Urteil

Urteil am Mannheimer Landgericht: Haftstrafen für Corona-Betrüger

Wirtschaftsstrafkammer verurteilt zwei Männer wegen schweren Computerbetrugs im Zusammenhang mit falschem Testzentrum

Von 
Waltraud Kirsch-Mayer
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Die Wirtschaftsstrafkammer des Langerichts Mannheim hat zwei Männer wegen schweren Computerbetrugs im Zusammenhang mit falschem Testzentrum verurteilt. © Roland Schmellenkamp

Mannheim.

Von einem „Potemkinschen Dorf“ mit der Mannheimer Adresse Schwetzinger Straße spricht Oliver Ratzel, Vorsitzender Richter der 5. Großen Wirtschaftsstrafkammer am Landgericht. Er meint damit das einstige Corona-Testzentrum „Impuls“, das als „funktionierende Fassade“ gedient hat, um im Pandemie-Jahr 2021 Virus-Schnellanalysen zu Unrecht abzurechnen und gut zwei Millionen Euro zu erschleichen.

Wegen Computerbetrugs als besonders schwerem Fall sind am Mittwoch zwei ehemalige Freunde, die sich nach Ägypten abgesetzt hatten, aber dort aufgespürt wurden, zu hohen Gefängnisstrafen verurteilt worden – zu sechs Jahren und vier Monaten sowie zu fünf Jahren und zwei Monaten. Die Haftbefehle bleiben wegen Fluchtgefahr bestehen.

Welcher der beiden Angeklagten hat was getan und in welcher Rolle? Diese Frage ist am Tag zuvor in den Schlussvorträgen höchst unterschiedlich beantwortet worden. Die Verteidiger schilderten ihren jeweiligen Mandanten als Gehilfen des einstigen Kumpels. Ohnehin hatten sich die beiden Männer im Prozess gegenseitig massiv belastet. Hingegen ging die Staatsanwältin von gemeinschaftlichen wie gewerblichen Betrügereien innerhalb einer Bande aus.

Manipulierte Namenslisten

Auch wenn die Kammer in vielen Punkten der Anklage folgt, so gibt es Abweichungen: Das Urteil basiert auf Computerbetrug – weil es sich bei den Abrechnungsmodalitäten um ein automatisiertes digitales System gehandelt hat. Außerdem geht das Gericht von „keiner Bandenabrede“ aus – auch wenn mit gesondert verfolgten Betreibern von ebenfalls dubiosen Corona-Testzentren untereinander Infos nebst manipulierter Dokumente ausgetauscht wurden.

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Die Kammer, so der Vorsitzende, sei überzeugt, dass Samer A. (Jahrgang 1985) und Gianfranco F. (1991) gemeinsam ein nach „außen funktionierendes Testzentrum“ ausheckten, „um damit an Geld zu kommen“. Ratzel spricht von „gleichberechtigten Tätern“ – auch wenn es Gianfranco F. war, auf dessen Namen die Anmeldung lief und auf dessen Konto die Gelder überwiesen wurden. Profitiert hätten beide von den erschlichenen Leistungen.

Dass zum Aufrechterhalten des „Potemkinschen Dorfes“ auch Tests erfolgt sind , wenngleich mit nicht zugelassenen Analyse-Utensilien, spiele rechtlich keine Rolle, weil grundsätzliche Voraussetzungen fehlten – nämlich qualifiziertes Personal sowie eine ordnungsgemäße Dokumentation. Vielmehr hätten die in zwei Ordnern vorgelegten Namenslisten reichlich Manipulationen offenbart – beispielsweise an einem Tag mehrfach auftauchende Personen, teilweise mit ausländischen Wohnorten wie Rom.

Angeklagte hatten leichtes Spiel

Als strafmildernd habe die Kammer die beiden Geständnisse – von Samer A. allerdings erst am letzten Tag – gewertet und auch die Tatsache, dass die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg zunächst keinerlei Kontrolle ausübte. „Es wurde leicht gemacht“, so Richter Ratzel. Gleichwohl sei „kriminelle Energie“ aufgewendet worden, um „Impuls“ den Anschein eines realen Testzentrums zu verleihen – was zunächst auch gelang.

Bei der Strafzumessung des Familienvaters Samer A. – nämlich sechs Jahre und vier Monate – hat die Kammer als negativ bewertet, dass dieser erheblich vorbestraft ist und eine noch laufende Bewährung gebrochen hat. Mit deutlich geringerem Vorstrafenregister und einem umfassenden Geständnis verhängt die Kammer bei Gianfranco F. fünf Jahre und zwei Monate. Neben den Wochen in deutscher U-Haft werden die jeweiligen Tage in ägyptischer Auslieferungshaft angerechnet. Im Prozess war zur Sprache gekommen, dass die geschnappten Flüchtigen bis zu ihrer Überführung in einer feuchten, dunklen Massenunterkunft ohne ausreichend Schlafplätze, Verpflegung und Hygiene ausharren mussten.

Das Gericht ordnete das Einziehen von Wertersatz an – im Falle von Samer A. jene 107 000 Euro, die über verschiedene Konten an ihn beziehungsweise dessen Ehefrau geflossen sind. Bei Gianfranco F. beträgt der Einziehungsbetrag zwei Millionen – weil das Testzentrum unter seinem Namen angemeldet war. 800 000 Euro sind inzwischen gesichert worden.

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