Interview

BMW-Finanzchef: „Wir hecheln doch nicht Tesla hinterher“

BMW-Vorstand Nicolas Peter sieht den Autokonzern mit seinen Elektroantrieb-Modellen gut gerüstet. Warum er China für einen verlässlichen Partner hält, verrät er im Interview

Von 
Karsten Kammholz und Walter Serif
Lesedauer: 
Ein echtes Eigengewächs: Nicolas Peter arbeitet schon seit mehr als 30 Jahren bei BMW. © Thomas Tröster

Mannheim. Herr Peter, Sie sind in Mannheim geboren und haben wahrscheinlich deshalb Benzin im Blut. Aber Sie sind nicht zum Benz gegangen, sondern zu BMW. Warum das?

Nicolas Peter: Das liegt vermutlich daran, dass meine Eltern aus Mannheim weggezogen sind, als ich drei war. Danach habe ich viel bayerische Luft eingeatmet. Da war BMW näher. Aber es ist gut, dass wir in Deutschland mit uns, Daimler und VW drei starke Unternehmen haben, die sich gegenseitig antreiben.

Sie meinen, BMW soll – anders als in der Fußball-Bundesliga der FC Bayern – nicht immer jedes Jahr Meister werden?

Peter: Eine gute Liga braucht zwei oder drei ganz starke Vereine, damit sie Welt-Niveau erreichen kann.

Der frühere BMW-Entwicklungs-chef Klaus Fröhlich hat sich 2018 bei einem Vortrag beim Mannheimer ZEW nicht als großer Fan des E-Autos erwiesen.

Peter: Das kann ich mir nicht vorstellen. Fröhlich war ja wesentlich am Bau des BMW i3 beteiligt, unseres ersten vollelektrischen Autos.

Fröhlich meinte aber, es sei leicht, ein E-Auto zu bauen, aber schwer, damit Geld zu verdienen.

Peter: Beide Teile der Aussage sind richtig, trotzdem fährt der Zug mit hoher Geschwindigkeit in Richtung E-Mobilität. Die große Herausforderung, vor der die Automobilindustrie steht, ist, dass wir unser heutiges Profitabilitätsniveau auch in Zukunft halten müssen. Und warum ist das gar nicht so einfach?

Newsletter "MM Business" - kostenlos anmelden!

Verraten Sie es uns bitte.

Peter: Die E-Antriebe sind teurer als die Verbrennungsmotoren.

Das heißt, sie verdienen mit der E-Technik weniger Geld. Ist das der Grund, warum BMW so spät ins Geschäft eingestiegen ist?

Peter: Wir sind nicht zu spät eingestiegen. Wir waren doch die ersten, die vollelektrische Autos in Deutschland gebaut haben.

Aber war das nicht eher alibimäßig? Der Verbrenner stand bei Ihnen doch immer an erster Stelle.

Peter: Ein neuer Markt muss immer erst eine gewisse Reife erlangen. Ich würde die Reise in Richtung E-Mobilität in drei Phasen unterteilen. Die ersten Fahrzeuge, die auf den Markt kamen, hatten einen relativ kleinen Marktanteil.

Mehr zum Thema

Auto

Neuer Bolide BMW XM Label Red

Veröffentlicht
Von
Jutta Bernhard
Mehr erfahren
Auto

Jeep-SUV Avenger am Start

Veröffentlicht
Von
Jutta Bernhard
Mehr erfahren
Auto

Auto Shanghai 2023: Nissan steht unter Strom

Veröffentlicht
Von
Solveig Grewe
Mehr erfahren

Wie der i3.

Peter: Genau. Er war seiner Zeit voraus. Die Marktnachfrage hat erst gegen Ende seines Lebenszyklus Schwung aufgenommen. Jetzt sind wir mitten in Phase zwei. Wir sind in unserem Segment inzwischen eindeutig die Nummer zwei hinter Tesla. Im vergangenen Jahr haben wir knapp zehn Prozent unseres weltweiten Absatzes mit vollelektrischen Fahrzeugen erreicht.

Zehn Prozent – das reicht Ihnen aber nicht, oder?

Peter: Natürlich nicht. In diesem Jahr kalkulieren wir mit 15 Prozent, 2024 soll jedes fünfte Fahrzeug vollelektrisch sein. 2025 jedes vierte und 2026 jedes dritte. Sie sehen, wir rechnen in der dritten Phase mit einem starken Wachstum.

Und die Hybrid-Fahrzeuge sind nur eine Übergangstechnologie?

