Absicherung im Alter

Warum Witwenrenten oft bescheiden ausfallen

Stirbt der Partner müssen Menschen oft nicht nur ohne ihn, sondern auch mit weniger Geld leben. Die Hinterbliebenenversorgung ist kompliziert und häufig enttäuschend niedrig - das sind die Gründe

Von 
Dieter Keller
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Die Witwen- oder Witwerrente soll besonders Menschen ohne eigene Rentenansprüche absichern. © Christin Klose/dpa

Mannheim. Auch im Alter noch zahlreiche Jahre gemeinsam zu verbringen, ist die Hoffnung vieler Paare. Doch immer wieder erfüllt sich dies nicht, und dann muss der überlebende Partner neben dem Schmerz auch mit deutlich weniger Geld auskommen. Denn die Hinterbliebenenrente fällt häufig eher bescheiden aus - niedriger als mancher erwartet. Umgangssprachlich ist immer noch meist von der Witwenrente die Rede, schon weil sie deutlich mehr Frauen bekommen, kein Wunder angesichts ihrer höheren Lebenserwartung.

Auch in diesem Beitrag wird der Begriff meist verwendet, obwohl für Witwerrenten die gleichen Regeln gelten. Und die sind so kompliziert, dass hier nur ein Überblick möglich ist. Schon der Rentenantrag ist so schwierig und umfangreich, dass gerade Ältere oft überfordert sind, so die Erfahrungen des freien Rentenberaters Peter Pfeifer-Petz aus Mannheim. Bei ihm entfielen etwa 20 Prozent seiner Beratungen auf die Hinterbliebenenrente. Wichtige Fragen und Antworten zum Thema:

Wer bekommt überhaupt eine Witwenrente?

Der überlebende Ehe- oder Lebenspartner. Eine eingetragene Lebenspartnerschaft wird genauso behandelt wie eine Ehe. Wurde sie ab 2002 geschlossen, muss sie mindestens ein Jahr lang bestanden haben. Reine „Versorgungsehen“ sollen nicht begünstigt werden. Ausnahme: Stirbt der Partner unerwartet, etwa bei einem Unfall, gibt es auch bei kürzerer Dauer Hinterbliebenenrente.

Männer profitieren weniger von der Hinterbliebenenrente

  • Die Hinterbliebenenrenten machen einen erheblichen Anteil der Rentenzahlungen aus: 2022 entfielen auf sie mit 46,5 Milliarden Euro über 14 Prozent der insgesamt 323 Milliarden Euro.
  • In diesem Jahr gab es nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung Bund 4,5 Millionen Bezieherinnen von Witwenrente, die im Schnitt 734 Euro im Monat bekamen.
  • Die 736 000 Empfänger von Witwerrente erhielten durchschnittlich 402 Euro. Die Zahlen spiegeln wider, dass immer noch Männer höhere Einkünfte haben und weniger von der Hinterbliebenenrente profitieren.
  • Neu hinzu kamen 2022 insgesamt 286 000 Witwen- und 86 800 Witwerrenten. dik

 

Wer dagegen ohne Trauschein zusammenlebt, geht leer aus. Zudem muss der Verstorbene mindestens fünf Jahre in die Rentenversicherung einbezahlt haben. Heiratet die oder der Hinterbliebene erneut, fällt die Rente weg. Möglich ist aber eine Abfindung - auf Antrag. Der ist bei jeder Hinterbliebenenrente nötig, auch wenn der Verstorbene schon Rente bezogen hat.

Wie hoch fällt die Hinterbliebenenrente aus?

In jungen Jahren sehr bescheiden: Die „kleine Witwenrente“ beträgt nur 25 Prozent der Rente, auf die der Partner Anspruch gehabt hätte, und sie wird auch nur zwei Jahre lang bezahlt. Denn es wird angenommen, dass sich Jüngere nach einer Übergangszeit selbst versorgen können. Die Altersgrenze wird stufenweise auf 47 Jahre erhöht; bei Verstorbenen in diesem Jahr liegt sie bei 46 Jahren und zwei Monaten. Die kleine Witwenrente ist ziemlich selten: Ende 2022 wurde sie an 1600 Witwen und 270 Witwer gezahlt.

Wie funktioniert die „große Witwenrente“?

Sie erhält, wer älter ist oder noch ein Kind unter 18 Jahren erzieht oder erwerbsgemindert ist. Im Jahr 2002 gab es eine Reform. Seither beträgt die „große Witwenrente“ 55 Prozent der Rentenansprüche des Partners. Nach dem alten Recht gab und gibt es 60 Prozent. Es gilt weiterhin, wenn der Partner vor dem 1. Januar 2002 gestorben ist oder bei späteren Todesfällen, wenn die Ehe aber vor diesem Stichtag geschlossen und einer der Partner vor dem 2. Januar 1962 geboren wurde. Einen Vorteil hat das neue Recht: Es gibt einen Kinderzuschlag, wenn der Hinterbliebene ein Kind bis zum dritten Lebensjahr erzieht. Nach den Erfahrungen von Rentenberater Pfeifer-Petz kommt nach dem neuen Recht häufig gar kein Rentenanspruch mehr heraus, weil eigenes Einkommen angerechnet wird.

