Die Baden-Württemberger müssen immer länger auf ihren Steuerbescheid warten. Im bundesweiten Vergleich sind die Finanzämter im Südwesten besonders langsam. Im letzten Jahr brauchten sie im Schnitt 54 Tage für die Bearbeitung; 2021 waren es nur 46 Tage. Das Stuttgarter Landesfinanzministerium macht auch keine Hoffnungen auf Besserung, im Gegenteil: „Man kann tendenziell davon ausgehen, dass sich die durchschnittliche Durchlaufzeit bis zum Ende des Jahres noch verlängert“, sagte eine Sprecherin dieser Redaktion. Das liegt nicht nur an immer komplizierteren Gesetzen, sondern auch an der Zusatzbelastung durch die Grundsteuer und die Energiepreispauschale. Dabei lohnt sich meist die Abgabe einer Steuererklärung: Für 2019 bekamen bundesweit 12,7 Millionen Steuerpflichtige eine Erstattung, im Schnitt 1095 Euro, so die Zahlen des Statistischen Bundesamts.
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Im Vergleich der Bundesländer belegten die baden-württembergischen Finanzämter 2022 bei den Laufzeiten nur Platz 13. Immerhin eine Verbesserung: Im Jahr zuvor war es Rang 14. Den Spitzenplatz verteidigte ein Land, das eigentlich bei der Bürokratie einen besonders schlechten Ruf hat: Die Finanzbeamten in Berlin waren mit 40 Tagen bei den Steuererklärungen für das Jahr 2021 am schnellsten. Das waren allerdings auch sieben Tage mehr als im Jahr zuvor, ergab eine Umfrage des Bunds der Steuerzahler. Am längsten brauchen die Beamten in Bremen mit 62 Tagen.
Sinsheim am schnellsten im Land
Auch innerhalb von Baden-Württemberg gibt es große Unterschiede. Das zeigt die Liste aller 63 Finanzämter im Land, die unserer Zeitung vorliegt; als Erste hatte die Südwest Presse in Ulm darüber berichtet. Danach ist das Finanzamt Sinsheim mit nur 34,4 Tagen Bearbeitungszeit der Spitzenreiter. Beim Schlusslicht Villingen-Schwenningen dauert es mit 79,1 Tagen mehr als doppelt so lang. Schon innerhalb einer Stadt können die Unterschiede groß sein. So ist das Finanzamt Mannheim-Stadt mit 49,8 Tagen deutlich schneller als die Kolleginnen und Kollegen in Mannheim-Neckarstadt mit 58,2 Tagen. Die Statistik bezieht sich auf Steuererklärungen für das Jahr 2021, die bis einschließlich November 2022 bearbeitet wurden. Die Bearbeitungszeit dürfte sich noch verlängern, weil die komplexeren Fälle erst noch kommen.
Steuererklärung
Ergebnis der Steuererklärung muss nicht immer eine Erstattung sein.
1,5 Millionen Steuerpflichtige mussten für das Jahr 2019 eine Nachzahlung leisten, im Schnitt 1194 Euro.
Hohe Summen über 5000 Euro trafen nach Angaben des Statistischen Bundesamts allerdings nur drei Prozent.
Wer mit einer Nachzahlung rechnet, kann sich mit der Abgabe der Steuererklärung Zeit lassen – in diesem Jahr bis zum 2. Oktober, wenn sie selbst gemacht wird.
Im nächsten Jahr ist der Stichtag allertdings einen Monat früher. dik
Personalmangel und der Krankenstand können bei einem Amt die Bearbeitungszeiten in die Höhe treiben, gesteht der Landesvorsitzende des Steuerzahlerbunds, Eike Möller, zu. Es gebe aber Ämter, die dauerhaft immer länger brauchten. „Gegen diesen Missstand gilt es entschieden vorzugehen.“
Das Landesfinanzministerium nennt mehrere Gründe für die steigenden Laufzeiten: Wegen Corona haben sich die Abgabetermine immer weiter nach hinten verschoben. Es gibt daher noch besonders viele Altfälle, die erst einmal abgearbeitet werden müssen. Zudem sorgte die Pandemie auch dafür, dass immer mehr Bürger eine Steuererklärung abgeben müssen, etwa wegen der Abrechnung des Kurzarbeitergelds. Wegen der schwierigen wirtschaftlichen Lage stellen mehr Steuerzahler Anträge auf niedrigere Vorauszahlungen oder auf Steuerstundung. Auch fordert das komplizierte Steuerrecht Tribut: Die Steuerfälle werden immer komplexer und zeitaufwendiger. So müssen die Finanzämter jetzt die Energiepreispauschale abarbeiten. Zusammen mit Zusatzaufgaben wie der Grundsteuerreform werde das „die ohnehin sehr angespannte Personalsituation in den Finanzämtern“ noch verschärfen, so das Ministerium.
Wenig bringt offenbar, dass immer mehr Steuererklärungen automatisiert bearbeitet werden, wundert sich der Steuerzahlerbund Baden-Württemberg: Im letzten Jahr waren es 16,5 Prozent aller Steuerfälle; 2021 erst 15,1 Prozent. Bei diesem „Autofall“ kommt der Bescheid in der Regel schon nach zehn bis zwölf Tagen. Die elektronische Abgabe der Steuererklärung über Elster verkürzt die Laufzeit nur um ein bis zwei Arbeitstage, weil die Daten nicht mehr manuell erfasst werden müssen.
Nach sechs Monaten nachfragen
Es gibt keine maximale Bearbeitungszeit für die Finanzämter. Experten empfehlen, nach sechs Monaten nachzufragen, wenn sich nichts tut. Wer übrigens besonders lange auf seine Steuerrückzahlung warten muss, dem winken Zinsen: Das Finanzamt muss sie nach 15 Monaten nach Ablauf des Kalenderjahrs zahlen. Allerdings sind es seit 2019 nur noch 1,8 Prozent im Jahr und nicht mehr sechs Prozent wie zuvor. Der gleiche Satz wird für Steuernachzahlungen fällig.
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