Bildung und Gesundheit

Warum Studis bei SRH in einem Gefängnis lernen

Der Heidelberger SRH-Konzern will laut Vorstandschef Christof Hettich neue Wege in der Lehre gehen und setzt dabei auch auf ungewöhnliche Standorte

Von 
Bettina Eschbacher
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Früher ein Gefängnis, jetzt die neueste Hochschule der SRH: der Haarlem Campus mit markantem Kuppelbau in den Niederlanden. © SRH

Heidelberg. Studieren in einem ehemaligen Gefängnis? Was schräg klingt, entpuppt sich als ausgesprochen stylisher Lernort. Der Campus in der niederländischen Stadt Haarlem ist die neueste Hochschule der Heidelberger SRH-Gruppe. In dem historischen Kuppelbau saßen vor mehr als 100 Jahren Straftäter ein, seit 2022 lernen dort knapp 100 Studierende zum Beispiel Business Psychology. Für SRH-Vorstandschef Christof Hettich ist die Neugründung „eine der Kirschen auf der Torte“.

Die ganze Torte - das sind die 16 privaten Hochschul-Standorte des Unternehmens. Eine weitere „Kirsche“ ist für Hettich der SRH-Campus in Berlin, der ab Sommer als größter privater Hochschulbetreiber mit 2500 Studierenden drei Unis an einem Ort vereinen soll. 4500 sollen es künftig werden. Und natürlich die 2016 als Sanierungsfall übernommene European Business School (EBS) in Oestrich-Winkel mit elitärem Anspruch, die inzwischen keine roten Zahlen mehr schreibe.

SRH will weg vom „Bulimie-Lernen“

Aber SRH wächst nicht nur mit Präsenz-Standorten, sondern auch mit der Fernhochschule, die ein mobiles Angebot mit Präsenzstandorten wie in Mannheim verbindet. 9000 Studierende weltweit sind eingeschrieben. Die „mobile University“ sei so erfolgreich, weil sie den Menschen ermögliche, sich - angepasst an ihre Lebenssituation - weiterzubilden. Sie wurde jetzt zum fünften Mal hintereinander zur beliebtesten Fernhochschule in Deutschland gewählt.

Die Lehre an den Hochschulen habe sich sehr verändert, erklärt der Vorstandsvorsitzende. „Heute kann sich doch jeder eine beliebige Harvard-Vorlesung herunterladen.“ Die klassischen Vorlesungen reichten nicht mehr aus. „Der Hochschullehrer wird immer mehr zum Coach.“ Statt „Bulimie-Lernen“, also dem kurzfristigen Auswendiglernen des Stoffs, gehe es um das Vermitteln von Lern-Kompetenz.

Vorstandschef Christof Hettich. © SRH

Deshalb hat SRH ein eigenes Konzept entwickelt - weg von der Faktenvermittlung, hin zur Didaktik. Auf dieses sogenannte Core-Prinzip ist Hettich besonders stolz: Statt passiv im Hörsaal zu sitzen, lernen die Studierenden in fünfwöchigen Blöcken eigenverantwortlich mit praxisnahen Projekten. Inzwischen werde dieses Lern-Konzept nicht nur an den Hochschulen praktiziert, sondern auch auf andere Bildungseinrichtungen ausgerollt.

Wer bei SRH studieren will, muss monatlich zwischen 450 bis 750 Euro an Gebühren zahlen. Hettich betont aber, dass SRH auch Förderprogramme anbiete - je besser der Abschluss, desto weniger müsse von dem Darlehen zurückgezahlt werden. 20 000 Studierende sind derzeit in den SRH-Hochschulen - und es sollen noch mehr werden, auch im europäischen Ausland. Das Wachstum in der Bildungssparte habe Corona-Rückgänge im Gesundheitsbereich abgepuffert, betont Hettich.

Was SRH im Bereich Gesundheit plant

In der Sparte Gesundheit, die rund 70 Prozent des Umsatzanteils stellt, ist SRH breit aufgestellt: mit Akutkliniken, Reha-Kliniken und medizinischen Versorgungszentren, bei denen Mediziner unterschiedlicher Fachrichtungen unter einem Dach zusammenarbeiten. In Thüringen etwa ist SRH in diesem Bereich der größte Gesundheitsversorger. Und SRH wolle sich als Anbieter für diese integrierte Versorgung bundesweit etablieren.

