Fachkräftemangel

Holpriger Start für Kita-Qualifizierung in Mannheim

Von 
Tatjana Junker
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Im Kitabereich werden Fachkräfte dringend gesucht. © dpa

Mannheim. Massenhafte Kitaplätze fehlen in Baden-Württemberg, allein in Mannheim sind es mehr als 1000. Für einen Ausbau braucht es Personal - doch Fachkräfte sind jetzt schon knapp. Mit dem Ausbildungsprojekt „Direkteinstieg Kita“ für Quereinsteiger will das Land gegensteuern. Ab September soll die Qualifizierung in Mannheim auch gefördert durch die Agentur für Arbeit angeboten werden - doch der Start läuft aus Sicht der Behörde holprig.

„Zusammen mit dem Jobcenter haben wir 55 Personen akquiriert, die für die Ausbildung geeignet sind und Interesse haben. Sie wären ab September startklar. Doch es fehlt an Kindertagesstätten, die bereit sind, Ausbildungsplätze für die Teilnehmenden zur Verfügung zu stellen“, sagt Thomas Schulz. Den Geschäftsführer der Agentur für Arbeit Mannheim überrascht die Zurückhaltung der Einrichtungen: „Seit Jahren hören wir, dass den Kindertagesstätten Personal fehlt. Deshalb wundert mich sehr, dass die Arbeitgeber so zögerlich Plätze für unser Direkteinstieg Kita-Programm anbieten.“

Das sagen die Mannheimer Kita-Träger

Die Plätze braucht es, weil die Ausbildung von Beginn an nicht nur aus Theorie-Modulen in der Fachschule - im konkreten Fall die Mannheimer Akademie für soziale Berufe - sondern auch aus einem Praxisteil besteht. Um die Ausbildung starten zu können, braucht jeder Teilnehmer deshalb einen Arbeitsvertrag mit einer Kindertagesstätte. Von den 55 potenziellen Kandidaten der Agentur für Arbeit haben bisher aber nur sechs einen Vertrag in der Tasche.

Direkteinstieg Kita – so funktioniert das Projekt

  • Mit der Initiative „Direkteinstieg Kita“ werden Menschen innerhalb von 23 Monaten zu sozialpädagogischen Assistenten ausgebildet.
  • Sie können nach ihrem Abschluss z.B. in Kitas, Kindergärten oder in der Schulkindbetreuung arbeiten und dort Erzieherinnen und Erzieher unterstützen.
  • Ziel ist es, Quereinsteiger schnell für eine Arbeit in der Kinderbetreuung zu qualifizieren.
  • Die Ausbildung besteht aus Theoriemodulen an einer Fachschule und Praxis-Modulen in einer Kita.
  • Die Agentur für Arbeit fördert die Qualifizierung unter bestimmten Voraussetzungen. Sie übernimmt u.a. die Kosten für den Lehrgang. Außerdem stockt sie das Gehalt der Teilnehmenden auf: Diese bekommen im Monat rund 2600 Euro. Die ausbildende Kita muss aber nur das übliche Ausbildungsgehalt von rund 1200 Euro übernehmen, den Rest zahlt die Agentur.
  • Die Förderung der Agentur für Arbeit richtet sich an „wieder ungelernte Beschäftigte“. Voraussetzung sind ein Hauptschulabschluss (Durchschnittsnote mind. 3,0) und ausreichend gute Deutschkenntnisse. Zudem muss eine erfolgreich abgeschlossene, mindestens zweijährige Berufsausbildung aus einem anderen Bereich nachgewiesen werden.

Einige weitere Plätze seien zwar in Aussicht gestellt. „Aber von 55 sind wir weit entfernt“, bedauert Schulz. Dabei brächten die Quereinsteiger-Kandidaten für Arbeitgeber Vorteile. „Das sind Menschen, die mitten im Leben stehen, in anderen Berufen schon Erfahrung gesammelt haben und wissen, was sie wollen“, so der Behördenchef.

