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Welche Geschichten das Mannheimer LBBW-Gebäude erzählt

Götter und Großraumbüros: Die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) verlässt ihren Sitz an der Mannheimer Augustaanlage. Der Pracht-Bau verkörpert ein Stück Wirtschaftsgeschichte

Von 
Waltraud Kirsch-Mayer
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1929 zog das LBBW-Vorläuferinstitut in die Augustaanlage. Errichten ließ den beeindruckenden Bau die Oberrheinische Versicherungs-Gesellschaft. © Christoph Blüthner

Mannheim. Mannheim. Gebäude erzählen Geschichten. Dies gilt auch für die anno 1911 feierlich übergebene und seitdem in rotem Sandstein strahlende Nobel-Immobilie an Mannheims Stadtentree, der Augustaanlage. Das imposante Schmuckstück mit Jugendstilelementen hat die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) an die Landmarken AG verkauft. Wer dies zum Anlass nimmt, in die Historie einzutauchen, stößt auf Erstaunliches: Es war keineswegs ein Geldinstitut, vielmehr die Oberrheinische Versicherungs-Gesellschaft, die den Prachtbau in Auftrag gab und 18 Jahre nutzte - ehe die Wirtschaftskrise Ende der 1920er zum Verkauf zwang.

Mannheim als bedeutende Bankenstadt

Damit ist auch das Rätsel gelüftet, warum in Mannheims Oststadt, dem ab 1900 gewachsenen Wohnviertel des Großbürgertums, ein Bankhaus residiert. Üblicherweise wählten Geldinstitute damals einen Standort innerhalb der Quadrate. Andreas Schenk, Stadthistoriker am Marchivum, führt aus, dass sich im 19. Jahrhundert der Aufschwung Mannheims zur bedeutenden Handels- wie Industriestadt vollzog, und Geldhäuser mit Krediten nicht nur das Unternehmertum förderten, sondern von dem Entwicklungsschub selbst profitierten. „Mannheim wurde zur bedeutenden Bankenstadt, was sich auch in der Architektur niederschlug“, so Schenk. Bereits um 1870, aber vor allem um 1900 entstanden „wahre Bankpaläste“, so der Stadthistoriker und nennt als Beispiel in B 4 am Schillerplatz die Rheinische Creditbank. Von ihr ist aber nur noch der „schöne Rücken“ des einstigen Tresorbaus erhalten.

Am Eingang des Bankgebäudes wachen Merkur, der Gott des Handels, und Providentia, die Göttin der Voraussicht. © Christoph Blüthner

Hingegen kündet das in D 4 anno 1896 für die Süddeutsche Bank errichtete Gebäude bis heute von der aufstrebenden Wirtschaft. Bezeichnenderweise zählten zu den Gründern dieses Geldhauses der Direktor der Mannheimer Eichbaum-Brauerei, ein Repräsentant vom Verein Chemischer Fabriken und ein Ludwigshafener Ziegelfabrikant. Inzwischen trägt das von der Neurenaissance geprägte Gebäude den Spitznamen „Bank der kleinen Leute“ - weil in dem wunderbar restaurierten Sandstein-„Palazzo“ das städtische Leihamt untergebracht ist. Auch ohne die Absicht, einen Pfandkredit abzuschließen, lohnt sich ein Blick in die eindrucksvolle Schalterhalle.

Kaufpreis 1,1 Millionen Reichsmark

Zurück zu dem Bank-Haus, das als Versicherungsgeschäftshaus begann, ehe die „Oberrheinische“ bei einer Fusion geschluckt wurde. Dass die in den Quadraten wenig repräsentativ untergebrachte Badische Sparkassen-Girozentrale 1929 in die Nobel-Immobilie umzog, war keinesfalls selbstverständlich. Schließlich zeigten sich die eine Hochschule planende Stadt sowie die Evangelische Kirche, die ihre Außenstellen vereinen wollte, ebenfalls interessiert. Letztlich machte das Vorläuferinstitut der LBBW das Rennen. Kaufpreis: 1,1 Millionen Reichsmark. Fortan residierten am Haupteingang Merkur als Gott des Handels und Providentia als Göttin der Voraussicht zu Ehren der Bank.

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Wer schlagzeilenträchtigen Streit bei Architektenwettbewerben, beispielsweise um die Konzerthalle in München, für ein aktuelles Phänomen hält, der irrt. Bei dem von der „Oberrheinischen“ ausgelobten Wettbewerb wurde zwar ein Sieger gekürt, gleichwohl übernahm ein Mitglied des Preisgerichts die Planung des Verwaltungsgebäudes, das sich „vornehm“, aber „ohne Protzerei“ präsentieren sollte - nämlich Architektur-Professor Josef Durm. Von ihm stammen auch die Entwürfe der Universitätsbibliothek in Heidelberg und des Erbgroßherzoglichen Palais in seiner Heimatstadt Karlsruhe, seit 1950 Sitz des Bundesgerichtshofs (BGH).

Hohe Kostenvoranschläge

Zum Konzept des Mannheimer Versicherungs-Domizils gehörten die inzwischen wieder modernen Großraumbüros. Hingegen reibt man sich ob der herrschaftlichen Direktoren-Wohnung mit zehn Zimmern heutzutage erstaunt die Augen. Dafür kommt einem massives Überschreiten von Kostenvoranschlägen bekannt vor - was Architekt Durm bei der Einweihung als „so alt wie die Baugeschichte selbst“ bezeichnete.

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Zeitsprung: Merkur und Providentia vermochten nicht zu verhindern, dass 1943 Bomben erst das Dachgeschoss und später die Umfassungsmauern des ausgebrannten Westtraktes zerstörten. Behelfsmäßige Reparaturen nahmen Amerikaner vor, die das Gebäude als Dienststelle nutzten. Die Rückgabe erfolgte im Frühjahr 1948 - und damit einige Monate vor Einführung der D-Mark. Bleibt noch zu erwähnen, dass nach dem 1950 abgeschlossenen Wiederaufbau mit Glaskuppel statt Türmchen auf dem Dach bereits sieben Jahre später ein neuer Querflügel entstand.

„Kunstwerke bleiben erhalten“

Freilich gehört die jahrzehntelang herausfordernde Platznot angesichts veränderter Arbeitsabläufe, beispielsweise Homeoffice, der Vergangenheit an. Weshalb die LBBW ihr Prunkgebäude mit teilweise ungenutzten Flächen verkauft hat und in den Victoria-Turm auf dem Lindenhof zieht - aber erst 2025. Solange bleibt die Landesbank Mieter am vertrauten Standort. Und was passiert mit den gesammelten Kunstwerken, zu denen beispielsweise Gemälde von Jörg Immendorff oder Petra Lemmerz gehören? Dazu ein LBBW-Sprecher: „All diese Kunstwerke bleiben weiterhin erhalten.“ Ein Großteil solle zwischengelagert werden. Für die Präsentation von Kunstexponaten im Viktoria-Turm erarbeite man gerade ein Konzept.

Freie Autorin

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