John Deere mit den Farben Grün und Gelb ist aus dem Mannheimer Wirtschaftsleben nicht wegzudenken. Hier ist die Europa-Zentrale des 1837 in den USA gegründeten Konzerns ansässig. Die John Deere GmbH & Co.KG mit Sitz in der Quadratestadt ist Deutschlands größter Landtechnikhersteller, beschäftigt rund 6500 Mitarbeiter an sechs Standorten in der Bundesrepublik, davon allein rund 3500 in Mannheim.
Doch die Erfolgsgeschichte von John Deere in Europa hätte kaum erfolgen können, wenn nicht der berühmte Heinrich Lanz ab 1859 eine Landtechnik-Firma in Mannheim geprägt hätte, die rauschende Erfolge erlebte, im Jahre 1956 aber in erhebliche Schwierigkeiten geriet - und erst durch den Einstieg der Amerikaner wieder auf gesunde Beine kam.
Doch der Reihe nach. Heinrich Lanz wurde 1838 in Friedrichshafen am Bodensee geboren. Er machte eine Lehre als Kolonialwarenhändler und trat 1859 in die väterliche Speditionsfirma in Mannheim ein. Der junge und dynamische Unternehmer fing an, landwirtschaftliche Maschinen wie Futterschneide- und Dreschmaschinen zu importieren und zu reparieren. Ab 1867 begann die Firma eigene Produkte wie Futterschneidemaschinen herzustellen. 1879 verließ der erste selbstgebaute Maschinensatz (Dreschmaschine und Lokomobile) die Werkstatt. Das Unternehmen expandierte heftig, auf internationalen Ausstellungen wurden bedeutende Preise und Auszeichnungen errungen. Die "Lanzsche Fabrik" hatte ihren Standort zunächst in der Mannheimer Schwetzingerstadt in der Nähe des Hauptbahnhofs. Aus Platzgründen wurde sie ab 1888 in den benachbarten Stadtteil Lindenhof verlagert.
Heinrich Lanz starb 1905, sein Sohn Karl übernahm die Firmenleitung. Beim Jubiläum zum 50-jährigen Bestehen im Jahre 1909 war bereits die Zahl von 4000 Beschäftigten überschritten. Lanz war inzwischen eine weltweit bekannte Firma, auch international mit seiner modernen Landtechnik sehr gefragt.
Ab 1921 begann dann eine neue Ära: Traktoren mit Verbrennungsmotoren sollten die schwerfälligen Dampfmaschinen ablösen. Karl Lanz starb bereits 1921 im Alter von nur 48 Jahren. Fritz Huber, ein bis dahin unbekannter Ingenieur, gab jetzt entscheidende Impulse. Die Lokomobile, fahrbare, eiserne Ungetüme zum Dampfantrieb von Dresch- und Häckselmaschinen, entsprächen nicht mehr den Anforderungen und dem Stand moderner Technik. Huber stellte einen Rohölmotor mit zwölf PS und Glühkopfzündung vor. Dieser Glühkopfmotor war der erste Bulldog und lief mit nahezu jedem Treibstoff - vom Rohöl bis zum heimischen Pflanzenöl. "Das Prinzip ist von genialer Primitivität", urteilte die Presse damals. Ein Traktor war entwickelt, der unter dem Namen "Bulldog" schließlich zum Gattungsbegriff für landwirtschaftliche Zugmaschinen überhaupt wurde.
Im Jahre 1925 wurde die Aktiengesellschaft Heinrich Lanz gegründet, 1931 übernahm die Deutsche Bank die Aktienmehrheit. Die Familie Lanz schied aus der Firma aus. Im Zweiten Weltkrieg wurden die Fabrikhallen weitgehend zerstört, vor allem den Standort Mannheim traf es hart. Lanz kam wieder auf Touren, so richtig aber doch nicht. Technologisch geriet die Traditionsfirma mehr und mehr ins Hintertreffen, die Konkurrenz war fortschrittlicher. 1956 drohte die Pleite, jetzt kam John Deere ins Spiel. Die US-Firma, bislang nur auf dem amerikanischen Markt präsent, wollte in Europa Fuß fassen. Für gut 21 Millionen Mark übernahm John Deere 51 Prozent der Anteile.