Woran hakt es also? Die Antwort fällt bei den Kita-Trägern in Mannheim unterschiedlich aus. Bei der Evangelischen Kirche begrüßt man die Initiative zwar, da man auch in den eigenen 40 Kitas kontinuierlich qualifizierte Fachkräfte brauche. Am „Direkteinstieg Kita“-Programm der Agentur für Arbeit beteilige man sich aber nicht, „da unsere Ausbildungskapazitäten erfreulicherweise voll ausgelastet sind.“ Alle 70 ausgebildeten Anleiter betreuten derzeit bereits Auszubildende oder Anerkennungspraktikanten.

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Auch bei der Katholischen Gesamtkirchengemeinde (GKG) Mannheim begrüßt man die Initiative. Man habe jedoch nur wenige Ausbildungsverträge für das neue Kindergartenjahr über dieses Programm abschließen können, da erste Bewerbungen erst Ende Juni eingegangen seien.

„Zudem blieben Bewerbungsunterlagen bei zahlreichen Bewerberinnen und Bewerbern - trotz Nachfrage der GKG-Fachabteilung - häufig unvollständig, vereinbarte Bewerbungsgespräche wurden nicht wahrgenommen, oder es konnte kein Platz an der durch das Programm geförderten Fachschule nachgewiesen werden“, berichtet Lisa Geißler vom GKG-Kindergartenmanagement.

Eine Frage des Geldes

Teil des GKG-Bewerbungsverfahrens sei zudem die Hospitation in einer Einrichtung. Dies gestalte sich jedoch „so knapp vor Ende des laufenden Kindergartenjahres 2022/2023 als immens kurzfristig und schwierig“, so Andreas Krolop, stellvertretender GKG-Geschäftsführer.

Bei den kleineren, freien Kita-Trägern sprechen vor allem finanzielle Gründe gegen eine Beteiligung. Andrea Gerth vom Paritätischen Wohlfahrtsverband in Mannheim erklärt das am Beispiel eines Trägers einer eingruppigen Kita: Dieser müsste, bei voller Förderung durch die Agentur für Arbeit, Teilnehmern noch eine Ausbildungsvergütung von rund 1200 Euro im Monat zahlen, was rund 1500 Euro Arbeitgeberbrutto entspräche.

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Da in Mannheim nur 70 Prozent der Kita-Betriebsausgaben von der Stadt gefördert würden, müsste der Träger davon 450 Euro selbst finanzieren. „Das müsste durch Elternbeiträge aufgebracht werden, bei 20 Kindern wären das monatlich 22,50 Euro mehr pro Kind“, sagt Gerth.

Ein weiteres Problem sei, dass der Auszubildende im zweiten Jahr auf den Fachkraftschlüssel angerechnet werden müsse, um Förderung der Stadt zu bekommen. „Im Gegenzug müsste eine der drei festangestellten Fachkräfte ihren Stellenanteil für ein Jahr um 20 Prozent reduzieren.“

Stadt Mannheim stellt auch Plätze

Die Stadt Mannheim stellt in ihren Kitas nach Angaben von Andreas Müller, Leiter des Fachbereichs Tageseinrichtungen für Kinder, 13 Plätze für die von der Agentur für Arbeit geförderte Qualifizierung an der Akademie für soziale Berufe bereit.

Darüber hinaus bietet die Stadt die Qualifizierung „Direkteinstieg Kita“ schon etwas länger in Zusammenarbeit mit der Helen-Keller-Schule in Weinheim und der Helene-Lange-Schule in Mannheim an. 

Für Fachbereichsleiter Müller ist „Direkteinstieg Kita“ unterdessen eine Erfolgsgeschichte: „Insgesamt werden im Schuljahr 2023/2024 in unseren städtischen Einrichtungen 38 Menschen über das Programm qualifiziert.“ Dazu kämen jährlich rund 180 weitere Auszubildende und Praktikanten. „Damit sind unsere Ausbildungskapazitäten übervoll“, so Müller.

Redaktion Wirtschaftsreporterin

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