Mannheim. Herr Clemens, angeblich ist es schwierig, Führungskräfte nach Mannheim zu locken, weil viele glauben, dass die Stadt hässlich ist. Musste Aufsichtsratschef Christian Specht da bei Ihnen Überzeugungsarbeit leisten?
Gabriël Clemens: Nein, Mannheim hat doch seine Reize.
Die Stadt gefällt Ihnen also?
Clemens: Ja natürlich, meine Frau und ich mögen Kunst, klassische Musik und das Theater. Und da hat Mannheim wahnsinnig viel zu bieten. Ich bin also vollen Herzens hierhergekommen.
Wo wohnen Sie denn?
Clemens: Momentan in Weinheim zur Miete. Wir sind aber auf der Suche nach einer festen Bleibe, gerne auch in Mannheim.
Auch Führungskräfte finden wohl eher einen guten Job als eine schöne Wohnung.
Clemens: Na ja, es war ja alles ziemlich kurzfristig. Der Aufsichtsrat der MVV hat mich am 4. Dezember 2024 zum Vorstandsvorsitzenden bestellt und im April 2025 ging es dann los. Mir war es aber wichtig, dass ich dann auch schon hier bin. Und zwar nicht nur tagsüber, sondern auch abends und am Wochenende. Als Energieversorger und Netzbetreiber haben wir eine besondere Verantwortung für unsere Kunden, also die Bürgerinnen und Bürger der Stadt, da muss auch der CEO ein Zeichen setzen.
Wie kommen Sie denn mit der direkten Art der Kurpfälzer zurecht?
Clemens: Ich bin gebürtiger Niederländer. Da muss schon viel passieren, um mich aus der Fassung zu bringen.
Gilt das auch beim Thema Fußball?
Clemens: Nein, ich habe zwei Pässe, das hat einen großen Vorteil: Wenn die Niederlande gegen Deutschland spielen, kann ich nie verlieren.
Kommen wir zum Geschäft: Ihr Vorgänger Georg Müller hat das angekündigte Aus für Gasheizungen ab 2035 auch damit begründet, dass die Umstellung auf Wasserstoff für Privatkunden nicht wirtschaftlich sei. Sehen Sie das auch so?
Clemens: Ja, aber ich muss Sie dennoch korrigieren: Weder der Vorstand noch der Aufsichtsrat der MVV haben jemals eine Entscheidung getroffen, dass wir aus dem Gasnetz herausgehen. Es hat da auch nie eine Festlegung auf eine Jahreszahl gegeben.
Herr Müller hat aber immer wieder die Zahl 2035 wiederholt.
Clemens: Nochmal: Diese Entscheidung hat es nie gegeben. Klar ist nur: Die Zeit des fossilen Gases ist endlich, aber ob das dann 2033, 2035 oder später sein wird, das wissen wir nicht.
Am Anfang klang das im vergangenen Jahr bei Herrn Müller doch alles anders.
Clemens: Es kann noch gar keine Entscheidung oder konkrete Planung geben. Denn der Zeitpunkt des Gas-Ausstiegs hängt von den politischen Rahmenbedingungen ab. Dafür benötigen wir die gesetzliche Grundlage, die voraussichtlich 2026 vorliegt. Wir wollen dem Kunden aber schon jetzt klarmachen, dass Gas in den nächsten Jahren deutlich teurer wird, weil die Kosten für CO2-Emissionen und die Netzentgelte steigen werden. Und mit Sicherheit ist auch Wasserstoff keine Alternative für Privatkunden. Das wäre zu teuer. Aber es gibt ja gute Lösungen für Mannheim: Fernwärme oder Wärmepumpen. Auch das haben wir klar kommuniziert. Für uns gilt: Wir müssen nach dem aktuellen Energiewirtschaftsgesetz weiterhin jeden ans Gasnetz anschließen. Und wir können das auch nicht einfach stilllegen. Es ist aber eine Frage der Fairness, den Menschen offen zu sagen: Erdgas hat in den Heizungskellern keine Zukunft. Und das kommt auch an: Die Zahl der neuen Gasanschlüsse im MVV-Netz geht nahezu gegen null.
Die neue Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche tritt als Gas-Lobbyistin reinsten Wassers auf und redet die Energiewende schlecht. Ärgert Sie das?
