Mannheim. Herr Spagerer, wie läuft derzeit das Geschäft der Energieberater?
Timo Spagerer: Es ist ziemlich Land unter. Zum einen ist die Nachfrage hoch. Zum anderen übernehmen viele Energieberater den Antrag von Förderungen beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa). Das ist schon seit zwei Jahren chronisch überlastet. Da stauen sich die Anträge, und die Berater müssen zusehen, dass sie bearbeitet wer-den.
Wann muss ich als Immobilienbesitzer unbedingt einen Energieberater einschalten?
Spagerer: Wenn Sie eine Förderung von Bund haben wollen. Ausnahme: Sie brauchen keinen Energieberater vorab, wenn Sie nur die Heizung erneuern lassen, sprich Fernwärmeanschluss, Wärmepumpe, Pelletkessel, also alles, was förderfähig ist. Wenn es dagegen um eine Gebäudedämmung geht, benötigen Sie den Berater vor dem Start der Maßnahmen. Er muss dem Bafa bestätigen, dass die geplanten Maßnahmen förderfähig sind. Außerdem ist ein Berater nötig, wenn Sie einen Energieausweis fürs Vermieten oder Verpachten einer Immobilie brauchen.
Woran merke ich, dass ein Energieberater geprüft und zugelassen ist?
Spagerer: Am ehesten daran, dass er in der offiziellen Energieberaterliste des Bundes im Internet gelistet ist. Da reicht die Postleitzahl, und mit der Umkreissuche findet man die Energieberater in der Umgebung. Die sind für Förderanträge ebenso zugelassen wie für Sanierungsfahrpläne oder Energieausweise.
Gibt es auch Punkte, wo es zwar nicht vorgeschrieben ist, einen Energieberater einzuschalten, aber empfehlenswert?
Spagerer: Ja. Bei Maßnahmen der energetischen Sanierung eines Gebäudes, insbesondere, wenn sie umfassend sind, würde ich auf jeden Fall einen Energieberater einschalten. Der erstellt einen Sanierungsfahrplan. In ihm stehen Empfehlungen, welche Maßnahmen in den nächsten Jahren und Jahrzehnten sinnvoll wären und in welcher Reihenfolge. Daran muss man sich nicht halten, aber es ist eine klare Handlungsempfehlung. Bei einer Heizungssanierung wäre es auch sinnvoll, vorab mit einem Energieberater zu sprechen und eine Heizlastberechnung machen zu lassen. Wie viel Energie brauche ich für mein Haus, um es im Winter warm zu haben?
Neigen Heizungsinstallateure zu überdimensionierten Anlagen?
Spagerer: Zumindest war es in der Vergangenheit oft so, dass großzügig geplant wurde - Hauptsache es wird warm. Das Ende vom Lied ist, dass fast alle Heizungen, die 20 oder 30 Jahre alt sind, eigentlich überdimensioniert sind. Entsprechend hoch sind die Wärmeverluste.
Energie-Fachmann
- Timo Spagerer (50) ist Bafa-geprüfter Energieberater.
- Der Geograf arbeitet bei der gemeinnützigen Klimaschutzagentur Mannheim, die von der Stadt Mannheim (51 Prozent), der MVV Energie (40 Prozent) und der Wohnungsbaugesellschaft GBG (neun Prozent) getragen wird.
- Sie arbeitet mit der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg zusammen.
Kommt der Energieberater morgen, wenn ich ihn heute anrufe?
Spagerer: Wir wissen nicht genau, wie es bei allen Beratern aussieht. Aber nach unseren Erfahrungen kann die Wartezeit doch ein paar Monate betragen.
Und was kostet das Ganze?
Spagerer: Das hängt davon ab, was der Energieberater leistet. Es gibt keine amtliche Gebührentabelle, aber die Preise sind schon sehr ähnlich. Die Bestätigung für das Bafa kostet etwa 500 Euro. Bei Sanierungsfahrplänen gibt es eine gewisse Spanne. Da das Bafa 80 Prozent der Kosten übernimmt, bleiben auch da im Allgemeinen 500 bis 600 Euro übrig. Beim Energieausweis ist mit 500 bis 1000 Euro zu rechnen.
Das neue Gebäudeenergiegesetz sollte schon Anfang Juli beschlossen werden. Jetzt passiert das voraussichtlich im September. Was halten Sie von den geplanten Regelungen?
Spagerer: Der Grundgedanke ist sinnvoll, sich unabhängiger von fossilen Energieträgern zu machen. Aber die Kommunikation der Bundesregierung hätte definitiv besser laufen müssen. Da gab es wilde Gerüchte, ab 2024 seien Öl und Gas komplett verboten, und auch bestehende Heizungen müssten abgeschaltet werden. Dabei war das nie geplant.
Und inhaltlich?
Spagerer: Da kennt man noch gar nicht alle Details. Inhaltlich geht es in die richtige Richtung. Aber man hätte die Betroffenen mehr mitnehmen müssen. Da heißt es, ab nächstem Jahr seien bei neuen Anlagen 65 Prozent erneuerbare Energien Pflicht, und wir Energieberater fragen uns, was wir unseren Kunden raten sollen. Mit herkömmlichen Heizsystemen sind 65 Prozent Erneuerbare nicht einfach zu realisieren. Biogas, Photovoltaik und Solarwärme können hier helfen. Dagegen würde ich abraten, auf Wasserstoff zu warten. Im Gesetz gibt es viele Übergangsfristen. Das macht es einfacher. Außerdem muss man sehen, welche Förderungen es geben wird. Bisher ist viel angekündigt. Im Moment hilft nur, noch ein bisschen abzuwarten.
