Bundesgartenschau

Warum Mannheim für Busreiseveranstalter nicht spannend genug ist

Seit zwei Wochen läuft die Bundesgartenschau in Mannheim. Bald werden größere Besuchergruppen in Reisebussen erwartet. Von der Stadt werden sie indes nicht viel sehen. Wohin es stattdessen geht und was die Gründe sind

Von 
Christian Schall
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Bald rollen viele Reisebusse zur Buga. In den meisten Fällen ist das alles, was Besucher von Mannheim sehen. © istock

Rhein-Neckar. Seit zwei Wochen läuft die Bundesgartenschau in Mannheim, und schon bald werden auch größere Gruppen in Reisebussen auf den beiden Ausstellungsgeländen erwartet. Wer im Internet nach Buga-Reisen sucht, wird bei Veranstaltern im ganzen Land fündig.

Während Unternehmen aus dem näheren Umkreis Tagesfahrten ohne Übernachtung anbieten, kommen Reisegruppen mit weiterer Anreise für mehrere Tage nach Mannheim und in die Region.

Speyer statt Reiss-Engelhorn-Museen

Die Betonung liegt auf Region. Denn wer sich im Netz durch das große Fahrtenangebot klickt, der stößt mitunter auf recht überraschende Reisezusammenstellungen. Dass Heidelberg auf dem Programm steht, liegt nahe, wenn Besucher aus aller Welt in Scharen in die Universitätsstadt strömen. Auch Speyer wird gerne mitgenommen, wenn man aus größerer Entfernung anreist und in der Region ist.

Bei Touristen beliebt: die Heidelberger Altstadt. © Zinke

Das alles wäre noch keine Nachricht wert, wenn in den Reiseabläufen Mannheim nicht so kurz kommen würde. Mehr als eine Stadtrundfahrt oder -führung ist oft nicht drin. Nur sehr wenige Anbieter verweisen auf Sehenswürdigkeiten wie das Barockschloss, die Reiss-Engelhorn-Museen oder die immer noch neue Kunsthalle und bieten dafür Eintrittskarten an.

Übernachtung in der Westpfalz

Der Gruppenreiseveranstalter Trendtours aus Eschborn etwa verkauft eine viertägige Busreise zur Buga und in „die romantische Pfalz“. Auf dem Programm steht auch eine „kurze Stadtbesichtigung Mannheim“.

Das Hambacher Schloss – oberhalb von Neustadt gelegen – gilt wegen des Hambacher Fests von 1832 als Wiege der Demokratie. © Bernhard Zinke

Ansonsten aber geht es nach Speyer, Bad Dürkheim, Freinsheim und zum Hambacher Schloss. Übernachtet wird in Kaiserslautern. Dort ist eine Stadtführung geplant, die umfangreicher erscheint als in Mannheim, außerdem ein Besuch des Japanischen Gartens, der Teil der Landesgartenschau 2000 war.

Stopp ind Bad Wimpfen

Leitner Reisen aus der Nähe von Nürnberg und Frölich Reisen aus Hessisch Lichtenau bei Kassel bieten den Reisenden ein identisches Paket, das zwar zwei Übernachtungen in der Mannheimer Innenstadt beinhaltet. Besichtigungen sind aber nicht vorgesehen. Am Anreisetag geht es direkt nach Heidelberg, am Abreisetag wird ein Stopp an der Kaiserpfalz in Bad Wimpfen eingelegt.

Der auf Bahnreisen spezialisierte Anbieter Ameropa bietet auch nur ein Paket mit zwei Übernachtungen und Buga-Eintrittskarte, verweist auf der Online-Buchungsseite aber immerhin mit Texten und Bildern auf Sehenswürdigkeiten und Veranstaltungen in Mannheim.

"Große Anziehungskraft der Pfalz"

Bei Eberhardt Travel, das seine Wurzeln im Nordschwarzwald, den Firmensitz aber inzwischen bei Dresden hat, stehen vier- bis sechstägige Reisen zur Buga und in die Region im Programm. Bei der kurzen Tour wird in Mannheim übernachtet, bei den längeren zum Teil in Darmstadt. Je nach Reisedauer sind das Schloss Bruchsal, Germersheim, Neustadt, Speyer und Heidelberg weitere Ziele, außerdem eine Schifffahrt nach Neckarsteinach.