Eine auch menschlich schwierige Phase begann, zwei Welten und Unternehmenskulturen prallten da aufeinander. Und so kam es 1960 zu jenem skurrilen Aufstand, der als "Bierstreik" in die Geschichte einging. Hemdsärmelig wollten die Amerikaner die deutsche Traditionsfirma auf Vordermann bringen, der bullige Generaldirektor Harry B. Pence, schnell als der "harte Harry" verschrien, sollte es richten. Das Arbeitsklima wurde rasch sehr frostig. Pence brachte die Stimmung endgültig auf den Siedepunkt, als er an der Frühstückspause rüttelte. In Zeiten des "alten Lanz" hatte dieser irgendwann am Vormittag erklärt: "So, Männer, jetzt esse mer was", und dann nahm sich jeder, wie er wollte, seine Pause, ein Brauereiwagen auf dem Werksgelände sorgte für den genehmen Gerstensaft.
Dem "harten Harry" ging das enorm gegen den Strich, er wollte das "wilde Frühstücken" beenden. Die neue Pausenregelung sah vor: Maximal 15 Minuten darf das Frühstück dauern, außerdem hat es abteilungsweise in festgelegter Zeitfolge zu geschehen. Die Mitarbeiter sollten nicht mehr in die Kantine gehen, Pence ließ acht bulldoggengesichtige Lanz-Schlepperfahrzeuge zu fahrbaren Kantinen ausbauen. Als dann auch noch die Preise für die Esswaren stiegen und die Bierflaschen kleiner wurden, da kam es zum mehrtägigen Aufstand, eben zum "Bierstreik". Aus heutiger Sicht eine lustige Episode. Am Rande erwähnt: Noch bis zum Jahre 1992 war das Biertrinken auf dem Werksgelände erlaubt, erst dann kam es zu einer "alkoholvernichtenden" Betriebsvereinbarung.
So ändern sich die Zeiten, wirtschaftlich sind diese aber für Lanz nach der Übernahme durch John Deere spürbar besser und erfolgreicher geworden. Lanz bekam neue Techniken von John Deere, die Amerikaner schafften schnell den Zugang zum europäischen Markt. 1958 wurde das "Lanzblau" in die Farben Grün und Gelb von John Deere umgewandelt. Und 1967 ist auch der Name Lanz aufgegeben worden. Das Werk in Mannheim hieß fortan nur noch "John Deere Werke Mannheim".
Auf alle Fälle ist der Standort Mannheim nicht unter die Räder gekommen. Hier sitzt die europäische Bereichsleitung des US-Konzerns, zuständig für Europa, die GUS-Staaten, Nordafrika, Nah-und Mittelost. Doch auch als Produktionsstandort ist Mannheim erstklassig, rund 60 Prozent der in Deutschland hergestellten Traktoren fahren in Mannheim aus den Fabrikhallen. Auch an den anderen deutschen Standorten, vor allem in Zweibrücken (Mähdrescher, Feldhäcksler), Bruchsal (Fahrerkabinen, Europäisches Ersatzteilzentrum, Vertrieb) und Kaiserslautern (Forschung und Entwicklung) sind die Weichen in eine gute Zukunft gestellt.
Sicherlich wird es John Deere auch gelingen, mit den aktuellen Marktschwierigkeiten fertigzuwerden. Die Bauern halten sich derzeit in weiten Teilen der Welt mit Investitionen in neue Landtechnik zurück. Das ist auch am Standort Mannheim deutlich zu spüren. Hier wird die Traktorenproduktion im laufenden Jahr voraussichtlich um fünf Prozent unter dem Vorjahresniveau von 29 000 Einheiten liegen. Doch wie gesagt: Ein derartiges Auf und Ab kommt in der Branche immer wieder vor.
John Deere
John Deere wurde im Jahre 1837 vom gleichnamigen Hufschmied gegründet und zählt zu den ältesten Industrieunternehmen der Vereinigten Staaten.
Sitz ist in Moline im US-Bundesstaat Illinois.
John Deere ist der weltweit größte Landtechnikhersteller sowie ein bedeutender Anbieter von Bau- und Forstmaschinen und Maschinen für die Rasen- und Grundstückspflege.
Hauptstandort in Europa ist Deutschland. Hier wurde 1956 die Heinrich Lanz AG in Mannheim übernommen.
Mit über 57 000 Mitarbeitern erzielte John Deere zuletzt weltweit einen Umsatz von 28,8 Milliarden Dollar.
Die deutschen Unternehmensteile, das sind vor allem fünf Fabriken, erwirtschafteten einen Umsatz von 3,17 Milliarden Euro.
Mannheim ist die Zentrale für alle Geschäfte in Europa, Afrika und Mittelost. goe
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