Mannheim. Seit Ende 2022 leitet Franziska Cusumano, die in Heidelberg geboren wurde und in Mannheim studiert hat, bei Daimler Truck die Sparte mit Spezialfahrzeugen. Das Ziel der 36-Jährigen: das Militärgeschäft hochfahren. Zum Interview treffen wir sie in Frankreich - am Daimler-Truck-Standort Molsheim nahe Strasbourg.
Frau Cusumano, als Sie bei Mercedes-Benz Special Trucks gestartet sind, erzählten Sie in einem Podcast, eine junge Frau auf diesem Posten sei für viele ungewöhnlich und überraschend gewesen. Haben sich Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mittlerweile an Sie gewöhnt?
Franziska Cusumano: Das müssten Sie eher meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fragen (lacht). Ernsthaft: Ich glaube, das ist mittlerweile kein Thema mehr.
Zu Ihrer Verantwortung gehört das Militärgeschäft, speziell Logistikfahrzeuge. Daimler Truck macht keinen Hehl daraus, ein großes Stück vom Kuchen abhaben zu wollen – Stichwort Zeitenwende …
Cusumano: Tatsächlich hat das Defense-Geschäft bei Daimler Truck lange nicht im Fokus gestanden. Das ändert sich jetzt: Wir haben eine neue Strategie zurechtgelegt, in Produkte und in das Servicenetzwerk investiert. Im Markt ist unheimlich viel Bewegung, das Stichwort Zeitenwende haben Sie bereits genannt. Durch Russlands Bedrohung und Amerikas Rückzug rüsten Deutschland und andere Länder in Europa auf. Ich denke, wir können im Geschäft ganz gut mitspielen. Großer Vorteil für Mercedes-Benz Special Trucks ist, auf den Technologie-Baukasten des Mutterkonzerns Daimler Truck zurückgreifen zu können. Wichtig, viel mehr als in anderen Sparten, sind zudem Partnerschaften. Ein Partner liefert beispielsweise geschützte Führerhäuser, wir bauen dann alles vollständig zusammen und übergeben das fertige Fahrzeug dem Kunden.
Zur Person
Franziska Cusumano wurde in Heidelberg geboren, sie ist 36 Jahre alt.
Ihre Karriere bei Daimler Truck begann sie 2008 während des Dualen Hochschulstudiums in Mannheim (International Business). Cusumano durchlief anschließend mehrere Stationen in Forschung und Entwicklung sowie im Produktmanagement , unter anderem in Südafrika.
Mit der Zeit machte sich die Managerin einen Namen. Der ehemalige Konzernchef Martin Daum ernannte sie 2018 zu seiner Assistentin und Stabschefin .
Seit November 2022 leitet Cusumano das Segment mit Sonderfahrzeugen (Mercedes-Benz Special Trucks, ungefähr 1.000 Beschäftigte ). Ihr Arbeitssitz ist Wörth am Rhein (Pfalz). Von dort kommen quasi die Basismodelle, die später im französischen Molsheim bei Strasbourg auf Kundenwunsch umgebaut werden.
Ihre Freizeit verbringt Cusumano am liebsten in den Bergen .
Wie stark wollen Sie wachsen?
Cusumano: Wir wollen den Umsatz unseres Defense-Geschäfts verdoppeln. Im Moment macht dieser etwa ein Prozent des Gesamtumsatzes von Daimler Truck aus (dieser lag 2024 bei rund 54 Milliarden Euro, Anmerkung der Redaktion).
Viele Menschen sind bei Rüstungsgeschäften moralisch hin- und hergerissen. Können Sie das nachvollziehen?
Cusumano: Wir halten uns absolut an die Vorgaben der Bundesregierung. Was erlaubt ist und was nicht, was exportiert werden darf und was nicht. Es ist alles sehr, sehr streng reglementiert. Und selbst wenn die Bundesregierung grünes Licht gibt, entscheiden am Ende immer noch wir, welches Geschäft realisiert wird.
Auf der Hauptversammlung im Mai wurde Kritik von Aktionärsseite laut, weil Daimler Truck an der Rüstungsmesse Idex in Abu Dhabi teilgenommen hatte. Und angeblich auch nicht davor zurückschreckt, an Autokraten und in Krisenregionen zu liefern.
Cusumano: Ich kann nur wiederholen, was ich gerade gesagt habe: Daimler Truck liefert ausschließlich unter strikter Beachtung der Exportkontroll- und Sanktionsbestimmungen. Was die Messen angeht: In Abu Dhabi, Paris und London finden nun mal die größten Veranstaltungen der Branche statt. Verteidigung war bislang an deutschen Messeplätzen kein Thema, auch das ändert sich. So ist in Essen im September 2026 erstmals die neue internationale Fachmesse Euro Defense Expo geplant.
Und, nehmen Sie teil?
Cusumano: Ja.
Joe Kaeser, Aufsichtsratsvorsitzender von Daimler Truck, hat klare Vorstellungen zur Marge – bei 14 bis 15 Prozent soll sie liegen. Wie hoch ist die Marge bei den Special Trucks?
Cusumano: Renditen im Geschäft mit Sonderfahrzeugen kommunizieren wir nicht. Ich sage nur: Wir sind auf einem guten Weg.