Peter: Der Übergang kann noch länger dauern. Der Markt ist jedenfalls stabil. BMW ist in seinem Segment weltweit der größte Plug-in-Hybrid-Hersteller. Das ist ein sehr interessantes Markt-Segment, denn diese Autos liegen in der Reichweite schon knapp bei 100 Kilometern. Damit kann man sich im Alltag, also in der Stadt oder auf kurzen Strecken, vollelektrisch bewegen. Für die vollelektrischen Fahrzeuge brauchen wir eine sehr gute Infrastruktur …

… also viele Ladestationen …

Peter: … wenn Sie sich da mal Europa anschauen, dann sehen Sie, dass sich dort rund 70 Prozent der Ladestationen auf gerade mal drei Länder verteilen: Deutschland, Frankreich und die Niederlande. Da ist die Infrastruktur vergleichsweise gut ausgebaut. Wie soll das aber in Großstädten wie Mailand funktionieren, in denen sich die Bürgermeister einen CO2-freien Verkehr wünschen, aber keine Ladestationen haben? Da haben Plug-in-Modelle Vorteile.

Sie setzen also voll auf Hybride?

Peter: So würde ich das nicht sagen. Der Markt wächst, aber deutlich schwächer als der Absatz von vollelektrischen Fahrzeugen. In diesem Jahr werden die reinen E-Autos sie überholen. Der Absatz von Plug-in-Hybriden war 2023 ähnlich hoch wie der bei den vollelektrischen Autos.

Nicolas Peter

Nicolas Peter wurde 1962 in Mannheim geboren.

Nach seinem erfolgreichen Jura-Studium in München startete Peter seine berufliche Karriere 1991 bei BMW.

Bis heute ist er dem Autokonzern treu geblieben. Seit 2017 sitzt Peter im Vorstand des Münchener Unternehmens und ist dort für die Finanzen des Unternehmens zuständig.

Nach sechs Jahren als Finanzchef wird Peter diesen Posten aber Mitte Mai wieder abgeben. Er verabschiedet sich in den Ruhestand. Das Interview wurde während seines Besuchs in Mannheim geführt. Dort hielt er einen Vortrag auf Einladung des Forums Kirche & Wirtschaft.  was

Ist Tesla für BMW das Vorbild?

Peter: Nein, wir schauen zwar schon, was Tesla macht, aber wir haben eine andere Strategie, weil die Ausgangslage völlig verschieden ist. BMW hat im vergangenen Jahr 2,2 Millionen Verbrenner und Hybride verkauft. Da können wir nicht plötzlich den Schalter umlegen und nur noch E-Autos anbieten. Wir sind mitten in der Übergangsphase zur emissionsfreien Mobilität. Dazu gehört übrigens auch Wasserstoff. Um weiter in die Zukunft investieren zu können, erwirtschaften wir gute Renditen.

Was Tesla macht, interessiert Sie also gar nicht?

Peter: Doch. Aber wir stellen ganz andere Produkte her. Wenn Sie mal die Auto-Presse studieren, dann werden Sie sehen, dass unser BMW i4 im Vergleich mit dem Model 3 von Tesla in der Regel besser abschneidet. Aber wir beobachten natürlich den Markt, und da gibt es zwei Pole. An einem Ende sind die eher einfachen Modelle und am anderen die innovativen Modelle mit höherer Varianz und größerer Individualisierbarkeit wie unser i4, mit dem wir ins Rennen gehen. Und 2024 bringen wir zum Beispiel in Kooperation mit einem chinesischen Hersteller einen neuen vollelektrischen Mini auf den Markt. Das Auto wird neue Wege gehen in der Reduktion von Varianz, wird aber dennoch gute Ausstattung bieten. Die Kunden werden also trotzdem nichts vermissen.

Weniger Extras, das ist doch die Tesla-Strategie.

Peter: Naja, wir müssen uns schon von der Konkurrenz abheben. Wir bieten Premium-Produkte an, die im Preis höher liegen als Nicht-Premium Produkte.

Die Leute zahlen mehr für den Markennamen?

Peter: Nein, für attraktives Design, für mehr Varianz und mehr Qualität beim Grundprodukt und bei der Ausstattung und für innovative Features. Das rechtfertigt den höheren Preis.

Wie verteilt sich der Automarkt?

Peter: China ist weltweit der wichtigste Markt. Dort wurden im vergangenen Jahr 22 Millionen Autos verkauft. Auf Platz zwei rangieren die USA mit 16 Millionen Einheiten. Dieser Markt ist seit Jahren stabil. Europa liegt bei elf Millionen Fahrzeugen. China ist mit Blick auf den Elektroantrieb besonders wichtig. Das Land hat unheimlich viel Geld in die Batterietechnologie investiert. Dennoch werden auch in den nächsten 15 Jahren die verschiedenen Antriebsarten eine Rolle auf dem Weltmarkt spielen.

Sie reden immer vom Motor. Den braucht jedes Auto. Aber ein Tesla ist gar kein normales Auto, sondern ein fahrendes zweites Wohnzimmer mit einem Computer.

