Landgericht

Dreister Betrug mit Testzentren: Urteil am Mannheimer Landgericht

Sechs Jahre und vier Monate für 26-Jährigen

Von 
Waltraud Kirsch-Mayer
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Mannheim. Der Automobilkaufmann hatte schon beim Haftrichter gestanden, zu Unrecht Corona-Soforthilfen kassiert zu haben, außerdem für nicht existierende Testzentren sowie fiktive Virusanalysen 44 Millionen Euro geltend gemacht, aber letztlich 165 000 Euro bezogen zu haben. Der 26-Jährige bleibt im Gefängnis. Die dritte Wirtschaftsstrafkammer des Mannheimer Landgerichts verurteilte ihn in zwei Tatkomplexen – unter Einbeziehung einer gebrochenen Bewährungsstrafe – zu zwei Jahren und vier Monaten sowie zu vier Jahren, also insgesamt zu sechs Jahren und vier Monaten. Außerdem ordnete das Gericht zum Ausgleich der Betrugsschäden das Einziehen von Bargeld wie von Wertsachen an, die aus „Beute“ finanziert worden sind – beispielsweise ein Mercedes AMG, der in der Garage des Bruders auftauchte. Noch im Gerichtssaal nimmt der Angeklagte das Urteil an.

Die Plädoyers wurden vormittags gehalten. „Die Tinte war unter dem Urteil noch nicht trocken“, als sich der Angeklagte erneut straffällig verhielt – so schildert Erste Staatsanwältin Isa Böhmer „die Rückfallgeschwindigkeit“ bei den schon vor Corona zur Last gelegten Betrügereien. Sie verweist auf die Dreistigkeit des Mittzwanzigers, der in der U-Haft seiner Verlobten in einer an der Zensur vorbei geschmuggelten Mitteilung erläutert, wie eine teure Nobeluhr mittels fingiertem Kaufvertrag „gerettet“ werden könne. Die Staatsanwältin bewegt sich mit ihrem vorgeschlagenen Strafmaß im Wesentlichen auf der Linie des später verkündeten Gerichtsurteils.

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Verteidiger Steffen Lindberg trägt zur Entlastung vor, sein Mandant habe aufgrund familiärer Kindheitserlebnisse unter mangelndem Selbstwert gelitten und versucht, dieses mit (vermeintlichem) Erfolg samt Statussymbolen zu erhöhen – „auch mit einer Protz-Rolex“.

Anwalt Ulrich Neumann betont das frühe Geständnis. Das Strafmaß stellt die Verteidigung ins Ermessen des Gerichts. „Es tut mir leid“ – mit diesem „letzten Wort“ wendet sich der 26-Jährige an die im Saal versammelte Familie, die aufgrund seiner Betrügereien teilweise in den Fokus der Ermittlungen geriet. Beispielsweise, weil die Mutter Bargeld, knapp 100 000 Euro, verwahrt hat, weil Personalien von Angehörigen ohne deren Wissen für getrickste Anmeldungen missbraucht wurden.

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Acht erfundene Einrichtungen

Bei der Urteilsverkündung geht der Vorsitzende Richter Boos auf die lange Betrugskarriere des Angeklagten ein: Dazu gehört, dass dieser einem schwer körperlich behinderten jungen Mann eine Liebesbeziehung vorgaukelte, um an dessen Paypal-Daten für Internetkäufe zu kommen.

Der Richter schildert die acht fiktiven Corona-Testzentren in Mannheim und Ludwigshafen, die Millionen bringen sollten, als „Luftnummer“. Allerdings flogen die gefälschten Anmeldungen weitgehend auf. Die Kammer stützt sich auf das psychiatrische Gutachten, das dem Mittzwanziger zwar eine „dissoziale Entwicklung“ und Geltungssucht attestiert, aber nicht im Sinne einer schuldmindernden Erkrankung.

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