Mannheim. Herr Hahl, Herr Suck - bei unserem letzten Gespräch in dieser Runde haben Sie als Tarifpartner heftig miteinander gestritten. Heute wollen Sie gemeinsam zu einem ganz anderen Thema Position beziehen . . .
Thomas Hahl: Bei der Gefahr von rechts sitzen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände in einem Boot. Es ist die Aufgabe von uns allen, die Demokratie zu verteidigen.
Arnd Suck: Die Botschaft ist, dass die lokalen Sozialpartner Toleranz und Vielfalt fördern. Die Wirtschaft braucht die freiheitlich-demokratische Grundordnung und ein stabiles Umfeld.
Wie gefährlich ist der Erfolg der AfD für die regionale Wirtschaft?
Suck: Wir machen unsere Vorbehalte an Inhalten fest. Was passiert denn, wenn wir nicht mehr in der EU sind? Wie will Deutschland dann weiter wirtschaftlich erfolgreich sein? Schließlich leben wir in einer globalisierten Welt. „Wer die AfD wählt, entscheidet sich für den Verlust des Wohlstands“, hat Daimler-Truck-Aufsichtsratsvorsitzender Joe Kaeser treffend gesagt. Die AfD bietet ja überhaupt keine Lösungen an, sondern nur puren Populismus. Daher wollen wir nicht erleben, dass die AfD politisch gestalten darf.
Hahl: Es gibt in der Mannheimer Metall- und Elektroindustrie nur noch wenige Betriebe mit Entscheidungsmacht vor Ort. Bei Konzernen wie ABB oder John Deere werden die Entscheidungen in den Zentralen im Ausland getroffen. Dort schreckt man vor weiteren Investitionen in deutsche Standorte wahrscheinlich zurück, je einflussreicher die AfD wird. Erst recht in Regionen wie im Osten, wo sie stärkste Kraft werden könnte. Dazu kommt der Fachkräftemangel - wir brauchen dringend Zuwanderung. Mannheim zum Beispiel ist eine sehr bunte Stadt. Wenn man in den Betrieben sagt „Ausländer raus“, stünde morgen die Produktion still.
Arnd Suck
- Der Jurist Arnd Suck (52) ist seit 2019 Geschäftsführer der Bezirksgruppe Rhein-Neckar-Odenwald des Arbeitgeberverbandes Südwestmetall. Die Bezirksgruppe sitzt in Mannheim.
- Seit mehr als 20 Jahren ist der gebürtige Weinheimer für den Metall-Arbeitgeberverband tätig.
- Suck ist verheiratet und hat drei Kinder.
Glauben Sie, dass ausländische Bewerber schon jetzt abgeschreckt werden?
Suck: Definitiv. Nehmen Sie die Bertelsmann-Studie: Bei hochqualifizierten Fachkräften aus dem Ausland ist Deutschland zuletzt in der Beliebtheit vom zwölften Platz 2019 auf den 15. Platz zurückgefallen. Zu den Kriterien, die hier eine Rolle spielen, zählt zum Beispiel auch, wie wohl sich ausländische Fachkräfte und ihre Familien bei uns fühlen. Glauben Sie, dass etwa eine IT-Fachkraft aus Indien im Moment gerne nach Deutschland kommen würde, wo sie fürchten muss, angepöbelt zu werden? Nein, stattdessen geht sie lieber nach Schweden oder in die Niederlande. Deutschland hat da inzwischen einen Standortnachteil.
Haben Sie den Eindruck, dass es auch in den Betrieben der Region verstärkt rechtspopulistische Strömungen gibt?
Hahl: Die Betriebe sind ein Spiegelbild der Gesellschaft, und es gibt natürlich auch Gewerkschaftsmitglieder, die AfD wählen. Davor sind wir nicht gefeit. Aber wir sagen ganz klar: Wenn zum Beispiel ein Gewerkschaftsmitglied wegen rechtsradikaler Parolen von einem Betrieb gekündigt wird, bekommt er von uns keinen Rechtsschutz.
Thomas Hahl
- Seit Mai 2020 ist Thomas Hahl (53) Erster Bevollmächtigter der IG Metall Mannheim.