Hinter SRH steht eine Stiftung

  • SRH ist eine gemeinnützige Stiftung mit einer Holding als Dachgesellschaft, die sich auf Bildung und Gesundheit spezialisiert hat. Gewinne werden direkt wieder in das Unternehmen investiert.
  • Das Unternehmen mit Sitz in Heidelberg hat rund 17 000 Mitarbeitende. 2021 erzielte SRH einen Umsatz von 1,18 Milliarden Euro Der Jahresüberschuss lag 2021 bei 25,2 Millionen Euro
  • Im Schnitt erzielt SRH pro Jahr rund 75 Millionen Ebitda – außer im Corona-Jahr 2020. Zahlen für 2022 liegen noch nicht vor.
  • SRH hat rund 80 Standorte, darunter Hochschulen, Fachschulen für soziale und Gesundheitsberufe sowie Akut-, Fach- und Rehakliniken.
  • In Heidelberg-Wieblingen befinden sich die Zentrale und ein Campus mit Hochschule und Fachschulen sowie dem Kurpfalz-Krankenhaus und einer Kita.
  • Der Campus soll aufwändig umgestaltet werden. Bis 2040 sind dafür rund 600 Millionen Euro an Investitionen geplant. 

„Gesundheit lässt nicht mehr nach ambulant, stationär und Notaufnahme trennen - das ist die Zukunft.“ Der Bedarf an medizinischen Versorgungszentren werde steigen: Hettich geht davon aus, dass viele kleinere Kliniken in den nächsten Jahren schließen müssen. „Es wird künftig weniger Betten geben“, sagt Hettich. Dann müssten - und könnten - diese medizinischen Zentren die ambulante Versorgung der Bevölkerung übernehmen. „Ambulantisierung“ des Gesundheitswesens nennt Hettich das - ein Wachstumsmarkt für SRH. In der Region ist aktuell kein solches Zentrum geplant.

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Hettich setzt trotzdem weiter auf die 17 Krankenhäuser im SRH-Portfolio. So wurden die Kliniken des Burgenlandkreises aus der Insolvenz übernommen. Weitere Übernahmen schließt er nicht aus. Das Unternehmen hat in den vergangenen zehn Jahren jeweils im Schnitt 100 Millionen vor allem in den Bereich Gesundheit gesteckt.

Masken-Deal mit Nikolaus Löbel

Wirtschaftlich schwierig war für die Gesundheitssparte das Pandemiejahr 2020. So mussten wegen Corona viele planbare Operationen verschoben werden. Die SRH-Standorte in Sigmaringen und im Ostalbkreis waren laut Hettich unter den ersten deutschen Kliniken, die Corona-Patienten - Skitouristen aus Österreich - behandelten. Außerdem hatte SRH viele Millionen Euro in die anfangs schwer erhältliche Schutzausrüstung für alle Beschäftigten und ihre Familien investiert.

Auch mit dem Mannheimer Ex-Bundestagsabgeordneten Nikolas Löbel habe man einen teuren Masken-Deal abgeschlossen. Der ehemalige CDU-Politiker war 2022 wegen umstrittener Provisionen im Zusammenhang mit Corona-Schutzmasken zurückgetreten.

In welchem Bereich SRH mit Wachstum rechnet

Nach einer wirtschaftlichen Erholung 2021 trafen die Kliniken dann 2022 die explodierenden Energiekosten und die Inflation. Rund 20 Millionen Euro betrug der Mehraufwand für Energie - die Kosten haben sich damit mehr als verdoppelt. Noch sei nicht klar, welche Zuschüsse der Staat zum Ausgleich zahlen werde. „Sie werden die Mehrkosten aber bei weitem nicht kompensieren“, so Hettich, „und noch ist nicht klar, wie es weitergeht“. Das Ergebnis 2022 und 2023 werde dadurch massiv belastet.

Dennoch betont der Vorstandschef: „Wir werden wachsen, vor allem im Studierendenbereich.“ In der Gesundheitssparte werde SRH vorsichtiger agieren. Wenn sich die Gelegenheit biete, werde man auch aber weitere Klinik-Standorte übernehmen.

Redaktion Bettina Eschbacher ist Teamleiterin Wirtschaft.

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