„Acht Prozent! Acht Prozent!“ Die Rufe und Trillerpfeifen sollen bis zum Sitz von Daimler Truck in Stuttgart zu hören sein. Nach Angaben der IG Metall beteiligen sich rund 3200 Beschäftigte der Frühschicht an einem Warnstreik vor Tor 2 in Mannheim.
Mit Ende der Friedenspflicht zieht die Gewerkschaft bundesweit in einen heißen November ein. Sie verlangt für die rund 3,9 Millionen Beschäftigten dauerhaft acht Prozent mehr Geld bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Die Arbeitgeber haben bislang eine Einmalzahlung von 3000 Euro und zudem bei einer Laufzeit von 30 Monaten eine nicht bezifferte Erhöhung der Lohntabellen angeboten. Die Einmalzahlung soll steuer- und abgabenfrei direkt bei den Beschäftigten ankommen. Landauf, landab kommt es dieser Tage zu Warnstreiks. Mit Daimler Truck trifft es einen Dax-Konzern, allein in Mannheim sind mehr als 8000 Menschen beschäftigt. Hier werden Lkw-Motoren und Stadtbusse (Evobus) gebaut.
„Wen will man verarschen?“
Cheyenne Todaro, Leiterin des Vertrauenskörpers, macht klar, was sie von dem Angebot der Arbeitgeber hält: nichts. Sie ist entrüstet darüber, dass die Arbeitgeberseite trotz voller Auftragsbücher und hoher Umsatzzahlen die Beschäftigten mit einer Einmalzahlung „abspeisen“ möchte. „Wir sollen die Kosten für Krise, Krieg und Corona tragen. Wenn will man hier verarschen?“, fragt Todaro in die Menge. Lautes Klatschen und Pfeifen. Sollte die Arbeitgeberseite nicht zu Zugeständnissen bereit sein, gebe es eben mehr Streiks. „Dann steht dieser gottverdammte Laden jede Woche still.“
Der Betriebsratsvorsitzende Bruno Buschbacher schnappt sich das Mikrofon und äußert sich ähnlich. „Wir waren die ganze Zeit solidarisch gegenüber unserem Arbeitgeber. Es kann nicht sein, dass jetzt auch noch die Last der Krise auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen wird, das kann nicht der Dank für unsere Flexibilität der letzten drei Jahre sein!“
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In der ersten Woche der Warnstreiks in der deutschen Metall- und Elektroindustrie haben mehr als 200 000 Menschen kurzzeitig die Arbeit niedergelegt. Die große Beteiligung zeige, dass man gemeinsam hinter der Forderung nach acht Prozent mehr Geld stehe, erklärt IG-Metall-Chef Jörg Hofmann. Bis zur vierten Verhandlungsrunde, die am Dienstag in Bayern und Baden-Württemberg beginnt, sind weitere Warnstreiks geplant. Sollte keine Annäherung gelingen, will die IG Metall zu 24-Stunden-Warnstreiks greifen oder in einzelnen Gebieten mit Urabstimmungen unbefristete Streiks vorbereiten.
Der Arbeitgeberverband Südwestmetall hatte die Warnstreiks vor Kurzem als „überflüssig“ bezeichnet. Schließlich habe man einen „sehr guten und konstruktiven Vorschlag“ unterbreitet, sagte Hauptgeschäftsführer Peer-Michael Dick. „Unseren Unternehmen steht ein äußerst schwieriges Jahr 2023 bevor. Warnstreiks und Produktionsausfälle würden nun auch noch das ebenfalls schon herausfordernde Jahr 2022 unnötig belasten.“
Thomas Hahl, Chef der Mannheimer IG Metall, will das nicht gelten lassen. „Den Fachkräftemangel und die Lieferkettenproblematik haben nicht die Beschäftigten entschieden, das sind Management-Entscheidungen! Bildet junge Menschen aus und holt outgesourcte Arbeitsbereiche wieder an den Standort Mannheim zurück!“
Vor allem, dass die Daimler-Truck-Tochter Evobus den Rohbau von Mannheim nach Tschechien verlagern will, ärgert Hahl. Wieder mache das Management die gleichen Fehler und schaffe damit die gleichen Probleme. Durch die Verlagerung sind laut IG Metall etwa 1500 Arbeitsplätze gefährdet.
Rote Bengalos
Todaro, Buschbacher und Hahl sind sich einig, dass die steigenden Kosten des Alltags nur bewältigt werden könnten, wenn es ein ordentliches, tabellenwirksames Plus im Geldbeutel gebe. „Denn wer die Preise kennt, will acht Prozent!“
Einige Beschäftigte zünden rote Bengalos. Am Abend soll eine weitere Kundgebung vor Tor 2 stattfinden - mit Beschäftigten aus der Nachtschicht. (mit dpa)
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