Mannheimer Landgericht

Bier, Betrug und ein Angeklagter in Belgien

Der erste Verhandlungstag im Prozess um mutmaßliche Steuerhinterziehung in Millionenhöhe verläuft am Mannheimer Landgericht ungewöhnlich

Von 
Waltraud Kirsch-Mayer
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Vor dem Landgericht Mannheim geht es um Bierlieferungen, die verschlungene Wege durch mehrere europäische Länder genommen haben sollen. © Christian Charisius/dpa

Mannheim. Im L2-Nebengebäude des Mannheimer Landgerichts, wo üblicherweise die Wirtschaftsstrafprozesse verhandelt werden, sitzen am Mittwoch in Saal C drei hauptamtliche Richter, drei Schöffen, der Staatsanwalt, zwei Anwältinnen und eine Dolmetscherin - hingegen fehlt der Angeklagte, dem in Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Lieferungen von Bier Hinterziehung von Umsatzsteuer in Millionenhöhe zur Last gelegt wird.

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Der nicht erschienene Vorstand einer Aktiengesellschaft mit Sitz an der Bergstraße hat aus Brüssel ein ziemlich vages ärztliches Attest samt Kurzbericht einer Kopf-CT-Untersuchung übermittelt - mit französischem Text, den eine Dolmetscherin übersetzt. So viel steht fest: Ohne den Unternehmer kann die Anklage nicht verlesen werden. In der etwas skurrilen Sitzung geht es darum, wie das mit 20 Sitzungstagen bis Ende Mai terminierte Strafverfahren weitergehen soll. Hintergrund: Die Wirtschaftsstrafkammer hat dem 55-Jährigen gegen eine Kaution, die der Vorsitzende Richter Oliver Ratzel als „ziemlichen Batzen“ bezeichnet, Haftverschonung gewährt und erlaubt, nach Belgien zu reisen - vermutlich für dortige Vernehmungen.

Dem Vorstand einer in Hirschberg ansässigen Aktiengesellschaft, die sowohl als Getränkehändler wie auch als Dienstleister im Bereich von Logistikmanagement und Frachttransporten tätig ist, wird vorgeworfen, Lieferungen von Bier derart ausgeklügelt abgewickelt zu haben, dass Abgaben umgangen wurden. Dabei sollen sogenannte Steuerlager eine zentrale Rolle gespielt haben - nämlich jene Örtlichkeiten, wo unter bestimmten Voraussetzungen eigentlich verbrauchssteuerpflichtige Waren - auch Alkoholgetränke - erst einmal ohne Fiskusabgabe hergestellt beziehungsweise aufbewahrt und für den Versand vorbereitet werden.

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Wie aus einer Mitteilung des Mannheimer Landgerichts hervorgeht, soll eine Vielzahl von Lieferungen, die ihren Ausgang in französischen wie auch niederländischen Steuerlagern des Hirschberger Unternehmens nahmen, dem Zweck gedient haben, den Gerstensaft in Großbritannien auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen: Auf der Insel liegt nämlich die Bier-Steuer um ein Vielfaches höher.

Auf dem Schwarzmarkt verhökert?

Laut Anklage sollen aufgrund verschlungener Transportabläufe die jeweils geschuldete französische und niederländische Steuer für den Gerstensaft nicht festgesetzt worden sein. Dadurch seien Abgaben für Bier um rund eine Million Euro verkürzt worden. Zudem soll die an der Bergstraße sitzende Aktiengesellschaft 2018 und 2019 in mehreren Fällen Getränke und andere Waren zum Schein an in Belgien ansässige Firmen geliefert und diese gegenüber dem Finanzamt als steuerfreie innergemeinschaftliche Transporte deklariert haben. Tatsächlich, so der Vorwurf der Strafverfolger, hätten der Angeklagte und die Mittäter die Produkte innerhalb der EU auf dem Schwarzmarkt verhökert. Dabei habe sich das Verkürzen der Umsatzsteuer auf 2,2 Millionen Euro summiert.

Laut einer der Verteidigerinnen, die mit dem in Belgien weilenden Mandanten telefonierte, wolle dieser auf jeden Fall bei dem Prozess erscheinen. Der Vorsitzende Richter ordnet an, dass der Unternehmer der Kammer innerhalb von 24 Stunden einen aussagekräftigen Arztbericht ob seiner Reisefähigkeit zukommen lassen muss. Davon wird abhängen, ob das Verfahren am 8. März richtig starten kann - und was aus der Kaution für die Haftverschonung wird.

Freie Autorin

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