Konjunktur

Rhein-Neckar-Wirtschaft steckt im Herbstblues

Die Stimmung bei den Betrieben in der Region ist in den letzten Monaten deutlich schlechter geworden - das zeigt die jüngste Konjunkturumfrage der IHK. In einem zentralen Wirtschaftszweig ist die Laune besonders im Keller

Von 
Tatjana Junker
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Auch das Exportgeschäft der heimischen Wirtschaft steht unter Druck. © Christian Charisius/dpa

Mannheim. Die Wirtschaft in der Rhein-Neckar-Region steckt mitten im Herbstblues - so lässt sich jedenfalls die jüngste Konjunkturumfrage deuten, die die Industrie- und Handelskammer (IHK) Rhein-Neckar am Dienstag in Mannheim vorgestellt hat. Knapp 400 Betriebe aus allen Wirtschaftszweigen waren daran beteiligt. Zentrales Fazit: „Von der zwischenzeitlichen gesamtwirtschaftlichen Stimmungsaufhellung im Frühsommer ist im Herbst nichts mehr zu spüren“, sagt Axel Nitschke, Hauptgeschäftsführer der Kammer.

Besonders mies gelaunt: die Industrie. Dort ist die Stimmung der Umfrage nach geradezu dramatisch eingebrochen, nur in der Finanzkrise 2008/09 und am Anfang der Corona-Pandemie sei sie schlechter gewesen, so Nitschke.

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Der Wirtschaftszweig leidet unter anderem darunter, dass seine Produkte zuletzt im Inland weniger gefragt waren. Gleichzeitig steht auch der Export unter Druck. Letzterer ist gerade für die Betriebe in der Rhein-Neckar-Region ein zentrales Standbein: Gut sechs von zehn Euro Umsatz erwirtschaften die hiesigen Industriebetriebe im Ausland. Vor allem auf den europäischen Märkten rechnen sie in den kommenden Monaten allerdings mit deutlich schlechteren Geschäften. Für Asien und die USA sei der Ausblick dagegen noch leicht positiv.

Unter dem Strich seien die Geschäftserwartungen der Industriebetriebe „besorgniserregend schlecht“, sagt IHK-Hauptgeschäftsführer Nitschke. Das schlage sich auch in den Beschäftigungsplänen des Wirtschaftszweigs nieder: Dort zeige sich ein deutlicher Rückgang.

Nitschke: „Draußen läuft was, aber wir sind nicht mehr dabei“

In anderen Wirtschaftszweigen wie dem Dienstleistungssektor ist die Stimmung unterdessen nicht ganz so schlecht - zumindest noch nicht, wie Nitschke betont. So seien viele Dienstleister direkt oder indirekt von der gebeutelten Industrie abhängig. Daher drohe „auch hier eine Verschlechterung der bislang noch zufriedenstellenden Geschäftslage“.

Dass der Einzelhandel aktuell etwas weniger pessimistisch auf die kommenden Monate blicke als noch vor kurzem, sei wiederum eher ein saisonaler Effekt: Schließlich steht die Branche kurz vor dem Weihnachtsgeschäft und damit vor der mit Abstand umsatzstärksten Zeit des Jahres.

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Die Hauptursache für das Stimmungstief in der Wirtschaft macht die IHK unterdessen weniger in einer konjunkturellen Schwäche, sondern vor allem in strukturellen Problemen des Standorts Deutschland aus: „Die Weltwirtschaft und auch die europäische Wirtschaft wachsen noch, aber die Wirtschaft in Deutschland und vor allem auch in Baden-Württemberg nicht“, sagt Nitschke. „Die Unternehmen sehen: Draußen läuft was, aber wir sind nicht mehr dabei.“ Tatsächlich war das baden-württembergische Bruttoinlandsprodukt im ersten Halbjahr 2024 um 1,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr gesunken - und damit so stark wie in keinem anderen Bundesland.

Da die Industrie im Südwesten traditionell stark verankert ist, macht sich deren aktuelle Schwäche hier besonders bemerkbar, ebenso wie in der Rhein-Neckar-Region. Die „strukturellen Probleme“, mit denen die Industrie, aber auch andere Wirtschaftszweige besonders kämpfen, sind Nitschke zufolge unterdessen vielfältig. „Vor allem das Thema Kosten drängt sich für die Unternehmen aktuell stark in den Vordergrund“, sagt er und verweist auf hohe Energiepreise, Löhne und Sozialversicherungsabgaben. Nitschke warnt bei der Gelegenheit außerdem auch gleich die davor, dass die Kommunen auf sinkende Gewerbesteuereinnahmen mit höheren Sätzen reagieren könnten. „Der Gewerbesteuerhebesatz ist bei Standortentscheidungen für Unternehmen auf jeden Fall ein Faktor.“

Zu hohe Kosten, zu viel Bürokratie und mangelnde Infrastruktur

Neben den hohen Kosten nehme ein Übermaß an Bürokratie vielen Betrieben die Luft für Wachstum. „Eine Regel wird abgeschafft, dafür kommen drei neue“, kritisiert Nitschke. Gerade in mittelständischen Betrieben bänden immer mehr komplexe Vorschriften inzwischen enorme Personalkapazitäten, teilweise auch im Management. Auch bei dem Thema Infrastruktur - sowohl beim Verkehr als auch im Digitalen - hinke Deutschland im internationalen Vergleich hinterher. „Was wir jetzt brauchen, ist ein Neuanfang in allen Politikbereichen mit einem klaren Fokus auf Wachstum“, drängt Nitschke. Viele politische Fehlentscheidungen der vergangenen zehn Jahre verhinderten aktuell nicht nur kurzfristig den Aufschwung, sondern schränkten auch langfristig Wachstumspotenziale ein.

Steuert die Wirtschaft vom Herbstblues also direkt in eine fette Winterdepression? Zumindest vom Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung gibt es an diesem trüben Oktober-Dienstag dazu einen kleinen Lichtblick: In der jüngsten Umfrage der Mannheimer Forscher unter Finanzexperten wird die aktuelle Lage zwar nochmal schlechter eingeschätzt als im September. Dafür hat sich aber zumindest der Ausblick verbessert.

Dazu beigetragen habe die Erwartung stabiler Inflationsraten und die damit verbundene Aussicht auf weitere Zinssenkungen durch die EZB, kommentiert ZEW-Präsident Achim Wambach das jüngste Stimmungsbarometer. Positive Signale gebe es zudem aus den deutschen Exportländern, unter anderem aus China.

Redaktion Wirtschaftsreporterin

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