Bau (mit Video)

3D-Druck: In Heidelberg entsteht ein Haus aus dem Drucker

Es sieht aus, als ob eine riesige Tube Zahnpasta ausgequetscht wird und sich dabei Stück für Stück vorwärtsbewegt. So funktioniert das innovative Verfahren, das sogar die Nasa auf dem Mond anwenden will

Von 
Bettina Eschbacher
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Ein Spezialmörtel wird aus dem Druckkopf gequetscht und vertikal aufgetragen. Die Technik eignet sich besonders gut für geschwungene Formen. © Lisa Kaufmann

Heidelberg. Es sieht aus, als ob eine riesige Tube Zahnpasta ausgequetscht wird und sich dabei Stück für Stück vorwärtsbewegt. Die „Tube“ ist allerdings ein zentnerschwerer Druckkopf, der Beton aufträgt. Über ein Gestell mit drei meterlangen Achsen zieht der Portaldrucker seine Bahnen. Er wird über einen Schlauch ständig mit Spezialmörtel befüllt, den er dann in zwei Zentimeter dicken Schichten vertikal aufträgt. Und das immer wieder, Schicht für Schicht vom Computer gesteuert, bis die Wand hochgezogen ist.

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Auf dem Heidelberger Konversionsgelände Campbell entsteht derzeit das größte Gebäude im 3D-Druck-Verfahren. Es soll ein Rechenzentrum, ein so genanntes Serverhotel, werden, 54 Meter lang, neun Meter hoch. Und alle Beteiligten sind extrem stolz, dass sie bei einem innovativen Projekt dabei sind. Allen voran Bauherr Hans-Jörg Kraus, geschäftsführender Gesellschafter der Heidelberger Krausgruppe. Die Krausgruppe ist in der Region Heidelberg als Projektentwickler, Bauträger und Immobilienmanager aktiv.

Tipps für den Mond

Vor rund anderthalb Jahren habe er einen Artikel über den Druck eines Hauses gelesen, so Kraus. Für ihn war sofort klar, dass er mit seinem Familienunternehmen das noch neue Verfahren anwenden wolle. Rund 2,5 Millionen Euro investiert Kraus in das Bauprojekt. Seit 31. März wird gedruckt, und mit den ersten Erfahrungen sieht sich Kraus schon in der Lage, der US-Weltraumbehörde Nasa Tipps zu geben. Die Nasa will mit dem 3D-Druck-Verfahren ab 2030 Häuser auf dem Mond errichten. „Die können gerne hier vorbeikommen“, sagt Kraus. Schließlich spricht auch Oberbürgermeister Eckart Würzner von „absoluter Spitzentechnologie.“ Überzeugt haben die Nasa offenbar die Vorteile der etwas anderen Bauweise: Das Gebäude lässt sich direkt vor Ort von wenig Personal errichten - und zwar mit erstaunlicher Geschwindigkeit.

Jörg Dietrich vor einer Schicht für Schicht gedruckten Wand. © Udo Lahm

Als Partner gewann Bauherr Kraus die Peri 3D Construction aus Weißenhorn in Bayern. Peri ist Spezialist für Schalungs- und Gerüstsysteme, der eigens eine Tochtergesellschaft für den 3D-Druck gegründet hat. Weltweit hat Peri bereits sieben Gebäude gedruckt. Das Heidelberger Rechenzentrum ist die Nummer vier in Deutschland. In Nordrhein-Westfalen entsteht demnächst zudem das erste öffentliche Gebäude in 3D-Druck. Für Geschäftsführer Fabian Meyer-Brötz ist das ein Beleg dafür, dass die noch neue Technologie „an Fahrt gewinnt.“

Anspruchsvoller Spezialbaustoff

Neu sind aber nicht nur Drucktechnik und Hardware, also der Portaldrucker. Für das Verfahren musste auch ein ganz spezieller Baustoff entwickelt werden. Der kommt vom Dax-Konzern Heidelberg Materials. Es ist ein Spezialmörtel mit „anspruchsvollen“ Eigenschaften, erklärt Jörg Dietrich, Leiter Engineering & Innovation bei Heidelberg Materials. „Der Baustoff muss gut auspressbar, aber auch gleich nach dem Auftragen standfest sein“ - und schnell trocknen. Laut Dietrich hat das Hightech-Produkt auch einen deutlich besseren CO2-Fußabdruck als der herkömmliche, beim Bau eingesetzte Portland-Zement. Dafür sorgt ein spezielles Bindemittel. Der vollständig mineralische Baustoff sei zudem zu 100 Prozent recycelbar.

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Außerdem lasse sich das Material gezielter und dadurch effizienter einsetzen - um bis zu 70 Prozent reduziere sich so der Materialeinsatz. Allerdings ist Dietrich zufolge ein Kostenvergleich mit dem klassischem Bau noch schwierig, auch weil das Verfahren noch in den Anfängen steckt.

Für Meyer-Brötz ist klar, dass der 3D-Druck in der Branche weit mehr sein wird als ein Nischenprodukt. Es werde konventionelle Bauweisen nicht ersetzen, „aber es ist ein entscheidendes Puzzlestück“. Die Nachfrage bei der Kundschaft steige bereits, er sei sowohl im Wohn- als auch im Gewerbebau einsatzbereit.

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Die Drucktechnologie erlaube mehr Freiheiten und ein kreativeres Design, erklärt Dietrich. Gerade wenn es um geschwungene Formen geht, punkte das Verfahren, sagt er und zeigt auf die wellenförmigen Wände des Serverhotels.

Für den Heidelberg Materials-Manager hat der 3D-Druck noch einen Vorteil: Die neue, digitale Technik könnte die Baubranche auch für den dringend benötigten Nachwuchs attraktiver machen. Den „Mann an der Schippe“ gebe es hier nicht - nur zwei Personen braucht es, um den Portaldrucker zu steuern.

Redaktion Bettina Eschbacher ist Teamleiterin Wirtschaft.

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