Das Wichtigste in Kürze
- Hans-Jörg Kraus liebt seine Heimatstadt Heidelberg und saniert dort am liebsten historische Gebäude oder probiert Ungewöhnliches aus.
- Sein neuestes Projekt: die Print Media Academy.
- Auf den Heidelberger Campbell Barracks entwickelt er ein ganzes Quartier.
Heidelberg. Das erste Haus aus dem Drucker in der Region, der bunkerartige War Room der US-Armee oder die verwaiste Print Media Academy – Hans-Jörg Kraus kauft, baut und saniert Gebäude, an die sich sonst keiner wagt. Wer ist dieser Mann, dem inzwischen 200.000 Quadratmeter von Heidelberg gehören? Ein Porträt eines leidenschaftlichen Machers.
Wir treffen Hans-Jörg Kraus auf den Campbell Barracks. Wo sonst, wenn nicht auf dem Konversionsgelände in der Heidelberger Südstadt? Hier gehören dem überzeugten Heidelberger mehr als 60 Prozent der alten Kasernengebäude-und Flächen, hier investiert er auf 40.000 Quadratmetern rund 250 Millionen Euro, entwickelt praktisch ein ganzes Quartier. „Campbell ist meine wohl größte Investition“, sagt Kraus – und die perfekte Spielfläche für seine Träume und Ideen.
Unsere Tour startet vor dem Wavehouse, das mit seiner Wellenform in hellem Beton zwischen all dem Kasernen-Backstein aussieht, als hätten es Aliens gebaut. Es ist das erste Heidelberger Haus aus dem 3-D-Drucker und das größte in Europa überhaupt. Vermietet wird es an ein Rechenzentrum. Pionier sein, eine völlig neue Technik am Bau ausprobieren – ein Fall für Kraus. „Ich bin wie ein Kind, ich liebe so etwas“, hatte er bei der Eröffnung erklärt. Und Kraus hat schon die nächsten Projekte aus dem Drucker am Start, will aber noch nicht mehr verraten.
Auf dem Weg zum nächsten Leuchtturmprojekt auf Campbell erklärt er noch schnell einer Passantin den Weg zur Fachpraxis um die Ecke (die Ärztin ist natürlich seine Mieterin), zeigt auf ein paar Grundstücke - wo er Neues plant oder schon verwirklicht hat. Und dann stehen wir vor dem H-Gebäude. Und Kraus geht das Herz auf – weil er hier ein ganz besonderes Stück Geschichte gerettet hat.
Aufgemalte Fenster erinnern an den War Room der US-Army
Dazu muss man wissen, dass Campbell von den Nationalsozialisten als „Großdeutschlandkaserne“ Ende der 1930er Jahre errichtet wurde. 1945 wurde sie von den Amerikanern übernommen und zum Hauptquartier der US-Streitkräfte in Europa und der NATO-Landstreitkräfte gemacht. In dem einst fensterlosen Verbindungsstück des H-Gebäudes befand sich der „War Room“ – aus diesem Raum sollen die Amerikaner ihre Auslandseinsätze gesteuert haben. Auf die Fassade waren Fenster aufgemalt, um auf Satellitenaufnahmen ein ganz normales Gebäude vorzutäuschen.
Der „Kriegsraum“ ähnelte einem Bunker, mit Tresortüren und abhörsicheren Wänden und Decken. Entsprechend aufwändig und teuer war die Sanierung. Das Gebäude musste komplett entkernt werden. „Die Invests in so ein Bestandsgebäude sind genauso hoch oder manchmal sogar höher als im Neubau.“ Ein Abriss kam für Kraus dennoch nicht in Frage. „Das ist für mich Heidelberger und deutsche Geschichte“, sagt er.
Als junger Mann habe er beim Wehrdienst ranghohe Militärs von Mannheim zum H-Gebäude gebracht, erzählt der 61-Jährige. Er hätte sich damals nicht vorstellen können, dass es ihm einmal gehören würde. Jetzt hat der einst düstere Zwischenteil, in dem unter anderem ein Coworking-Büro untergebracht ist, viele Fenster und ein gläsernes Obergeschoss. Um an die besondere Geschichte zu erinnern, hat Kraus zusätzlich stilisierte Fenster aufmalen lassen. „Für mich sind Immobilien mehr als nur Backsteine. Die haben eine gewisse Ausstrahlung.“
Kraus hat das Alte Hallenbald und ein Ofenwerk zu neuem Leben erweckt
Kein Wunder, dass sich in Kraus‘ prächtigem Portfolio viele markante, oft denkmalgeschützte Objekte finden, die er meist für eine gewerbliche Nutzung saniert: Das Alte Hallenbad beherbergt jetzt ein Hotel, einen Bio-Supermarkt und das „Körperwelten“-Museum. Im Heinsteinwerk, wo früher Öfen produziert wurden, finden sich jetzt Büros. Ihren alten Namen dürfen alle seine Schätze behalten, auch das gehört für ihn zur historischen Verantwortung.
Oder er kauft Gebäude, die wegen ihrer besonderen Architektur kaum Käufer finden, weil sie sich nur schwer und mit viel Aufwand für eine zweite Nutzung umbauen lassen – wie das alte Springer-Verlagsgebäude mit dem sechseckigen Lichthof. Auch die Print Media Academy hat Kraus jetzt erworben, ein Prestigebau für Heidelberger Druckmaschinen aus der Jahrtausendwende.
