Mannheim. Eigentlich ist Volker Wissing am Freitagvormittag auf die Bundesgartenschau gekommen, um über die Digitalisierung zu sprechen. Das tut der Bundesminister für Digitales und Verkehr zunächst auch. 25 Minuten lang redet der FDP-Politiker bei einer exklusiven Veranstaltung des „Mannheimer Morgen“ und der Metropolregion Rhein-Neckar über den Stand der Digitalisierung, den Ausbau der dafür notwendigen Infrastruktur und warum es an vielen Stellen noch klemmt.
Volker Wissing und die Ludwigshafener Hochstraßen
Als er in der anschließenden Diskussionsrunde mit „MM“-Chefredakteur Karsten Kammholz und Bettina Eschbacher, Teamleiterin der „MM“-Wirtschaftsredaktion, eher beiläufig das Wort „Hochstraße“ erwähnt, ist der Fokus schlagartig auf das Thema Verkehr gerichtet.
Und Bettina Eschbacher nutzt Wissings Steilvorlage, um diese eine Frage zu stellen, auf die die gesamte Region eine Antwort sucht: „Bleibt der Bund bei seiner Zusage, 60 Prozent der Sanierungskosten für die Hochstraßen zu übernehmen?“ Wissing wirkt etwas überrascht, zögert zunächst und erklärt nach einer Pause des Nachdenkens: „Sie werden in Kürze sehr positive Nachrichten erhalten.“
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Unter den Gästen der Veranstaltung im Buga-Pavillon der Metropolregion ist die Erleichterung über die Nachricht greifbar. Sie quittieren Wissings Botschaft mit Applaus. Später, bei einem Rundgang über das Buga-Gelände, erklärt der Minister dem „MM“-Redakteur, die Förderzusage für die Hochstraßen habe einer Sperrfrist unterlegen. Er sei sich nicht sicher gewesen, wann sie veröffentlicht werden dürfe.
Doch zurück zur Digitalisierung, dem Hauptthema der Veranstaltung, die mit dem Titel „Digitaler Aufbruch für Deutschland - von der Fax-Republik zur digitalen Weltspitze“ überschrieben ist. Tilman Krauch, der Vorsitzende des Vereins Zukunft Metropolregion Rhein-Neckar (ZMRN), vergleicht die Digitalisierung mit dem Henne-Ei-Prinzip, bei dem man nicht wisse: „Ist Digitalisierung Infrastruktur oder das, was man mit der Infrastruktur macht?“
Volker Wissing über Digitalisierung am Beispiel Corona
Wissing bezeichnet die Digitalisierung als „Herkulesaufgabe“. Sie sei nicht nur eine Frage der Infrastruktur, sondern „wir brauchen die digitale Infrastruktur, um überhaupt digital werden zu können“. Mit der Infrastruktur allein sei es nicht getan, sagt der Minister und zieht einen Vergleich zum Verkehrssektor. Straßen und Schienen alleine nützten auch nichts, wenn man keine Autos und Züge habe, die darauf führen.
In Deutschland sei die Infrastruktur schon weit vorangekommen. Man könnte schon weiter sein, aber es sei nie zu spät, um richtig Fahrt aufzunehmen. „Keine Digitalisierung ist keine gute Lösung“, sagt er und nennt die Corona-Pandemie als Beispiel. Dass Gesundheitsdaten der Bürger nicht vorlagen oder der Bundesgesundheitsminister keine Angaben dazu hatte, wer in welcher Altersgruppe geimpft ist, habe mit fehlender Digitalisierung zu tun.
Wenn, wie geschehen, in den Impfzentren Formulare mit einem Kugelschreiber ausgefüllt würden, blieben diese Daten selbstverständlich dort, wo man das Papier mit dem Kugelschreiber abgebe. „Das war keine gute Sache, dass wir mit Faxgerät, Formular und Kugelschreiber gearbeitet haben.“
Damit sich das ändere, habe sich Deutschland eine Digitalstrategie mit 19 „Leuchtturmprojekten“ in allen Ressorts gegeben. Sie sollen das Leben der Menschen konkret verbessern. Den Schlüssel sieht Wissing in der e-ID, einer digitalen Identität. Damit könne man Behördengänge machen, medizinische Gesundheitsleistungen in Anspruch nehmen oder ein Bankkonto eröffnen.