- Der gebürtige Mannheimer lernte Dreher bei BBC, ab 1998 arbeitete er hauptamtlich als Gewerkschaftssekretär bei der IG Metall. 2016 rückte er zum Zweiten Bevollmächtigten auf.
- Hahl ist verheiratet, hat eine Tochter und einen Enkel.
Obwohl der drohende Schaden immens ist: In der deutschen Wirtschaft wurde - bis auf wenige Ausnahmen - lange geschwiegen zu den Gefahren durch Rechtspopulisten . . .
Suck: Die Unternehmen, die sich geäußert haben, waren aber sehr klar. Es gibt in den Betrieben null Toleranz gegenüber rechter Demagogie, Antisemitismus und Hass.
Trotzdem beziehen viele Konzerne erst jetzt - nach den großen Demonstrationen - nach und nach öffentlich Position.
Hahl: Vielleicht war das Potsdamer Treffen von Rechtsextremen, so schlimm es war, ein Weckruf.
Suck: Ja, mit den Plänen zur Vertreibung von Millionen Menschen mit Zuwanderungsgeschichte aus Deutschland ist eine rote Linie überschritten worden. Mein Gefühl ist, dass die Firmen bei dem Thema inzwischen schon sensibilisiert sind: Letzte Woche ging es fast in jedem Telefonat, das ich geführt habe, um den Umgang mit diesem Thema.
Hahl: Es ist jetzt sicher Aufgabe von uns Tarifparteien, in die Betriebe stärker hineinzutragen, wie gefährlich die AfD und Rechtspopulismus für die Arbeitsplätze in Deutschland sind. Deshalb wäre es gut, wenn auf Betriebsversammlungen nicht nur die Gewerkschaft, sondern auch der Betriebsrat und die Geschäftsleitung öfter gemeinsam klar machen würden, dass rechte Hetze den Unternehmen schadet - und von ihnen nicht gebilligt wird.

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Warum konnte die AfD überhaupt so stark werden?
Suck: Nehmen wir als Beispiel den Mannheimer Norden - eine tiefrote SPD-Hochburg, bis 2016 der AfD-Kandidat für die Landtagswahl das Direktmandat holte. Waren das alles überzeugte AfD-Anhänger? Ich glaube nicht. Da schwang sicher viel Enttäuschung über die Politik mit. Auch heute suchen die Menschen wegen der vielen Krisen Sicherheit - die demokratischen Parteien bieten ihnen momentan aber gefühlt keine. Gerade in der Ampel-Koalition fehlt mir die Abgestimmtheit. SPD, Grüne und FDP reden nicht mit einer Stimme.
Hahl: Die Bundesregierung muss an sich arbeiten, die Kommunikation ist mangelhaft. Die Menschen wollen eingebunden werden. Sie wollen erklärt haben, warum welche Entscheidung getroffen worden ist. Aber auch die Opposition bekleckert sich nicht mit Ruhm: Sie ist immer nur dagegen, ohne konstruktive Impulse zu setzen. Das alles hat die AfD vermutlich gestärkt. Aber auch die Gesellschaft hat sich sehr verändert, „Politiker“ ist mittlerweile zum Schimpfwort geworden.
Was könnte man dagegen tun?
Hahl: Wir dürfen nicht nur meckern, sondern müssen mitgestalten! Deshalb hat sich die IG Metall mit Blick auf die anstehende Kommunalwahl dafür eingesetzt, dass sich mehr Arbeitnehmervertreter aufstellen lassen. Auch Bildungsarbeit und Aufklärung ist wichtig. Wir organisieren zum Beispiel mit der IG Metall Jugend regelmäßig Fahrten nach Dachau. Wir müssen aus der Geschichte lernen: Die ersten, die ins Konzentrationslager kamen, waren politische Gegner: Gewerkschafter, Kommunisten, Sozialdemokraten.
Suck: Aus meiner Sicht muss auch die Ampel-Koalition endlich erkennen, dass sie jetzt aktiv werden muss bei den Themen, die die Menschen in unserem Land beunruhigen. Dazu gehört eine konsequente Ordnung des Themas Migration, aber etwa auch eine gelingende Energiewende, die Bürger und Betriebe nicht überfordert.
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