Mannheim/Friedrichshafen. Eigentlich ist es eine gute Nachricht: Der zweitgrößte deutsche Autozulieferer präsentiert ein Bündnis zwischen Führung, Betriebsrat und IG Metall, das das Herzstück von ZF Friedrichshafen im Konzern hält: Ein Verkauf der Antriebssparte „Division E“ wurde abgewendet. Zur dringend nötigen Sanierung der Kernsparte machen die Arbeitnehmer allerdings große Zugeständnisse. Ein klassischer Kompromiss also, bei dem jede Seite schmerzhafte Zugeständnisse macht. Für die Belegschaft von ZF Wabco in Mannheim aber sind die Zugeständnisse schmerzlicher als erwartet. Was die Einigung bedeutet:
Was genau wurde in dem Bündnis für mehr Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigungssicherung beschlossen?
Eine Ausgliederung der „Division E“, zugleich Herzstück und Sorgenkind des Konzerns, ist vom Tisch. Stattdessen soll die Sparte aus eigener Kraft wieder wettbewerbsfähiger werden. Zugleich sollten aber Partnerschaften für bestimmte Bereiche der Elektromobilität geprüft werden.
Was bedeutet das für die Beschäftigten der Sparte?
Management und Arbeitnehmervertreter einigten sich auf umfassende Sparmaßnahmen, die zu Kosteneinsparungen von über 500 Millionen Euro bis 2027 führen sollen. Bei der „Division E“, die nicht nur elektrische, sondern auch hybride Antriebe und Verbrenner entwickelt und produziert, wird bis 2030 der Abbau von 7.600 Arbeitsplätzen erwartet. Das soll aber kein zusätzlicher Jobabbau sein - sondern Teil des bereits kommunizierten Abbaus von 14.000 Stellen. Betriebsbedingte Kündigungen sollen vermieden werden, sind aber nicht ausgeschlossen. Es wird auf Altersteilzeit, Abfindungen und Vorruhestand gesetzt. Das Freiwilligenprogramm soll Mitte Oktober starten.
Und was heißt das für die Standorte der Division E?
Große Produktionsstätten gibt es am Stammsitz am Bodensee, in Saarbrücken und im bayerischen Schweinfurt. In der Antriebssparte sind weltweit etwas weniger als 30.000 Menschen beschäftigt, gut zwei Drittel davon in Deutschland. Für die Beschäftigten der „Division E“ in Deutschland sowie an den Standorten Schweinfurt und Friedrichshafen wird die wöchentliche Arbeitszeit bis Ende 2027 um in der Regel rund 7 Prozent reduziert. Dann wird nur noch 32,5 Stunden in der Woche gearbeitet, wie Personalvorständin Lea Corzilius mitteilte. Das führt zu Gehaltseinbußen. Der neue ZF-Vorstandschef Mathias Miedreich sagte: „Uns ist bewusst, dass der Weg dorthin mit harten Einschnitten für unsere Mitarbeitenden einhergeht.“
Müssen auch die Beschäftigten der anderen Divisionen einen Spar-Beitrag leisten?
Ja. So soll unter anderem die für April 2026 vorgesehene tarifliche Lohnerhöhung in Höhe von 3,1 Prozent auf Oktober verschoben werden. Außerdem fallen jährliche Sonderleistungen der Metallbranche weg, zum Beispiel das sogenannte Trafo-Geld, eine jährliche Zahlung in Höhe von 18,4 Prozent eines Monatsentgelts. Weiterhin werden tarifliche Bausteine in freie Zeit umgewandelt, sie können also nicht mehr ausgezahlt werden. Teilweise entfallen diese Bausteine auch in den kommenden Jahren. Diese Beiträge sollen zum Beispiel auch alle Mitarbeitenden der Nutzfahrzeuge-Sparte leisten, zu dem der ZF Wabco-Standort in Mannheim gehört.
Die Mannheimer Belegschaft hatte zuvor schon Einbußen zugestimmt, muss sie jetzt dennoch die Konzern-Einigung mittragen?
Teilweise schon. In Mannheim, wo vor allem Bremsen für Nutzfahrzeuge gebaut werden und sogar die Werkschließung im Raum stand, gilt seit einigen Monaten ein Zukunftsvertrag. Dieser schließt betriebsbedingte Kündigungen bis Ende 2030 aus. Daran wird auch nicht gerüttelt. „Für Standorte, die Vereinbarungen zur Beschäftigungssicherung haben, ändert sich nichts“, erklärte Helene Sommer, Erste Bevollmächtigte der IG Metall Friedrichshafen-Oberschwaben bei einer Pressekonferenz am Mittwoch. Allerdings fallen einige Themen laut Sommer nicht unter Vereinbarungen, wie sie Mannheim geschlossen hat. Das betrifft vor allem die Streichungen bei den tariflichen Sonderleistungen. Sie kommen jetzt noch zusätzlich auf die Mannheimer Belegschaft zu.
Was sagt die Mannheimer IG Metall dazu?
Während ZF-Gesamtbetriebsratschef Achim Dietrich betonte, der Deal sei „für uns völlig in Ordnung“, ist Thomas Hahl mit Blick auf das Mannheimer Werk deutlich kritischer: „Mannheim gibt mehr als andere Standorte außerhalb der Division E“, sagt der Geschäftsführer der IG Metall in Mannheim. Schließlich habe die Belegschaft schon weitreichende Zugeständnisse im Rahmen des Zukunftsvertrags gemacht. Sie verzichtet zum Beispiel auf Bonus-Zahlungen in diesem und dem kommenden Jahr. Und die sogenannte Steinkühler-Pause, eine Sonderpause für Akkord-Beschäftigte, werde nur noch zu Hälfte bezahlt. Beschlossen worden war für Mannheim auch, dass die im April 2026 anstehende tarifliche Lohnerhöhung vier Monate später kommt – immerhin jetzt zwei Monate früher als im übrigen Konzern.
Wie geht es nun weiter angesichts der unterschiedlichen Positionen in der Gewerkschaft?
Hahl hatte die Einigung am Standort verhandelt, die den Beschäftigten endlich Ruhe vor weiteren Sparmaßnahmen in Aussicht gestellt hatte. Bei den Gesprächen zu dem neuen Bündnis war Hahl nicht dabei. Dass seine IG Metall-Kollegen in Friedrichshafen jetzt zusätzliche Einschnitte für Mannheim in Kauf nehmen, bringt ihn in eine schwierige Lage.
Ob es nun Ärger in der Gewerkschaft und auch in der Mannheimer Belegschaft gibt, wollte Hahl aber nicht kommentieren. Man werde das intern besprechen und versuchen, im Sinne der Belegschaft zu klären. Ob Mannheim von den neuen Einschnitten dann vielleicht doch verschont bleibt, ist nicht abzusehen. (mit dpa)
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