Justiz

Prozess in Mannheim: Biertransporte unter dem Radar des Zolls

Vor der 5. Großen Wirtschaftsstrafkammer am Mannheimer Landgericht läuft im zweiten Anlauf ein Verfahren um hinterzogene Biersteuer und Mehrwertsteuer in Millionenhöhe. Der Angeklagte bleibt wortkarg

Von 
Waltraud Kirsch-Mayer
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Ein Unternehmer aus Hirschberg soll Biersteuer und Mehrwertsteuer in Millionenhöhe hinterzogen haben. © Matthias Balk/dpa

Mannheim. Dass ein Staatsanwalt seine Anklage innerhalb von sieben Monaten gleich zweimal verliest, kommt eher selten vor. In dem vor der 5. Großen Wirtschaftsstrafkammer am Mannheimer Landgericht neu aufgerollten Verfahren um trickreich hinterzogene Biersteuer in Höhe von einer Million Euro und obendrein um verkürzte Umsatzsteuer in der Größenordnung von 2,2 Millionen ist ohnehin so manches ungewöhnlich.

Rückblick: Der ursprüngliche Prozess startete Anfang März bereits skurril - weshalb unsere Zeitung titelte: „Bier, Betrug und ein Angeklagter in Belgien“. Zum Auftakt saßen nämlich Richter, Schöffen, Staatsanwalt, Verteidigerinnen und Dolmetscherin ohne den Angeklagten im Gerichtssaal. Dieser weilte krank in Belgien, wohin er zu Vernehmungen gereist war - weil auch dort gegen Tatbeteiligte des Biersteuer-Karussells ermittelt wird.

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Erst am zweiten Verhandlungstag erschien jener Vorstand eines in Hirschberg ansässigen Getränkegroßhandels und Logistikdienstleisters in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft (AG), dem zur Last gelegt wird, grenzüberschreitende Biertransporte mit falschen Angaben gewissermaßen unterm Radar des Zolls abgewickelt zu haben. Allerdings sollte das Verfahren nur kurz währen. Weil den Parteien aufgrund aktueller staatsanwaltschaftlicher Recherchen mehrere Zusatzordner übergeben wurden, forderte die Verteidigung genügend Zeit, um die neuen Erkenntnisse zu studieren. Dem stimmte das Gericht zu.

55-jähriger Angeklagter wortkarg

Die Neuauflage läuft zwar ebenfalls vor der Wirtschaftsstrafkammer mit dem Vorsitzenden Oliver Ratzel - aber mit anderen Schöffen. Und für die galt es die Anklage noch einmal zu verlesen. Wenn es nach den Anwälten gegangen wäre, hätte der Zweitprozess gleich am ersten Tag seinen Abschluss gefunden. Die Verteidigung beantragte nämlich mit Blick auf die umfangreichen Zusatzakten, den Anklagetext wegen mangelnder Informationsfunktion für unwirksam zu erklären. Dies lehnte die Kammer ab.

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dpa/lsw
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Anders als im März zeigte sich der 55-Jährige nicht mehr bereit, sich zur Sache, also konkret zu Tatvorwürfen, zu äußern. Der wegen seiner aus Mannheim stammenden Ex-Ehefrau seit 2009 in Deutschland lebende und vor acht Jahren eingebürgerte Unternehmer, der in der Wüstenstadt Agadez (Niger) aufwuchs und in verschiedenen Branchen tätig war, beschränkte sich auf Biografisches. Weil die Kammer eigentlich die ersten Verhandlungstage für eine umfassende Einlassung des Angeklagten vorgesehen hatte, soll nun die Befragung kurzfristig geladener Zeugen, beispielsweise von Zollbeamten, vorgezogen werden.

Gerstensaft schwarz verkauft

In dem Prozess gilt auszuleuchten, wie Bier 2018 beziehungsweise 2019 aus sogenannten Steuerlagern in Frankreich und den Niederlanden formal in den steuerlich deutschen Verkehr überführt und mit unzutreffenden Transportpapieren ausgestattet wurde, um den Gerstensaft schwarz zu verhökern - beispielsweise in Großbritannien, wo die Biersteuer um ein Vielfaches höher ist. Terminiert ist der Prozess mit dem komplexem Stoff bis zum 4. Januar 2024.

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