„Wenn wir uns nicht digital identifizieren können, können wir auch keine digitalen Verwaltungsleistungen beanspruchen.“ Alle Ausweisarten sollen deshalb „so schnell wie möglich“ mit einer smart e-ID ausgestattet werden, die man auf dem Handy ablegen kann.
Wichtig sei, neben einer nationalen, europaweiten und internationalen Abstimmung, das „Once-only-Prinzip“, also die einmalige Registrierung. Derzeit gebe jeder Bürger mehrfach im Jahr seine Daten in Formularen an. „Wissen wir, wer das ansieht, wo das landet und ob das auch ordnungsgemäß vernichtet wird?“, fragt der Minister.
Deshalb sei es wichtig zu erkennen, dass die Digitalisierung eine große Chance für den Datenschutz ist. „Wir haben mehr Datensicherheit, als wir es im Analogen jemals haben konnten und jemals haben werden.“ Aus seinem Ressort nannte Wissing als Beispiel das Punkteregister in Flensburg, das gerade digitalisiert werde.
Hessische Digitalministerom Sinemus auf der Buga
Als Drittes strebt der Minister den eigenwirtschaftlichen Gigabitausbau an. Bis 2025 werden 50 Milliarden Euro investiert sein. Gefördert werde nur dort, wo der Markt nicht funktioniere. Pilotprojekte wie das Breitband-Portal Hessen-Rheinland-Pfalz würden den Ausbau voranbringen. Es soll die Antragsstellung für Kommunen und Telekommunikationsunternehmen vereinfachen und den Genehmigungsprozess beschleunigen. Die hessische Digitalministerin Kristina Sinemus (CDU) wirbt auf der Buga für die Teilnahme an dem Programm: „Ich bitte die Kommunen, das Angebot zu nutzen. Die Digitalisierung hilft den Menschen.“
Wissing ist überzeugt, dass mehr Daten verfügbar sein und genutzt werden müssten, um die Möglichkeiten der Digitalisierung auszuschöpfen. Wetterberichte etwa könnten noch präziser werden, wenn alle Autos, die fahren, mitteilten, an welcher Stelle sie den Scheibenwischer einschalten. Im Verkehrsbereich könnten alle Mobilitätsdaten genutzt werden, um entsprechende Angebote zu machen.
Ab September solle es möglich sein, ein Auto online an-, um- oder abzumelden, direkt im Autohaus. Das Nummernschild werde per Computer zugeteilt, Plakette und Papiere binnen zehn Tagen zugeschickt, so dass sie der Nutzer selbst aufkleben könne. Ein weiteres Beispiel sei die digitale Patientenakte.
„Als Gesellschaft können wir uns noch mehr unter die Arme greifen, wenn es um Digitalisierung geht“, sagt Wissing und spricht die Diskussion um das Deutschlandticket an. Nach seiner Ankündigung, das Ticket nur digital anzubieten, sei ein Aufschrei durch das Land gegangen. Ein Ziel der Digitalstrategie sei Datenverfügbarkeit. „Wie will ich mit analogen ÖPNV-Tickets Daten verfügbar machen?“ Wenn man keine Daten habe und nicht wisse, wer wann von wo nach wo fahre, könne man den ÖPNV auch nicht präziser planen.
Die Auswirkung von KI auf Volkswirtschaften
Bei zwei Milliarden Euro lägen die Betriebskosten für Fahrscheine im Nahverkehr in Deutschland. „Davon hat niemand etwas, von mehr Bussen und Bahnen dagegen schon“, so Wissing.
Beim Trendthema Künstliche Intelligenz (KI) sollten wir uns nicht lange mit der Frage aufhalten: „Wollen wir das oder nicht. Es ist da.“ Ohne KI werde man nicht erfolgreich sein können. Er rate dringend dazu, sie rechtzeitig zu nutzen. KI werde eine so große Auswirkung auf das Wachstum von Volkswirtschaften haben, dass man sicher sagen könne: „Eine Volkswirtschaft, die nicht umfassend KI nutzt, wird ihre Wettbewerbsfähigkeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verlieren.“ Die KI müsse so genutzt werden, dass sie uns erfolgreich macht, ohne uns Nachteile zuzufügen.
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