Konzernweit läuft gerade ein Sparprogramm, speziell an den europäischen Standorten. Ist Ihre Sparte auch davon betroffen?
Cusumano: Ja, schließlich gehören wir zu Mercedes-Benz Trucks (dem Lkw-Geschäft u. a. in Europa und Lateinamerika, Anmerkung der Redaktion). Übrigens ist es nicht nur ein Sparprogramm, sondern vor allem ein Effizienzprogramm. Und das ist auch für uns ein Thema: Wo können wir Effizienzpotenziale heben, um daraus wieder mehr Geschäft zu generieren?
Werden bei Mercedes-Benz Special Trucks – so wie in anderen Sparten – Jobs abgebaut?
Cusumano: Davon gehe ich derzeit nicht aus.
Lassen Sie uns über alternative Antriebe bei Sonderfahrzeugen sprechen. Grundsätzlich möglich?
Cusumano: Bestimmt. Aber in erster Linie sollte es um die naheliegendsten Modelle gehen. Wie ein batterieelektrisch angetriebener eEconic als Müllsammelfahrzeug, das haben wir zuerst in den Blick genommen.
Ich war einen Tag lang mit der Frankfurter Müllabfuhr unterwegs.
Weshalb?
Cusumano: Ein Müllsammelfahrzeug hat sehr planbare Routen und legt am Tag nicht mehr als 150 Kilometer zurück. Der eEconic ist seit drei Jahren bei diesen Einsätzen sehr erfolgreich. Dänemark ist der größte Markt, gefolgt von Deutschland. Niemand will mehr zu den Diesel-Fahrzeugen zurück. Glauben Sie mir, ich spreche aus Erfahrung.
Was meinen Sie?
Cusumano: Ich war einen Tag lang mit der Frankfurter Müllabfuhr unterwegs.
Ernsthaft?
Cusumano: Ja, ich habe morgens um fünf Uhr angefangen und wurde gleich der Biotonne zugeteilt. Es war eine tolle Erfahrung, zumal ich mit den Beschäftigten der Müllabfuhr sprechen und direktes Feedback erhalten konnte. Alle sind begeistert vom eEconic. Keine Abgase, weniger Lärm. Es rechnet sich für den Kunden. Die Frankfurter Müllabfuhr ist gerade dabei, den gesamten Fuhrpark umzustellen.
Wie realistisch sind alternative Antriebe bei anderen Anwendungsfällen – bei der Feuerwehr oder bei landwirtschaftlichen Maschinen etwa?
Cusumano: Wir sind mehr als am Experimentieren. Mercedes-Benz Special Trucks hat zum Beispiel gemeinsam mit Projektpartnern einen mit einem Wasserstoffverbrennungsmotor angetriebenen Unimog entwickelt. Der Punkt ist: Am Ende geht es um Arbeitsmaschinen, die immer verfügbar sein und eine dauerhaft hohe Leistung bringen müssen. Sonderfahrzeuge haben in der Regel riesige Aufbauten, da muss man schon genau überlegen, wo man die Batteriepakete oder den Wasserstofftank hinpackt. Während der Fahrt muss über einen Nebenabtrieb auch das jeweilige Gerät betrieben werden – beispielsweise ein Mäher. An vielen Stellen scheitert der Einsatz an der Infrastruktur zum Laden oder Tanken. Und der Anschaffungspreis ist natürlich höher als bei einem konventionellen Fahrzeug. Von daher bin ich der Ansicht: lokal emissionsfrei zuerst dort, wo es ökonomisch und praktisch für den Kunden Sinn ergibt. Wir entwickeln und bauen die Fahrzeuge ja nicht für uns.
Sie sind seit Ende 2022 im Amt. Was macht aus Ihrer Sicht gute Führung aus?
Cusumano: Vor allem am Anfang ist es für mich wichtig gewesen, zuzuhören. Denn es wäre vermessen, große Entscheidungen zu treffen, ohne vorher anständig zugehört zu haben. Grundsätzlich will ich allen mit Offenheit, Vertrauen und Respekt begegnen – egal, ob es sich um einen Mitarbeiter aus der Produktion handelt oder um eine Kollegin aus dem Management. Was es dringend braucht: eine gemeinsame Vision. Das kann motivierend wirken und Energie freisetzen.
Die Region hat einfach eine gewisse Bodenständigkeit, die ich sehr angenehm finde.
Was war bisher Ihr größtes Learning?
Cusumano: Mich selbst nicht zu wichtig zu nehmen. Am Ende ist es immer das gesamte Team, das den Unterschied macht – mit allen Beschäftigten, mit allen Ausprägungen, mit allen Erfahrungsschätzen.
Sie stammen aus Heidelberg. Sind Sie noch oft in Ihrer Heimat?
Cusumano: Mittlerweile wohne ich in Stuttgart – fahre aber immer gerne in die Heimat, weil ich hier einen großen Freundeskreis habe. Auch durch das Studium an der Dualen Hochschule in Mannheim. Die Region hat einfach eine gewisse Bodenständigkeit, die ich sehr angenehm finde.
Sie haben einen Lkw-Führerschein. Bei welchem Modell sitzen Sie am liebsten hinter dem Steuer?
Cusumano: Am liebsten bei allen (lacht). Wenn ich die Wahl hätte: beim Unimog. Das Fahrzeug ist einfach toll, der Unimog ist eine Ikone.
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