Clemens: Ich will mir Ihre Einschätzung zur Ministerin nicht zu eigen machen. Aber wir sehen schon jetzt, dass es auf dem Heizungsmarkt zu einem Stillstand gekommen ist. Der Kunde wartet gegenwärtig lieber ab, weil sich die Rahmenbedingungen ständig ändern. Das ist kein Wunder. Wer eine Entscheidung darüber treffen soll, welche Heizung er sich im Keller einbauen lässt, muss viel Geld investieren und legt sich damit für die nächsten 20 Jahre fest. Aber auch wir als MVV brauchen Planungssicherheit. Wenn wir Leitungen für Fernwärme verlegen oder mehr Wärmepumpen einbauen, geht es um Investitionen für die nächsten 40 Jahre. Da hat es die Politik leichter. Eine Wahlperiode dauert nur vier Jahre.
Wirtschaftsministerin Reiche will die Einspeisevergütung für PV-Anlagen streichen und den Ausbau der Windenergie bremsen. Ihre Kritiker wittern einen fiesen Anschlag auf die Energiewende. Sie auch?
Clemens: Das halte ich für übertrieben. Frau Reiche hat doch einen Punkt, wenn sie sagt: Wir müssen bei der Energiewende auch an die Gesamtkosten denken. Am Ende müssen die Kunden die Rechnung zahlen.
Und?
Clemens: Wer sich eine PV-Anlage aufs Dach stellt, braucht weniger Strom aus dem Netz und spart damit Geld. Heute sind PV-Anlagen oftmals schon ohne Einspeisevergütung wirtschaftlich. Der Staat sollte sich auf die Förderung neuer Technologien konzentrieren. Und mit der Windenergie ist das auch so eine Sache. Wenn der Betreiber einer Windkraftanlage in Norddeutschland den Strom nicht in den Süden transportieren kann, weil das Netz dies nicht zulässt, bekommt er dennoch Geld, obwohl er gar nichts einspeist. Im Gegenzug werden dann die teuren Gaskraftwerke ...
... oder das Grosskraftwerk Mannheim ...
Clemens: ... hochgefahren. Das alles kostet enormen Summen. Und das kann nach meiner Meinung so nicht weitergehen. Von daher ist es gut, dass Frau Reiche den Blick auf die Gesamtkosten richtet.
Unabhängig davon ist es doch aber klar, dass wir neue Gaskraftwerke brauchen, weil eben nicht immer die Sonne scheint und der Wind weht. Und von der Kohle wollen wir ja weg, auch die MVV will den Kunden ab 2030 nur noch grüne Fernwärme anbieten und deshalb auf die Steinkohle aus dem Grosskraftwerk Mannheim komplett verzichten.
Clemens: Erzeugung und Verbrauch müssen flexibler werden. Neben großen Speichern und intelligenten Netzen sind da Gaskraftwerke Teil der Lösung. Sie sind schnell steuerbar und man kann sie auf Wasserstoff umstellen. Und klar ist auch, dass diese Gaskraftwerke dann vor allem südlich von der Mainlinie stehen müssen, weil hier ja auch viel Industrie ist.
Dann können Sie ja den Wunsch des Vorstands des Grosskraftwerks Mannheim erfüllen: Er würde gerne am Standort ein wasserstofffähiges Gaskraftwerk hinstellen, aber ihr Vorgänger hat das immer mehr oder minder abgelehnt.
Clemens: Über die Zukunft des GKM entscheiden nicht wir als MVV, sondern der GKM-Vorstand zusammen mit dem Aufsichtsrat.
Das heißt, Sie stehen der Sache offen gegenüber.
Clemens: Das habe ich nicht gesagt. Wir sind neben der EnBW und RWE Generation der dritte Anteilseigner am Grosskraftwerk.
Die EnBW will wasserstofffähige Gaskraftwerke bauen. Vielleicht auch am GKM?
Clemens: Das müssen Sie die EnBW fragen.
Würde sich die MVV daran beteiligen?
Clemens: Nein.
Warum denn nicht?
Clemens: Weil eine Großerzeugungsanlage nicht mehr zu unserem Geschäftsmodell gehört. Wir bauen auch keine Autos. Das heißt aber noch lange nicht, dass wir etwas dagegen hätten, wenn jemand eine Autofabrik auf dem GKM-Gelände bauen würde. EnBW und RWE Generation hatten übrigens auch nichts dagegen, dass wir drei Flusswärmepumpen am Standort GKM bauen werden, haben sich aber an dem Projekt nicht beteiligt. Es müssen also nicht alle drei Anteilseigner immer alles zusammen machen.
