Deutschlands langsamstes Finanzamt – das ist kein sehr schmeichelhafter Titel. Manche Medien haben ihn nun ausgerechnet dem Finanzamt Mannheim-Neckarstadt verpasst. Bei einem vom Portal „Lohnsteuer-kompakt.de“ aufgestellten Schnelligkeitsranking, was die Bearbeitung von 2021 abgeschickten Einkommensteuererklärungen angeht, landet die Behörde aus der Quadratestadt auf Platz 502, dem letzten von allen. Demnach musste man hier vergangenes Jahr im Schnitt 83,2 Tage auf seinen Steuerbescheid warten. Das Finanzamt Warburg, der Spitzenreiter aus Ostwestfalen, brauchte lediglich 32,2 Tage.
Errechnet wurde das Ranking anhand der Bearbeitungszeit nur der Steuererklärungen, die über jenes Online-Portal abgegeben wurden. Wie viele das im Falle von Mannheim-Neckarstadt genau waren, kann ein Sprecher nicht sagen. Es seien aber „einige Hundert“.
Nur ein Bruchteil erfasst
Finanzamt-Vorsteherin Stephanie Martin verweist auf Anfrage indes darauf, dass dies nur einen Bruchteil der hier zu erarbeitenden Steuerbescheide ausmache – Mannheim-Neckarstadt sei für mehr als 64 000 zuständig. Ohnehin erscheint Martin die Auswertung des Portals auch deutschlandweit nicht repräsentativ. Die basiere auf insgesamt rund 300 000 Steuererklärungen, allein die Finanzämter in Baden-Württemberg hätten jedoch mehr als vier Millionen zu erledigen.
Neben ihren methodischen Zweifeln an der Erhebung hält die Vorsteherin, die Mannheim-Neckarstadt im Oktober 2021 übernommen hat, das Erledigungstempo der einzelnen Ämter auch nur bedingt für vergleichbar. So fielen etwa in Grenznähe besonders viele Steuererklärungen an, bei denen der Arbeitsort in einem anderen Staat liege als der Wohnort. „Solche Fälle sind üblicherweise komplexer und bringen oftmals eine längere Bearbeitungszeit mit sich.“ Zudem hänge die jeweilige Geschwindigkeit auch von der Personalsituation ab, wenn beispielsweise mehrere Beschäftigte in Elternzeit seien oder in Pension gingen und verstärkt Jüngere eingearbeitet werden müssten.
Zuständig für Stadtteile nördlich des Neckars
- In Mannheim gibt es zwei Finanzämter: Mannheim-Stadt und Mannheim-Neckarstadt.
- Mannheim-Neckarstadt ist für alle Stadtteile nördlich des Neckars sowie für Friedrichsfeld und Seckenheim zuständig, ebenso für Edingen-Neckarhausen und Ilvesheim.
- Dieses Finanzamt hat pro Jahr mit rund 64 000 Einkommensteuerfällen zu tun, auch Körperschafts-, Gewerbe- und Umsatzsteuer werden bearbeitet.
- Für alle Aufgabenbereiche inklusive Strafsachen und Steuerfahndung sind hier etwa 200 Menschen im Einsatz, darunter 35 Auszubildende.
Für Mannheim-Neckarstadt macht Martin noch einen besonderen Umstand geltend: den Umzug im Sommer 2021 vom bisherigen Standort in L 3,10, wo die Gebäude generalsaniert werden müssen, in die Donaustraße nach Neckarau. Der habe „auf vielen Ebenen Kapazitäten in Anspruch genommen und zu Beeinträchtigungen im Arbeitsablauf geführt“. Allerdings schnitt Mannheim-Neckarstadt bei den Auswertungen dieses Portals auch in den Vorjahren nicht viel besser ab. Nur 2017 landete man mit Platz 358 im hinteren Mittelfeld.
Das Finanzamt Mannheim-Stadt, das 2021 ebenfalls von L 3 nach Neckarau ziehen musste, steht in der Erhebung nun auf Rang 438. Aus der Region schneidet Sinsheim auf Position 21 am besten ab. Ludwigshafen wird auf 64 gelistet, Bensheim auf 116, Heidelberg auf 189, Weinheim auf 223 und Schwetzingen auf 262. Die vermeintliche aktuelle Bearbeitungsdauer einer Steuererklärung in den einzelnen Finanzämtern weist das Online-Portal unter www.lohnsteuer-kompakt.de/start/finanzaemter aus.
Berlin im Ländervergleich vorn
Die drei angeblich schnellsten Finanzämter Deutschlands sind in Nordrhein-Westfalen, dort führt Warburg vor Herne und Arnsberg. Alle Ämter zusammengerechnet liegt im Ländervergleich Berlin vorn, obwohl die dortige Verwaltung in puncto Bürgerangelegenheiten ja eigentlich einen legendär schlechten Ruf hat. Rheinland-Pfalz ist Vierter im 16er-Feld, Hessen Elfter und Baden-Württemberg Dreizehnter.
Als gute Nachricht bezeichnet Martin indes, dass sich die Bearbeitungsdauer im Südwesten laut der Erhebung im vergangenen Jahr insgesamt verkürzt habe. Dabei hätten die steuerlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie doch auch einen erheblichen Aufwand für die Finanzämter bedeutet.