Wie funktioniert die Einkommensanrechnung?

Hauptsinn der Hinterbliebenenrente ist es, Ehepartner ohne eigene Rentenansprüche abzusichern - Stichwort „Nur-Hausfrauen“. Daher wird eigenes Einkommen angerechnet, sprich die Rente wird gekürzt. Nach neuem Recht werden nicht nur das eigene Gehalt oder die eigene gesetzliche Rente berücksichtigt, sondern auch beispielsweise Miet- und Pachteinnahmen, private Betriebs- und andere Renten sowie Zins- und Kapitaleinkünfte.

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Die Rechnung ist kompliziert. Zunächst wird von allen eigenen Einkünften ein Freibetrag abgezogen. Seit dem 1. Juli 2023 beträgt er in West und Ost einheitlich 993 Euro. Vom Gehalt werden 40 Prozent abgezogen, um pauschal die Abzüge für Steuer und Sozialversicherung zu berücksichtigen, von der eigenen Rente 14 Prozent. Bei anderen Einkünften gelten andere Sätze.

Was bedeuten diese Regeln in der Praxis?

In den ersten drei Monaten nach dem Tod des Ehepartners bekommt der/die Überlebende immer die volle Hinterbliebenenrente ohne Abzüge. Für die Zeit danach hat die Deutsche Rentenversicherung für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ drei Beispiele ausgerechnet. Sie zeigen, warum von der „kleinen Witwenrente“ häufig gar nichts übrigbleibt: Selbst wenn der Verstorbene Anspruch auf 1500 Euro im Monat hatte, wären 25 Prozent davon nur 375 Euro. Die werden schon bei 2000 Euro Nettoeinkommen der Witwe nach Abzug der Freibeträge voll aufgefressen. Anders sieht es bei der „großen Witwenrente“ aus: Da bleiben in diesem Fall unterm Strich 422,20 Euro übrig.

Wenn beide Ehepartner schon in Rente sind und jeweils 1200 Euro im Monat bekommen, beträgt die Witwenrente nach neuem Recht 660 Euro. Hat die Überlebende daneben keine weiteren Einkünfte, wird von der eigenen Rente kaum etwas angerechnet. Unterm Strich bleiben 644,60 Euro Witwenrente - zusätzlich zu den eigenen Bezügen von 1200 Euro.

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In der dritten Beispielrechnung hatte der verstorbene Ehepartner 2300 Euro Rente und der überlebende 800 Euro. Da dies unter dem Freibetrag von 985 Euro liegt, wird nichts angerechnet. Heraus kommen 1265 Euro Witwenrente. Anders sieht es im umgekehrten Fall aus: Verstirbt als erstes der Partner mit der geringeren Rente, hätte der Überlebende 440 Euro Witwenrente - wenn die eigene Rente nicht angerechnet würde. Tatsächlich bleiben nur 46 Euro übrig - zusätzlich zu 2300 Euro eigener Rente.

Welche Reformdiskussionen gibt es?

Schon lange gibt es die Möglichkeit des Rentensplittings, und zwar für Paare, die ab 2002 geheiratet haben: Haben beide Partner mindestens 25 Versicherungsjahre, können sie ihre Rentenansprüche, die sie von der Heirat bis zur Regelaltersgrenze erreicht haben, gleichmäßig unter sich aufteilen. Interessant ist das nach Angaben der Rentenversicherung insbesondere, wenn die Witwe oder der Witwer ein Kind erzogen haben, weil sie dann Anspruch auf eine Erziehungsrente haben können. Diese Möglichkeit wird eher selten genutzt, Rentenberater Pfeifer-Petz hatte in den letzten zehn Jahren nur einen einzigen Fall. Er hält das Splitting in der Regel für unattraktiv.

Die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer hat für Aufregung gesorgt mit der Forderung, das Rentensplitting obligatorisch zu machen, also die heutige Witwenrente langfristig abschaffen, so die Ökonomin. Denn sie reduziere die Anreize, eine eigene Beschäftigung aufzunehmen. In der Politik hat dies allerdings wenig Resonanz gefunden. Rentenberater Pfeifer-Petz fällt ein härteres Urteil: „Wenn man ehrlich ist, hat die Hinterbliebenenrente keine Zukunft“. Die Bundesregierung solle bei dem Thema so ehrlich sein zu sagen: Versichert euch privat.

Wo kann ich mich bei Fragen informieren?

Die Hinterbliebenenrente ist sehr kompliziert. Viele Details können hier nicht dargestellt werden. Dazu gehört etwa, dass es auch nach einer Scheidung unter bestimmten Umständen noch Anspruch auf Witwenrente gibt. Hilfe bieten freie Rentenberater sowie kostenlos die Auskunfts- und Beratungsstellen der Deutschen Rentenversicherung. Hier sollte vorab ein Termin vereinbart werden.

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