesamt wäre es zudem ökologisch sinnvoller, Hygienepapiere nicht aus Frischfasern herzustellen, sondern aus Recyclingmaterial, so das Umweltforum damals.
„Essity hat einen Recyclingbetrieb in Mainz-Kostheim, während wir in Mannheim bereits Holz-Frischfasern verarbeiten. Da hätte es keinen Sinn gemacht, hier auch noch eine Recyclinganlage aufzubauen: Man kann nicht überall alles machen“, argumentiert dagegen Roger Schilling, Geschäftsführer bei Essity in Mannheim. Und die Landwirte, von denen das Stroh für die neue Zellstofffabrik komme, hätten nun einmal auch keinen Bahnanschluss vor der Haustür, so dass der Transport per Lkw notwendig sei.
Nach Angaben von Projektleiter Wiens gelingt es bisher noch nicht, das ganze nötige Stroh von Landwirten aus der unmittelbaren Region zu beziehen. „Es gibt dafür noch keinen richtigen Markt, da muss sich erst ein Netz aufbauen“, sagt er. Derzeit käme das Stroh teilweise zum Beispiel aus Franken. Generell kümmert sich Essity nicht selbst um das Stroh, sondern wird von einem Partnerunternehmen beliefert.
Aufwändig war nach Angaben von Standort-Geschäftsführer Schilling das Genehmigungsverfahren für die neue Zellstoffanlage - noch jetzt stehe das letzte Schriftstück aus, „es ist aber alles in trockenen Tüchern“, so Schilling. Von der Stadt Mannheim habe man dabei viel Unterstützung bekommen. „Insgesamt ist das aber ein Problem, das wir uns anschauen müssen in Deutschland: Auf der einen Seite setzen wir uns politische Ziele in Sachen Nachhaltigkeit und wollen entsprechende Projekte - auf der anderen Seite gibt es bei der Umsetzung wahnsinnig viele Hürden.“ Hier müssten die Genehmigungsverfahren einfacher werden, so Schilling.
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