Hommage in Mundart an die Buga-Stadt Mannheim im Eingangsbereich mit dem Schriftzug Monnem © Bernhard Zinke

Zu den Gründen erläutert Peter Wagner, Prokurist von Eberhardt Travel: „Besucher, die sich für die Bundesgartenschau interessieren, haben ihre größte Erlebnisbefriedigung, wenn sie erleben können, wie solche Projekte sich in das Gesamterscheinungsbild einer Region einbinden.“

Die Pfalz übe dabei eine große Anziehungskraft auf die potenziellen Käufer aus. Touristiker seien daher an der Gesamtvermarktung von Regionen interessiert, weil dadurch der Gesamterlebniswert gesteigert werde. „Je spezifischer solche Events regional begrenzt angeboten werden, um so schwieriger ist es, Kunden aus weiteren Entfernungen für diese zu begeistern.“

"Mannheim zählt nicht zu den touristischen Hotspots"

Bei der Auswahl der touristischen Ziele gehe es um ein „vernünftiges Preis-Leistungsverhältnis, Durchführbarkeit unter dem Aspekt logistischer Gegebenheiten und den Bedürfnissen der Kunden, so viele Highlights, wie machbar mitzunehmen“.

Warum Mannheim keine große Rolle spielt, dürfte in der Stadt nicht so gerne gehört werden: „Mannheim zählt in Deutschland nicht zu den touristischen Hotspots und hat keine Alleinstellungsmerkmale, die über regionale Bedeutung hinausgehen.“

Günstigere Übernachtung in Darmstadt

Dass in Darmstadt übernachtet werde, habe „ausschließlich Preisgründe“. Die Konzentration der Übernachtungskapazitäten in den Händen weniger Paketreiseveranstalter schlage sich in solchen Entscheidungen nieder.

Eine Chance auf längere Mannheim-Besichtigungen besteht durch Individualreisende, die eines der Angebote (Hotel mit Tageskarte) der Supermarktketten buchen. Am wahrscheinlichsten, dass Gäste etwas mehr von der Quadratestadt sehen, ist es bei Buchungen über Aldi Reisen. Angeboten werden Pakete mit zwei oder drei Übernachtungen im Delta Park Hotel in der Schwetzingerstadt. Rewe Reisen bringt seine Kunden zwei Nächte im Intercity Hotel am Hauptbahnhof unter, Lidl Reisen eine Nacht im NH nahe dem Planetarium.

Bei den Besuchern von außerhalb nicht so häufig Teil des Buga-Programms: der Mannheimer Wasserturm © Thomas Tröster

Hoffnung auf Gäste macht außerdem das Buch „Wohin geht die Reise? - Die besten Ziele für 2023“ der Reiseführermarke „Marco Polo“. Darin heißt es: „2023 ist das Jahr, in dem man Mannheim besuchen sollte“. Als das Buch im Herbst auf den Markt kam, fand die Aussage bundesweit Beachtung.

Auf die Niederländer ist Verlass

Im benachbarten Ausland taucht die Buga ebenfalls in den Reiseprogrammen auf. Während sich ein Veranstalter aus der Schweiz Heidelberg, Bergstraße und Odenwald widmet, bieten zwei Busreiseanbieter aus Luxemburg zumindest Stadtrundfahrten oder Zeit zur freien Verfügung in Mannheim an. Ein Busreiseveranstalter aus den Niederlanden hat eine Stadtführung in das Programm integriert.

„Wir haben uns intensiv auf die Buga, die Vermarktung der Stadt während des Großevents und darüber hinaus vorbereitet“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung von Buga Gesellschaft und Stadtmarketing Mannheim. Nach deren Angaben sind derzeit 280 Busreiseveranstalter mit Angeboten zur Buga vertreten. Darunter seien Anbieter von Leserreisen sowie Individual- und Direktreiseanbieter (wie Netto, Lidl oder Ameropa).

„Die Buga gGmbH und die Stadtmarketing Mannheim GmbH waren gemeinsam beratend tätig und haben immer ein Programmbaustein innerhalb der Stadt integriert, beispielsweise Stadtführungen.“ Es unterliege jedoch weder dem Einfluss der Buga Gesellschaft noch des Stadtmarketings, was Reiseveranstalter daraus machten. „Diese erstellen ihre Reiseprogramme eigenständig.“

Die Buga werde als „Türöffner“ und weiteren Reiseanlass für Gäste gesehen, um Mannheim als touristisches Reiseziel zu besuchen. Bereits in den vergangenen zwei Jahren sei eine deutliche Zunahme der touristischen Übernachtungen beobachten worden. „Wir rechnen mit 200 000 bis 250 000 zusätzlichen Übernachtungen.“

Welche Folgen hat die Diskussion um die Awo-Kostüme?

