Nachruf

Gert Goebel: Langjähriger Chef der „MM“-Wirtschaftsredaktion gestorben

Der profilierte Wirtschaftsjournalist Gert Goebel begegnete Spitzenmanagern auf Augenhöhe. Als Ressortleiter führte er ein damals höchst innovatives Modell ein. Ein Nachruf.

Von 
Bettina Eschbacher
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Gert Goebel (links) 2005 bei seiner Verabschiedung als Leiter der Wirtschaftsredaktion mit vielen Unternehmensvertretern der Region – hier beim Händeschütteln mit BASF-Vorstand Eggert Voscherau. © MASTERPRESS PROSSWITZ

Mannheim. Gert Goebel, langjähriger Leiter der Wirtschaftsredaktion des „Mannheimer Morgen“, ist am 21. Oktober im Alter von 83 Jahren gestorben. Er galt weit über die Metropolregion hinaus als einer der profiliertesten Wirtschaftsjournalisten in Deutschland.

Das Wirtschaftsressort leitete er von 1975 bis 2005. Danach fungierte der gebürtige Freiburger in Altersteilzeit als „MM“-Beauftragter für die Zukunftsinitiative Rhein-Neckar-Dreieck, das in dieser Zeit zur Metropolregion aufstieg. 2007 ging er in Ruhestand. Bevor Goebel nach Mannheim kam, hatte er bei der „Berliner Morgenpost“ und der „Welt“ im Springer-Konzern gearbeitet.

Gert Goebel hatte ein Faible für kreative Überschriften

Goebel berichtete über all die Großen, wie Siemens, VW oder Bertelsmann, sein Fokus lag aber auf der Region: Als deren profunder Kenner, der VWL in Heidelberg und an der Sorbonne studiert hatte, schrieb er zum Beispiel über die BASF, Roche, Daimler, MVV, John Deere und Heidelberger Druckmaschinen. Kompetent, analytisch - und doch in verständlicher Sprache.

Trocken sollte Wirtschaft bei ihm auf keinen Fall sein. Er liebte ausdrucksstarke Metaphern und war berühmt-berüchtigt für seine Überschriften, in denen er kreativ die Charakteristika einer Firma mit bildhaften Ausdrücken verband. Zum Beispiel: „Bei Daimler fährt noch vieles schief“ oder „Phoenix hat die richtigen Wachstumspillen“.

Goebel verstand es, Topmanagern dank seines journalistischen Gespürs gepaart mit spitzbübischem Charme Informationen zu entlocken, die diese eigentlich lieber für sich behalten hätten. Wenn er mit den Antworten nicht zufrieden war, bohrte er beharrlich-freundlich nach – bis er wusste, worauf es ihm ankam. Und dank seines ausgezeichneten Gedächtnisses konnte er Ereignisse und Zahlen bestens einordnen.

Immer entspannt – auch kurz vor Redaktionsschluss

Von seinem Können und Wissen haben viele seiner früheren Mitarbeitenden profitiert. Er war zugewandt, kommunikativ und immer entspannt. Ein nahender Redaktionsschluss konnte ihn da nicht schrecken, zumal seine Texte, die er seiner Sekretärin Ingrid Schwöbel in die Schreibmaschine, später in den Computer diktierte, immer perfekt waren.

Seine Bürotür war stets offen, man konnte mit allen Fragen und Problemen zu ihm kommen – es sei denn, sein geliebter Dackel war zu Besuch und verteidigte den Eingang. Als Vorgesetzter war er durchaus auch fordernd, setzte er doch hohe Standards für seine Wirtschaftsredaktion. Dabei konnte er Fehler schnell verzeihen oder mit Humor kontern, etwa als die Autorin dieses Artikels in ihren ersten Wochen als Wirtschaftsredakteurin das Ressort mit einer verdrehten Überschrift in den Hohlspiegel des „Spiegel“-Magazins katapultierte.

Goebel hatte immer einen Schlips für Kollegen parat

Den Mitgliedern seines Ressorts stand er immer zur Seite und schuf zum Beispiel das allererste Job-Sharing-Modell im „Mannheimer Morgen“ – als Teilzeit noch die große Ausnahme in der Branche war. Nebenbei hatte er immer einen Schlips parat, wenn ein junger Kollege ohne ein adäquates Outfit auf dem Weg zu einem Termin war. Im Redaktionsrat des MM setzte er sich für die Mitarbeitenden ein und scheute dabei auch keine Auseinandersetzung mit der Chefredaktion.

Und als noch niemand von Networking sprach, gründete Goebel 1988 den Club der Kurpfälzischen Wirtschaftsjournalisten mit. 31 Jahre leitete er den Club, formte ihn aus kleinen Anfängen zu einer wichtigen Plattform für den Austausch zwischen Wirtschaftsjournalisten und Unternehmen in der Metropolregion. Auch als er den Vorsitz weitergab, blieb er dem Club als Ehrenvorsitzender weiter verbunden.

Redaktion Bettina Eschbacher ist Teamleiterin Wirtschaft.

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