Peter: Wir bauen weit mehr als Motoren. Wer hat denn die größte Anzahl von Fahrzeugen, deren Software per Funk oder WLAN updatefähig ist? BMW und nicht Tesla. Wir verbauen diese Technik seit fast zehn Jahren. Wir haben vor drei Monaten in Las Vegas ein Keramik-Display vorgestellt, das über die gesamte Frontscheibe geht. Das wird ein großer Schritt für die Industrie. Und wir werden da die ersten sein. Wir hecheln doch nicht Tesla hinterher.

Zurück zum chinesischen Markt. Wie groß ist denn dort der Elektro-Anteil bei den Autos. Ein Drittel?

Peter: Das muss man differenzieren. In den großen Städten wie Peking, Schanghai und Nanjing sind momentan zwischen 25 und 30 Prozent sogenannte NEV-Fahrzeuge, also Autos mit Elektroantrieb. Da werden aber auch Hybridmodelle eingerechnet. Bei den vollelektrischen Fahrzeugen haben wir in unserem Marktsegment gegenwärtig einen Anteil von zwölf Prozent. Damit liegen wir vor allen Wettbewerbern, die im Transformationsprozess sind, aber hinter Konkurrenten, die nur vollelektrische Fahrzeuge anbieten.

Wie zum Beispiel Tesla.

Peter: Ja. Sie müssen aber wissen, dass in China rund 75 Prozent der Fahrzeuge mit einem Elektroantrieb unter 30 000 Euro kosten. In diesem Segment sind wir nicht aktiv.

Spielt für BMW die politische Dimension keine Rolle? Offensichtlich geht Ihr Konzern ja wie auch VW oder die BASF in China All-in, obwohl Peking ständig mit einem Krieg gegen Taiwan droht.

Peter: China spielt eine Schlüsselrolle für die deutsche Industrie und für die Transformation in Richtung Nachhaltigkeit.

Das wissen wir auch. Wenn China aber Taiwan überfällt, gibt es Krieg mit den USA. Kommen Sie dann her und fordern wie die BASF nach dem 24. Februar 2022: Jetzt muss uns der Staat helfen?

Peter: Der Vergleich hinkt, wir sind sehr robust aufgestellt, BMW hatte schon immer einen sehr starken lokalen Ansatz. Wir sind in China mit drei Werken vertreten. Was BMW dort verkauft, wird auch dort produziert.

Wenn es Krieg gibt, werden die USA sagen: Falls BMW weiter Geschäfte mit den Chinesen macht, werden wir mit harten Sanktionen antworten.

Peter: Wir sollten jetzt nicht über einen Krieg spekulieren.

Warum denn nicht? Der chinesische Machthaber Xi Jinping hat doch mit klaren Worten öffentlich gesagt, dass er Gewalt gegen Taiwan nicht ausschließt.

Peter: BMW ist seit mehr als zwei Jahrzehnten in China vertreten. Wir haben die Chinesen als zuverlässige Partner kennengelernt.

Das hat die BASF über die Partner in Russland auch gesagt. Ein Krieg ändert immer alles.

Peter: Die Beziehungen mit China sind ja gegenseitig. Wir sind in der Provinz im Nordosten mit unserem Standort der mit Abstand größte Arbeitgeber und Steuerzahler. Das ist doch auch umgekehrt eine Art Abhängigkeit.

Alles, was Sie sagen, hat für sich genommen Hand und Fuß. Aber genauso hat die Wirtschaft früher die Abhängigkeit vom russischen Gas gerechtfertigt: Das sind verlässliche Partner, gut, dass Putin im Kreml sitzt und nicht so ein Irrer wie Trump. Wie können Sie nur so ruhig bleiben?

Peter: Gegenwärtig reisen doch sehr viele Politiker aus Europa nach China. Alle mit einem Ziel: Sie wollen die Beziehungen aufrechterhalten. Und zum Risiko: Wir sind ein globaler Player, da können wir regionale Schwankungen auffangen. Selbst der asiatische Raum besteht ja nicht nur aus China. Deshalb würde ich dafür plädieren, dass wir China auf Augenhöhe begegnen, konstruktiv und partnerschaftlich.

Außenministerin Annalena Baerbock erfüllt diese Kriterien nicht?

Peter: Ich spreche grundsätzlich von Beziehungen, von denen am Ende beide Seiten profitieren.

Herr Peter, wir haben mit Überraschung vernommen, dass Sie mit 61 schon in Rente gehen wollen. Ist das nicht ein bisschen früh? Kanzler Olaf Scholz ist älter als Sie.

Peter: Bei BMW ist das eine Grundregel, dass die Spitzenkräfte so um die 60 Platz für Jüngere machen. Da muss es schon eine gewisse Rotation geben. Ich werde aber nicht am Strand auf der faulen Haut liegen. Ich werde in den Aufsichtsrat von Kion gehen und weiter Vorsitzender des Kuratoriums der BMW Herbert Quandt Foundation bleiben. Mir wird es also nicht langweilig.

Ehemalige Mitarbeit ehem. Chefredakteur

Redaktion Reporter für Politik und Wirtschaft

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen