Rhein-Neckar-Kreis.
Welches Geschäft die St. Hippolyt Mühle für sich entdeckt
Insekten und Würmer zu essen ist in vielen Ländern völlig normal. Ganz anders in Deutschland. Supermärkte haben den Versuch gewagt - und Snacks aus Grillen, Mehlwürmern und Heuschrecken angeboten. Meistens sind diese Produkte aber schon wieder aus den Regalen geflogen. Ist der Ekelfaktor bei uns einfach zu groß?
Die Zeit für den Markt kommt noch, ist Bernd Ebert überzeugt. Ebert sitzt in der Geschäftsführung der St. Hippolyt Mühle in Dielheim bei Wiesloch. St. Hippolyt ist vor allem bekannt für sein Pferdefutter. Das Unternehmen gehört nach eigenen Angaben zu den international führenden Herstellern. Die Hälfte der Produktion geht ins Ausland, vor Kurzem sind sogar Kunden aus den Vereinigten Arabischen Emiraten in Dielheim zu Besuch gewesen. St. Hippolyt verwendet überwiegend nachhaltig gewonnene Rohstoffe aus regionalem Vertragsanbau. Die Nahrungsmittel- bzw. Protein-Produktion aus Insekten soll künftig ein weiteres Standbein werden.
Ebert und sein Sohn Ivo Ebert-Brenninkmeyer, ebenfalls in der Geschäftsführung, werfen Folien an die Wand, preisen die Vorteile von Insekten an. Bei der Ressourceneffizienz sind sie unschlagbar: Der essbare Anteil ist deutlich größer als bei Rindern, sie brauchen viel weniger Futter, viel weniger Wasser und viel weniger Landfläche. Tolle Protein-Lieferanten sind sie sowieso.
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Auf der nächsten Folie sind Fotos von frisch geschlüpften Larven und geernteten Larven des Mehlwurms, lateinisch Tenebrio molitor, zu sehen. Dann „Weiterverarbeitung und Veredelung der Insekten“. St. Hippolyt, genauer gesagt die Tochtergesellschaft Ceprico, arbeitet derzeit an einer Pilot-Insektenfarm. Ohne die vielen bürokratischen Hürden könnte sie schon längst weiter sein, sagen die Eberts.
Die Idee hinter allem: An den Mehlwurm können Mühlennachprodukte (Kleie, Bollmehl, Nachmehl) verfüttert werden, die für den Menschen nur einen geringen Nährstoffgehalt bieten. Der so heranwachsende Mehlwurm ist eine Quelle tierischer Proteine - und sicher für den Verzehr durch Mensch und Tier.
St. Hippolyt wurde 1988 gegründet und hat 160 Beschäftigte. Der Stammsitz befindet sich in der Dielheimer Ortsmitte. Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft stehen bei St. Hippolyt ganz oben. „Wenn man in Kreisläufen denkt, gibt es keinen Abfall“, sagt Bernd Ebert.
Die Maschinen sind Marke Eigenbau. Das Unternehmen unterhält eine eigene Technik-Abteilung. Mit einem hohen Wirkungsgrad erzeugt ein eigens konzipiertes Biogas-Blockheizkraftwerk Strom, Dampf und Wärmeenergie für die Produktion.
Die Beschäftigten tragen Poloshirts in grün, der Markenfarbe von St. Hippolyt. Zur Belegschaft gehört auch George - ein zehnjähriger Mops, der immer gerne das neueste Hundefutter von St. Hippolyt probiert.
Wie die Badewelt Sinsheim nachhaltiger werden will
Am Fuße der Burg Steinsberg erstreckt sich auf über 164 000 Quadratmetern die Thermen & Badewelt Sinsheim. Seit Ende 2012 gibt es sie, etwa 600 000 Gäste kommen pro Jahr. Das Einzugsgebiet ist riesig: Heidelberg, Karlsruhe, Mannheim, Stuttgart, Heilbronn. Ein Erlebnis mit Kultur, Erholung und Re-Aktivierung verspricht das Unternehmen, und das mit Blick auf die Hügel des Kraichgaus. Als Hallenbad für Sinsheimer Vereine und Schulen erfüllt das Bad zudem einen gemeinnützigen Zweck. Sinsheim gehört zur Josef Wund Stiftung, ebenso die Bäder in Euskirchen und Titisee.
Vitaltherme, Sauna, Palmenparadies, Paradise Beach. Ein auffahrbares Panorama-Glasdach, eine aufwendige Beleuchtung. Das alles klingt nicht nur energieintensiv, das ist es auch. Die Thermen & Badewelt Sinsheim beschäftigt deshalb eigens einen Nachhaltigkeitsmanager, Kai Zimmermann heißt er.