Wie schlecht ist es, dass das Gesetz erst im Herbst verabschiedet wird?
Spagerer: Wenn ich mir ansehe, was wir im Moment für Lieferzeiten bei Wärmepumpen und sonstiger Technik haben und welchen Handwerkermangel, kommt es auf ein paar Monate nicht wirklich an.
Was raten Sie jemandem, der noch eine alte Heizung hat, die funktioniert: abwarten oder schnell erneuern?
Spagerer: Nicht überstürzt handeln, sondern einen kühlen Kopf bewahren. Wie so oft bewahrheitet sich das Sprichwort: Es wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Eine funktionierende Heizung würde ich erst einmal laufenlassen. Wenn das Gesetz am 1. Januar 2024 in Kraft tritt, gibt es Übergangsfristen. In Großstädten kommt die Wärmeplanung, die in Baden-Württemberg bis Ende dieses Jahres vorgelegt werden soll. In Mannheim beispielsweise will die MVV im Herbst verkünden, wo sie die Fernwärme ausbauen will. Das wird natürlich nicht schon in ein, zwei Jahren realisiert.
Würden Sie auf Fernwärme warten?
Spagerer: Wenn meine Heizung in diesem Jahr kaputt geht, hilft mir Fernwärme in ein paar Jahren nichts. Aber grundsätzlich würde ich schon sagen: Wenn man die Möglichkeit hat, sich an die Fernwärme anschließen zu lassen, sollte man das auch nutzen. Selbst wenn sie in Mannheim noch stark auf Steinkohle basiert. Das soll sich bis 2030 ändern - und das ist nicht das Problem des Hausbesitzers.
Bei Neubauten ist die Wärmepumpe erste Wahl.
Viele Gemeinden im Umland haben keine Fernwärme. Was ist dort der Königsweg?
Spagerer: Den gibt es nicht. Das hängt vom Einzelfall ab. Bei Neubauten ist die Wärmepumpe erste Wahl. Aber bei Altbauten kann man nie pauschal sagen, ob das Gebäude dafür geeignet ist. Eine Wärmepumpe kann durchaus wirtschaftlich sein, selbst wenn es keine Fußbodenheizung gibt und keine besonders gute Heizung. Genau da kommt der Energieberater ins Spiel. Er muss genau schauen, ob es wirtschaftlich möglich ist. Wenn nicht, muss man weitersehen. Eine Pelletheizung kann eine Alternative sein, auch wenn die nicht nur vorteilhaft ist.
Wird zu viel nur auf die Heizung geschaut?
Spagerer: Ja. Energiesparen ist immer noch eine der sinnvollsten Sachen. So platt es klingt: Die Energie, die ich durch Energiesparmaßnahmen nicht verbrauche, muss ich auch nicht bezahlen. Wichtig ist daher der Zustand der Gebäudehülle. Dämmung von Dach und Fassade oder Fenstertausch sind in den letzten eineinhalb Jahren etwas stiefmütterlich behandelt worden. Leider sind solche Maßnahmen nicht besonders günstig, und auch da sind die Handwerker rar. Bei einer bestehenden Heizung sollte man sehen, ob sie zu optimieren ist. Da gibt es viele Möglichkeiten wie eine Nachtabsenkung, Heizkurvenoptimierung und vor allem den hydraulischen Abgleich. Alleine mit solchen Maßnahmen, die viel weniger kosten als eine komplette Außenwanddämmung, sind fünf bis 15 Prozent Energieeinsparung möglich. Ich empfehle außerdem, die Anleitung der Heizung genau durchzulesen und sich gewissermaßen selbst zum Experten zu machen.
Wie groß ist die Gefahr, dass Leute mit kleinerem Einkommen durch Auflagen überlastet werden?
Spagerer: Die ist zweifellos da. Auch wenn es eine Förderung von 40 oder 50 Prozent gibt, muss der Rest finanziert werden.
Was raten Sie da als Energieberater?
Spagerer: Zeitlich strecken macht in jedem Fall Sinn. Der Sanierungsfahrplan zeigt auf, in welchem zeitlichen Rahmen die Maßnahmen zu strecken sind, damit am Ende ein energieeffizientes Haus dasteht. Ich gehe davon aus, dass es im Gesetz entsprechende Wirtschaftlichkeitsklauseln geben wird.
Bei der Förderung von Sanierungen gibt es mehrere Wege: KfW-Kredite, Zuschüsse der Bafa, die steuerliche Förderung. Was bringt am meisten?
Spagerer: Bei Einzelmaßnahmen gibt es die Wahl zwischen Bafa-Zuschüssen und der Einkommensteuer. Die Bafa-Zuschüsse sind für mich die erste Wahl. Für die Gebäudehülle gibt es mit Sanierungsplan 20 Prozent, und zwar auf einmal und nicht über drei Jahre verteilt wie beim Absetzen von der Steuer. Bei den Heizanlagen sind derzeit bis zu 40 Prozent möglich. Im Stadtgebiet Mannheim gibt es außerdem kommunale Zuschüsse.
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