Gabriël Clemens
- Gabriël Clemens wurde am 21. April 1971 in Ulestraten in der Nähe von Maastricht geboren.
- Clemens ist im Dreiländereck Niederlande, Belgien und Deutschland aufgewachsen. Seit seinem Studium der Elektrotechnik in Aachen lebt Clemens überwiegend in Deutschland. Er hat einen deutschen und einen niederländischen Pass.
- Der Manager hat beim Mannheimer Energiekonzern MVV am 1. April 2025 die Nachfolge des langjährigen Vorstandsvorsitzenden Georg Müller angetreten. Sein Vertrag läuft fünf Jahre.
- Der promovierte Ingenieur bringt umfassende Führungserfahrung aus der Energiebranche mit. Zuletzt war er CEO Green Gas bei Eon Hydrogen.
- Clemens ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. was
Die neue Bundesregierung will die Netzentgelte pro Jahr durch einen Zuschuss in Höhe von 6,5 Milliarden Euro senken. Wie wird sich das auf der Stromrechnung der MVV-Kunden niederschlagen?
Clemens: Das kann ich Ihnen nicht sagen. Zunächst geht der Zuschuss ja an die Übertragungsnetzbetreiber. Die geben die Vergütung dann weiter an die Netzbetreiber vor Ort. Wir werden auf jeden Fall den Anteil, den wir bekommen, an unsere Kunden weiterreichen. Dazu sind wir auch gesetzlich verpflichtet.
Angeblich können die Übertragungsnetzbetreiber den Zuschuss für sich behalten, wenn sie das wollen.
Clemens: Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie das tun werden.
MVV-Kunden müssen in der Grundversorgung gegenwärtig 39 Cent pro Kilowattstunde zahlen. Das ist ziemlich happig. Nach Angaben des Vergleichsportals Verivox zahlen Neukunden in Deutschland aber nur 27 Cent. Wäre es nicht an der Zeit, dass die MVV die Preise senkt?
Clemens: Der Vergleich greift zu kurz, da hier die Grundversorgung mit Online- und Neukundentarifen verglichen wird. Es gibt bei uns unterschiedliche Tarife, die verschiedene Kundenbedürfnisse berücksichtigen. Beim Grundversorgungstarif haben die Kunden keine längerfristige Vertragsbindung und er steht für Verlässlichkeit. Denn darauf kommt es ja auch an, wie wir alle nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine gesehen haben. Ich kann sagen: Unsere Preise sind angemessen und beim Strom hat der Kunde die freie Wahl unter verschiedenen Tarifen. Bei der Fernwärme ....
.... haben Sie ein Monopol ...
Clemens: ... und der Preis ist verglichen mit anderen Anbietern in Deutschland niedrig. Das ist auch wichtig, denn wir wollen die Fernwärme weiter ausbauen. Dafür brauchen wir wettbewerbsfähige Preise gegenüber anderen Heizungsformen. Das zeigt: Auch die Fernwärme steht im Wettbewerb und als Anbieter müssen wir uns an klare Vorgaben und Regeln halten.
Es wird also keine Preissenkungen geben?
Clemens: Wie sich die Preise in den verschiedenen Sparten entwickeln, können wir aktuell noch nicht sagen. Hier kommen viele Faktoren zusammen. Beim Strom sind das etwa Beschaffung, Netzentgelte, Vertrieb, Steuern und Abgaben.
Sie machen aber mit rund 400 Millionen Euro im Jahr hohe Gewinne. 2023 waren es sogar mehr als 800 Millionen.
Clemens: Sie wissen, dass 2023 ein Ausnahmejahr mit Sondereffekten war. Zudem müssen wir viel Geld in die Energiewende investieren und die Aktionäre wollen auch ihre Dividende.
Davon profitiert auch die Stadt Mannheim, die mit dem Geld zumindest einige Haushaltslöcher stopfen kann. Die Zeche müssen allerdings die Kunden zahlen.
Clemens: Ich kann nur betonen: Wir machen ein faires Angebot an unsere Kunden. Das reicht von der Fernwärme über unsere Lösungen rund um Wärmepumpen, PV-Anlagen und Elektromobilität bis hin zu unseren Tarifen.
Da Sie viel in der Stadt unterwegs sind, werden Sie merken, ob die Leute das auch so sehen.
Clemens: Bisher habe ich da noch keine negativen Stimmungen erkennen können. Unsere Kunden schätzen, dass wir uns als MVV um die Energieversorgung in der Stadt und der Region kümmern und die Energiewende gemeinsam voranbringen.
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