Draußen vor dem Gebäude zeigt Zimmermann auf die Parkplätze und erklärt: Hier ist eine Überdachung mit Photovoltaik-Modulen von 4,4 Megawatt Gesamtleistung geplant. Auch für Nicht-Badegäste sind Ladeeinrichtungen für Elektroautos vorgesehen. Man wolle gemeinsam mit der Metropolregion Rhein-Neckar die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr verbessern, ergänzt Zimmermann.
Zum Nachhaltigkeitskonzept gehört zudem, dass der Abluft Wärme entzogen und woanders wieder zugeführt wird. Für die Energiegewinnung setzt die Badewelt auf Ökostrom. Derzeit prüft Zimmermann den Einsatz von Wärmepumpen und Geothermie. In den Saunen steckt Holz aus dem Odenwald. Der Einsatz von energie- und wassersparenden Geräten ist Standard.
Ob Besucher den Aufenthalt in der Badewelt wirklich mit einem Urlaub am Meer gleichsetzen, sei dahingestellt - jedenfalls wirbt das Unternehmen damit, dass sich unter Sinsheimer Palmen der CO2-Fußabdruck verkleinern lasse. Schließlich spare man sich den Flug ans Mittelmeer oder in die Karibik.
Etwa 120 Mitarbeiter hat die Badewelt Sinsheim derzeit. Man habe kein Problem, offene Stellen zu besetzen, sagt Geschäftsführer Edelfried Balle. „Wir tun aber auch einiges dafür.“ Soll heißen: Es geht nicht nur um die Bezahlung, sondern auch um die Erhöhung der Lebensqualität. So beobachtet das Management, dass Beschäftigte auch freie Stunden in der Badewelt verbringen.
An Erholung und Wellness sparen die Menschen in Zeiten hoher Inflation offensichtlich nicht. Die Auslastung des Bades sei permanent hoch, sagt Balle. Es hat 365 Tage im Jahr geöffnet. Eine Erweiterung ist schon in Planung.
Wie sich Junker-Filter gegen Konkurrenz aus Asien behauptet
„120 Mitarbeiter, 20 Millionen Euro Umsatz, familiengeführt, produzierendes Unternehmen mit eigenen Produkten. Einziger Standort in Deutschland: Sinsheim.“
So beschreibt sich Junker-Filter selbst. Das Unternehmen, gegründet 1956, stellt Filterkomponenten für so gut wie jede Branche her, von A wie Abwasser bis Z wie Zuckerindustrie. Von Einzelstücken bis in die Millionen reichen die Stückzahlen. Geliefert wird in die ganze Welt. Jeder der sechs Würfel im Logo steht für ein Geschäftsfeld. „Wir sind breit aufgestellt, das macht uns resilienter“, sagt Geschäftsführer Jürgen Junker.
Junker ist Unternehmer durch und durch, das ist in jeder Sekunde zu spüren, wenn man ihn reden hört. Als studierter Verfahrenstechniker und Chemieingenieur tüftelt er gerne selbst mit. Seine Überzeugung: Unternehmen müssen nicht jedem Hype folgen - aber immer offen sein für Innovationen.
Das Geschäft brummt, doch es ist alles andere als ein Selbstläufer. „Wir haben schon die Sorge, dass produzierende Betriebe nach und nach aussterben“, erklärt Junker. Er wünsche sich am Standort Deutschland insgesamt „eine gesunde Mischung aus Produktion und Dienstleistung“.
Tagtäglich wird die Konkurrenz aus Asien stärker, vor allem bei Standard-Produkten. Junker will mit Hightech- und Nischenprodukten gegensteuern. Neue Fachkräfte zu finden, ist den Angaben nach so schwierig, dass die Belegschaft sogar an den Wochenenden Sonderschichten schieben musste und muss.
Die Sinsheimer Produktion ist bereits hoch automatisiert, ohne geht es nicht mehr. Neben Handarbeit an Nähmaschinen sind in der Werkshalle automatisierte Linien mit Robotertechnologien zu sehen. Hinzu kommt unter anderem ein 3D-Druckzentrum.
Gegen hohe Energiekosten ist Junker gewappnet, denn das Unternehmen ist auf dem Weg zur CO2-neutralen Produktion. Seit Jahren wird Geothermie genutzt, eine Erweiterung der Photovoltaik-Anlagen ist geplant. Zudem sollen neue Produktlinien für klimaschonende Antriebstechnologien entstehen, weil es auch für Wasserstoff-Technologien Filter braucht. „Mit dem Klimawandel muss man sich unternehmerisch auseinandersetzen“, ist Junker überzeugt.
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