Früheren Angaben zufolge werden auf der Buga 2,1 Milllionen Besucher erwartet. Ob das auch nach der bundesweit geführten Diskussion um die Kostüme der AWO-Seniorentanzgruppe gilt, war bei der Buga Gesellschaft nicht zu erfahren. Auf eine zweifache Anfrage des "MM" gab es keine Reaktion.

„Die Buga kann das Image und die Bekanntheit Mannheims und der Region verbessern“, erklärt IHK-Präsident Manfred Schnabel auf Anfrage. Erfahrungen aus Heilbronn und anderen Städten zeigten das entsprechende Potenzial. „Zudem gelang es in vielen Städten, auch über die Buga hinaus die Übernachtungszahlen zu steigern.“

Ausgehend von bis zu 170 000 Besuchern, die über Nacht bleiben und Schätzungen zufolge 140 Euro pro Nacht zusätzlich in der Region ausgeben, ergebe sich eine Umsatzerwartung von etwa 24 Millionen Euro. „Tagesbesucher indes werden höchstwahrscheinlich den Tag komplett auf dem Buga-Gelände verbringen und vor der Heimreise eher keinen Abstecher in die Innenstadt machen“, so Schnabel. Bei ihnen erwarte man durchschnittliche Ausgaben von 35 Euro pro Tag - insgesamt etwa 70 Millionen Euro Umsatz für die Anbieter insbesondere von Speisen und Getränken auf dem Buga-Gelände.

Einzelhandel dämpft die Erwartungen

Für den Handel und viele externe Gäste sei es von größtem Wert, dass die Innenstadt nun auch für den Individualverkehr gut erreichbar sei, sagt Swen Rubel, der Geschäftsführer des Handelsverbands Nordbaden. „Damit stehen die Vorzeichen gut, dass die Stadt in den kommenden Monaten bei den neuen Kunden aber natürlich auch bei den Menschen aus der Region von ihrem positiven Ruf als Shopping-Metropole profitieren kann.“

Allerdings dürfe man die Erwartungen an die Umsatzpotenziale aus der Buga nicht zu hoch hängen. Die Erfahrungen zeigten, dass der Anteil der Übernachtungsgäste nur bei zehn Prozent liege. „Selbstverständlich freuen wir uns sehr, wenn ein Teil dieser Gäste den kurzen Weg in die City und den Handel findet, aber eine Sonderkonjunktur versprechen wir uns davon ehrlicherweise nicht“, gesteht Vizepräsident Hendrik Hoffmann.

"Mannheim hat noch Potenzial"

„Wir sehen die Buga als große Chance und Glücksfall für Mannheim insgesamt und damit auch für das Mannheimer Gastgewerbe bzw. die Tourismuswirtschaft in Stadt und Region“, teilt der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga mit. „Die Stadt schöpft ihr bemerkenswertes touristisches Potenzial nach unserer Einschätzung bisher noch nicht vollständig aus.“ Die Buga biete eine große Chance, die Attraktivität von Stadt und Region nachhaltig ins Blickfeld einer breiten Öffentlichkeit zu rücken. Das könne dazu beitragen, die Tourismus-Destination Mannheim dauerhaft zu stärken.

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Und in der Region? „Bei der Nachfrage von Individualtouristen in der Tourist-Information nach Übernachtungsmöglichkeiten macht sich die Buga bislang nicht bemerkbar“, erklärt eine Sprecherin der Stadt Speyer. Ebenso verhalte es sich bei den Hotelbuchungen. Bis Mittwoch seien 16 Stadtrundgänge gebucht worden, bei denen der Veranstalter angegeben habe, dass die Reise im Zusammenhang mit der Buga stattfinde. Dabei seien nur die erfasst, die eine freiwillige Angabe zum Reisezweck gemacht haben. „Inwiefern Speyer von der Buga tatsächlich profitiert, kann daher erst zu einem späteren Zeitpunkt nachvollzogen werden.“

Redaktion Redakteur in der Wirtschaftsredaktion

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