Der Maschinenbauer ist längst nach Wiesloch umgezogen, das einst so schicke Hochhaus – „übertechnisiert“ und teuer im Unterhalt – blieb sich seitdem selbst überlassen. „Am liebsten sind mir die Gebäude, an die sich sonst keiner rantraut“, sagt der Unternehmer. Kraus traut sich, weil er unbefangen an die Problemprojekte herangehe und auch seinen Projektpartnern „absolute Denkfreiheit“ verordnet.
Manchmal erschreckt sich Kraus selbst über seine hohen Investitionen
Manchmal zucke er zusammen, wenn er – wie in unserem Gespräch – über Hunderte Millionen Euro spricht, räumt er ein. Und manchmal müsse er sich selber bremsen. Er habe zwei große Krisen überstehen müssen, mit dem Kauf des Heinsteinwerk hätte er sich damals, noch ganz unerfahren, fast verhoben. Aber: „Ich stehe für alles gerade, was ich tue.“ Und aus seinen Fehlern habe er gelernt – anders als viele Projektentwickler sei er nie in die Pleite gerutscht.
Bei aller Begeisterung für seine architektonischen Juwelen vergisst der Diplom-Kaufmann das Rechnen nicht, das betont er, das ist ihm wichtig. „Man muss halt die Risiken im Verhältnis seiner wirtschaftlichen Fähigkeiten eingehen und das tue ich.“
Das Ungewöhnliche am Krausschen Geschäftsmodell: Fast alle Objekte, die er erwirbt und entwickelt, kauft er als Privatmann. Und behält sie dann auch. Sein Unternehmen – die Krausgruppe, mit rund 40 Beschäftigten – ist zuständig für Baumanagement, Verwaltung und Vermarktung der Immobilien. Angefangen hat es vor 60 Jahren, als der Vater ein Maklerbüro gründete. Der Sohn übernahm es 1992 und stieg in das Bauträgergeschäft ein. „Ich habe dann immer mehr im eigenen Bestand gemacht – ich muss ja keine Shareholder bedienen.“äll
Der 61-Jährige bereitet seinen Rückzug vor – es fällt ihm schwer
Mit dem wachsenden Immobilienbesitz als Sicherheit lassen sich denn auch Großprojekte wie Campbell angehen. Ganz bewusst beschränkt sich Kraus auf Heidelberg, weil er sich hier auskennt, sein Netzwerk als Wissensressource und seine alten Schulfreunde hat, die mit ihm die Projekte durchziehen.
Die Immobilien sind inzwischen in eine Familiengesellschaft überführt – 200.000 Quadratmeter Heidelberg und ein Strauß völlig unterschiedlicher Gebäude. So viel markante Architektur in einer Hand – darauf ist der 61-Jährige stolz, und bereitet schon strategisch seinen Rückzug vor. „Viele verpassen ja den Abgang, aber ich will in zehn Jahren komplett raus sein.“
Bis 2027 sollen die laufenden Großprojekte abgeschlossen sein. Dann wird die Krausgruppe in eines der neuen Büros der Print Media Academy einziehen, ein Chefbüro für Kraus soll es dann schon nicht geben. Als Signal an alle, aber auch als Erinnerung an ihn, loszulassen und nicht mehr zuviel Neues anzupacken.
Das falle ihm schwer, räumt er ein. Natürlich hoffe er, dass seine Nachfolge in der Familie bleibe. Kraus hat zwei Kinder und zwei Stiefkinder. „Aber ich muss zuerst ein Vakuum schaffen, damit andere nachrücken können.“
Kraus: „Das ist ein sensationelles Gefühl“
Ganz oben, auf dem Balkon des H-Gebäudes, zeigt Kraus auf das alte Torhaus mit dem eingerüsteten Turm am Eingang der Campbell Barracks. Auch das gehört Hans-Jörg Kraus und wird gerade von Grund auf saniert. Dann schweift sein Blick über das Campbell-Gelände, über all die Gebäude, denen er neues Leben eingehaucht hat, ob als Kitas, Wohnungen oder Büros. Als Projektentwickler, der nur in einer Stadt tätig ist, ein ganzes Quartier zu entwickeln – das sei etwas Besonderes. „Irgendwann steht man da und guckt da drauf. Das ist einfach ein sensationelles Gefühl.“
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/wirtschaft_artikel,-wirtschaft-hans-joerg-kraus-der-mann-dem-200000-quadratmeter-heidelberg-gehoeren-_arid,2326826.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://www.mannheimer-morgen.de/wirtschaft_artikel,-regionale-wirtschaft-wie-es-bei-mannheimer-gewerbebauprojekten-vorangeht-_arid,2324590.html
[2] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/heidelberg.html
[3] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://www.mannheimer-morgen.de/wirtschaft_artikel,-regionale-wirtschaft-was-am-heidelberger-haus-aus-dem-3d-drucker-anders-ist-_arid,2171690.html
[4] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://www.mannheimer-morgen.de/wirtschaft_artikel,-regionale-wirtschaft-heidelberg-it-wer-ist-die-firma-im-neuen-wavehouse-_arid,2171729.html
[5] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://www.mannheimer-morgen.de/orte/heidelberg_artikel,-heidelberg-ein-zuhause-fuers-arbeiten-_arid,2049259.html
[6] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://www.mannheimer-morgen.de/orte/heidelberg_artikel,-heidelberg-krausgruppe-und-ggh-wollen-in-heidelberg-aus-bueros-wohnungen-machen-_arid,2302543.html
[7] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://www.mannheimer-morgen.de/orte/heidelberg_artikel,-heidelberg-print-media-academy-wechselt-besitzer-_arid,1753013.html